Lokales

„Red‘ ich chinesisch?“

Talk im BAZ Esslingen zu interkulturellen Missverständnissen

Das Berufliche Ausbildungszentrum Esslingen (BAZ) will interkulturellen Differenzen beim nächsten BAZ-Talk am Donnerstag, 10. Oktober, um 19 Uhr im BAZ Esslingen, Urbanstraße 28, nachgehen.

Esslingen. „Red ich Chinesisch?“, mag sich mancher Ausbilder fragen, wenn sein Auszubildender mit Migrationshintergrund eine Anweisung gar nicht oder ganz anders befolgt, als er erwartet hat. Ursache sind oft Missverständnisse, die durch die unterschiedlichen Kulturen bedingt sind.

„Das Thema ist topaktuell“, weiß Anette Lang, die Leiterin des BAZ Esslingen. Viele Betriebe seien schon wegen des Fachkräftemangels offen für Azubis mit Migrationshintergrund. „Doch sie sollen auch funktionieren.“ Da stößt es den Ausbildern auf, wenn ein Azubi es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nimmt, weil dies in seinem Herkunftsland ganz anders gehandhabt wird. Auch die deutsche Art sich direkt und explizit auszudrücken, ist vielen anderen Kulturen fremd. Immer wieder kollidierten so zwei „Betriebssysteme“, verdeutlicht Lang. Die Mitarbeiter im BAZ verfügen über einen großen Erfahrungsschatz, den sie an Betriebe weitergeben wollen. „Uns ist oft gar nicht bewusst, wie exotisch unsere Arbeitskultur für andere ist“, sagt BAZ-Mitarbeiterin Tina Taudt.

Sie erzählt von einem Syrer, der schon lange hier lebt. „Wir wurden rasch zu einem Teil seiner Familie“, berichtet sie. Dass er mit ihnen zum Teil wie mit Familienmitgliedern umging, war für ihn vollkommen normal, empfanden seine Ausbilder aber stellenweise distanzlos. „Manche Männer haben Schwierigkeiten, Anweisungen von Frauen anzunehmen“, sagt Taudt. Auch das Putzen der Werkstatt verweigerten zuweilen männliche Azubis, weil sie dies nicht als Männerarbeit ansehen. Andererseits berichtet BAZ-Mitarbeiterin Ulrike Franz von einer Muslima, die sich weigerte, schwerere Gartenarbeit – eben Männerarbeit - zu verrichten. Dies alles kann auch im Team zu Konflikten führen. Als muslimische Mädchen im Hauswirtschaftsbereich partout kein Schweinefleisch zubereiten wollten, einigte man sich darauf, dass sie es zwar kochen, aber nicht probieren müssen.

„Wir machen sehr gute Erfahrungen, wenn wir über diese Fragen diskutieren. Wenn man die Bedenken der Auszubildenden ernst nimmt, werden die Dinge in der Regel akzeptiert“, weiß Taudt. Im BAZ übe man gezielt im Alltag, solche interkulturellen Konflikte anzusprechen und sich Lösungen auszudenken. „Dadurch sind unsere Jugendlichen gut auf das Arbeitsleben vorbereitet“, sagt BAZ-Mitarbeiterin Karin Rothenhäusler. Denn durch kulturell bedingte Missverständnisse geraten Ausbildungs- oder Arbeitsplätze in Gefahr. „Jede fünfte Ausbildung wird abgebrochen, bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die Quote deutlich höher“, weiß Lang. Das wolle man verhindern.

Der BAZ-Talk soll dazu beitragen sich der eigenen Prägungen und Hintergründe bewusst zu werden und Verständnis fürs „Anderssein“ zu wecken. Zum BAZ-Talk hat das BAZ Esslingen zwei Spezialisten eingeladen, die promovierte Ethnologin Katrin Gratz und den ägyptische Künstler und Autor Naser El Bardanohi. Beide führen seit Jahren interkulturelle Trainings und Beratungen bei großen Firmen durch und werden nicht nur viele Hintergrundinformationen bieten, sondern auf unterhaltsame und humorvolle Weise die Besonderheiten der deutschen Arbeitskultur und interkulturelle Missverständnisse aufzeigen – damit sich bald kein Ausbilder mehr fragen muss: „Red ich Chinesisch?“

Der BAZ-Talk findet im Rahmen der Projekte MATCHPOINT und LIWING statt. MATCHPOINT wird gefördert vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) der Europäischen Union. LIWING wird gefördert im Rahmen des EU-Bundesprogramms XENOS „Integration und Vielfalt“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie des ESF. Zudem unterstützt die Stadt Esslingen die Veranstaltung. Informationen und Anmeldung unter www.baz-esslingen.com oder Tel. 0711-931854-496.