Lokales

Psychiatrie zieht nach Kirchheim um

Ab morgen werden 70 Patienten aus Plochingen Zug um Zug nach Kirchheim verlegt

Für Patienten und Personal der Psychiatrie in Plochingen heißt es Abschied nehmen. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie zieht ab Donnerstag mit Sack und Pack nach Kirchheim. Damit ist der Krankenhausstandort Plochingen endgültig Geschichte.

Umzug der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nach Kirchheim
Umzug der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nach Kirchheim

Antje Dörr

Kirchheim. In den neuen Räumen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie riecht es nach Farbe. Handwerker erledigen letzte Arbeiten. Billardtisch und Tischkicker sind noch verwaist, es fehlen Möbel, Betten – und Patienten. Das wird sich morgen ändern. „Ab Donnerstag zieht die vollbelegte Station Zug um Zug nach Kirchheim um“, sagt Thomas Kräh, Geschäftsführer der Kreiskliniken, beim Presse-Rundgang durch die neuen Räume. 70 Patienten befinden sich aktuell noch im Plochinger Krankenhaus, dazu kommen 90 Mitarbeiter.

Natürlich braucht es mehr als ein bisschen Wandfarbe, um die Station fit für die psychiatrischen Patienten zu machen. „Jede Tür kann aus Sicherheitsgründen separat geschlossen werden“, erläutert Norbert Nadler, Leiter der Klinik Kirchheim-Nürtingen, die Umbaumaßnahmen. Alle Griffe und Duschstangen seien so konstruiert, dass die Patienten sich nicht an ihnen strangulieren könnten. Die Fenster seien ausbruchsicher und aus Sicherheitsglas, damit Patienten weder sich selbst noch andere verletzen könnten.

Dr. Christian Jacob, der Chefarzt der Psychiatrie, freut sich über die „wunderbar großzügigen, hellen Räume, in denen man moderne Psychiatrie machen kann“. Geschäftsführer und Chefarzt betonen unisono, wie froh sie über die Entscheidung des Kreistags sind, die Psychiatrie nicht „auf der grünen Wiese“ in Plochingen – sprich ohne Anbindung an ein Akutkrankenhaus –, sondern unter einem Dach mit der Somatik in Kirchheim anzusiedeln. „Auch internistische Patienten haben oft psychische Probleme“, sagt Christian Jacob und führt als Beispiel Herzinsuffizienz an: „Das geht oft mit Depressionen einher.“ Rheumapatienten, die unter chronischen Schmerzen litten, seien ebenfalls häufig seelisch belastet. Deshalb arbeitet die Psychiatrie eng mit somatischen Abteilungen wie der Kardiologie oder der Rheumatologie zusammen. Es sei wichtig, die Kompetenz der anderen zum Wohle der Patienten nutzen zu können, so Jacob.

Der Chefarzt, der Spezialist für ADS und Burn-out ist, will in Kirchheim das gesamte Spektrum der Psychiatrie und Psychotherapie anbieten: Sozialpsychiatrie für chronisch psychisch kranke Menschen, Psychotherapie und Pharmakologie. Besonders um akut psychisch erkrankte Patienten finde ein Wettbewerb statt, so Jacob. „Die Patienten sind bereit, lange Wege auf sich zu nehmen.“ Mit insgesamt 190 vollstationären Betten hat der Landkreis Esslingen gemessen an seiner Einwohnerzahl eine recht kleine Psychiatrie. „Im Landkreis Göppingen sind es 280 Betten, in Stuttgart 400, der Landkreis Böblingen hat wiederum gar keine“, führt Thomas Kräh ein paar Beispiele an und betont: „Unsere Bettenzahl ist ausbaufähig, die Nachfrage ist deutlich höher.“

Konkrete Pläne, „wo wir noch hinwachsen können“, gibt es laut Thomas Kräh jedoch noch nicht. Erst einmal muss Ende 2016 der Umzug der psychiatrischen Abteilung von Nürtingen nach Kirchheim geschultert werden. Dann wäre das Ziel einer „großen städtischen Psychiatrie mit 190 Betten“ erreicht, wie Christian Jacob es formuliert. Um Platz zu schaffen, wird der nicht sanierungsfähige Trakt aus den 30er-Jahren, der Richtung Charlottenstraße zeigt, abgerissen. „Auf dieser Fläche soll ein Anbau für 120 Patienten entstehen, der bis zur Stuttgarter Straße reicht“, so Thomas Kräh. Der Bauantrag bei der Stadt Kirchheim ist gestellt. 17,9 Millionen Euro soll der Anbau kosten. An der psychiatrischen Tagesklinik an der Ecke Stuttgarter Straße/Charlottenstraße, die seit dem Baustopp 2011 im Rohbau steht, wird weitergebaut.

„Ende 2016 wird die Klinik in Kirchheim mit 425 Betten das größte Haus der drei Standorte sein“, sagt Thomas Kräh und freut sich, „dass damit das Strukturproblem gelöst wäre“. Wenn der Psychiatrieanbau Ende 2016 steht, werden die Kreiskliniken 60 Millionen Euro in den Standort Kirchheim investiert haben. Krähs Anerkennung gilt allen Mitarbeitern, die die Belastungen der Sanierungen und Umzüge mitgetragen haben, und auch Norbert Nadler bedankt sich für das „große Engagement“. Er ist zuversichtlich, dass der Umzug reibungslos läuft. Einige Patienten werden vom Roten Kreuz nach Kirchheim transportiert, andere ziehen mit der gesamten Station in einem Reisebus nach Kirchheim um.

Umzug der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nach Kirchheim
Umzug der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nach Kirchheim