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„Prophetische“ Verkündigungskraft

In der Kirchheimer Martinskirche erklangen an Karfreitag „Die sieben letzten Worte“ in Haydns Vertonung

Unter dem Kreuz des Altars in der Kirchheimer Martinskirche führten der Chor an der Martinskirche, ein Solistenquartett und das
Unter dem Kreuz des Altars in der Kirchheimer Martinskirche führten der Chor an der Martinskirche, ein Solistenquartett und das Schwäbische Kammerorchester unter der Leitung von Bezirkskantor Ralf Sach Joseph Haydns „Sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuze“ auf.Foto: Deniz Calagan

Kirchheim. Wie schon in den vergangenen Jahren, hatte Bezirkskantor Ralf Sach für die Musik zur Todesstunde Jesu in der Kirchheimer

Martinskirche auch dieses Jahr ein interessantes Programm mit eher selten aufgeführten Werken zusammengestellt. Joseph Haydns „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ ist eine sehr ungewöhnliche Komposition, die es in vier Fassungen (für Orchester, Streichquartett, Klavier solo und als Oratorienfassung) von Haydn selbst gibt. Das Werk entstand 1786/87 im Auftrag der spanischen Stadt Cádiz, für deren aufwendige Karfreitagszeremonien es komponiert wurde.

Sieben Mal erhebt Jesus die Stimme in den Evangelien, nachdem er ans Kreuz geschlagen worden ist. Der Auftrag lautete, sieben langsame, meditative Instrumentalmusiksätze für jedes der letzten Worte Jesu zu komponieren, in Verbindung mit den gesprochenen Worten. Haydn bekannte selbst, dass es keine leichte Aufgabe sei, ohne den Zuhörer zu ermüden. Er fügte den sieben Teilen noch eine langsame, majestätische Einleitung sowie ein abschließendes, „apokalyptisches“, vertontes „Erdbeben“ hinzu. Schon von Beginn der Rezeptionsgeschichte an überwältigte Haydns Passionszyklus die Gefühle der Zeitgenossen und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit.

Die große Herausforderung des Werks, die ununterbrochene Langsamkeit der Sätze, deren Puls kaum merklich variiert, ohne das Gestaltungsmittel des Tempokontrasts mit gestalterischer Tiefe auszufüllen und die innere Haltung der Sätze adäquat abzubilden, haben die beteiligten Solisten, der Chor an der Martinskirche und das Schwäbische Kammerorchester unter der souveränen Stabführung Ralf Sachs hervorragend gemeistert.

Eine dunkel getönte Introduktion, geprägt durch ein stark punktiertes Anfangsmotiv, eröffnete das Hauptwerk der Passionsmusik. Die folgenden Teile der Komposition nahmen stets ihren Anfang in einem a cappella vorgetragenen Satz, vom Chor an der Martinskirche in getragenem Duktus mit präziser Intonation und hoher Wortverständlichkeit gesungen. In der Schönheit der Tonsprache, in der instrumentalen und vokalen Ausgestaltung sowie der „prophetischen“ Verkündigungskraft der Chorpassagen wurde immer wieder Haydns große Meisterhaft hörbar.

Ohne die dramatischen Gestaltungselemente einer oratorischen „Matthäuspassion“ oder eines „Elias“, verstand es der Komponist dennoch, dem Libretto Gottfried van Swietens „Leben“ einzuhauchen. Die Intentionen des Tonschöpfers wurden vom gesamten Klangkörper sehr gut umgesetzt. Dabei sind besonders die hohe Konzentration, das gute Aufeinander-Hören und die Präzision bei allen Beteiligten zu loben.

Ohne „Rezitative und Arien“, die sonst den Solisten Gelegenheit bieten, ihre vokalen Möglichkeiten zu präsentieren, wusste das harmonisch aufeinander abgestimmte Soloquartett mit Christina Schmid (Sopran), Adina Kolb (Alt), Rüdiger Husemeyer (Tenor) sowie Matthias Baur (Bass) mit lyrischen Ensembles zu gefallen. Ihre stimmliche Präsenz und klare Artikulation, besonders auch in den vielen Wechseln mit dem Chor, ließen das Werk in seiner großen Tiefe erfahren.