Lokales

Scharfe Patrone unter dem Dach

Schöffen sehen keinen Verstoß gegen Kriegswaffenkontrollgesetz

Wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz musste sich gestern ein 60-jähriger Berufskraftfahrer aus einer Kirchheimer Umlandkommune verantworten. Das Schöffengericht sprach ihn allerdings von dem Vorwurf frei – nicht zuletzt deshalb, weil seine Ehefrau Waffen und Munition von sich aus der Polizei übergeben hatte.

Kirchheim. Von einem Fall, der unter die Kategorie „ganz dumm gelaufen“ fallen könnte, sprach die Kirchheimer Amtsrichterin Franziska Hermle, als sie den Freispruch begründete. Unstreitig sei, dass der Mann eine Patrone mit einem scharfen Sprengkopf in seinem Besitz hatte, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt. Er hätte sie nicht besitzen dürfen und hätte sich dadurch möglicherweise strafbar gemacht.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte denn auch eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro beantragt. Vorsatz sei dem Angeklagten zwar nicht nachzuweisen. Aber zumindest habe er fahrlässig gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Vielleicht sei ihm nicht klar gewesen, was für Patronen er da genau auf dem Dachboden seiner Mutter gelagert hatte. Zumindest zwei dieser Patronen hätte er nicht besitzen dürfen, die eine mit dem scharfen Sprengkopf und noch eine andere mit einem Manöversprengkopf.

Der Verteidiger, der Freispruch für seinen Mandanten beantragte, ging davon aus, dass die Patronen nicht im „unmittelbaren Besitz“ des 60-Jährigen waren, denn dazu gehöre auch ein „Besitzwille“, der hier nicht nachzuweisen sei. Waffen und Munition hätten sich größtenteils auf dem Dachboden der Eltern befunden. Nach dem Tod des Vaters vor 22 Jahren habe der Mann den heiklen Besitz geerbt und dafür auch eine Waffenbesitzkarte beantragt. Dass der Mann aber verpflichtet gewesen wäre, den Dachboden zu durchforsten, um dort nach scharfer Munition zu suchen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen könnte, das bezweifelte der Verteidiger stark.

Unklar war bis zum Schluss, woher die Patronen überhaupt kamen, die da über Jahre hinweg auf dem Dachboden lagerten. Die naheliegende Vermutung, dass der Vater, der 1946 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, sie seit damals besessen hatte, war nämlich ganz einfach auszuschließen. Ein Polizeibeamter im Zeugenstand konnte den Patronen Jahreszahlen zuordnen, die weit entfernt vom Zweiten Weltkrieg sind: Die eine Patrone sei bei der Bundeswehr 1970 in Gebrauch gekommen, die andere erst 1987.

Ob nun der Angeklagte selbst die eine Patrone nach seiner Bundeswehrzeit mitgebracht hatte oder aber ein Neffe die andere, das war nicht eindeutig zuzuordnen. Außerdem hätte der verstorbene Vater ja auch anderweitig an die Patronen gelangt sein können, über irgendwelche Dritte.

Der Angeklagte selbst äußerte sich in der gestrigen Verhandlung nicht zur Sache. Dafür schilderte seine Ehefrau als Zeugin detailliert, wie sie die Patronen unter dem Dach gefunden hatte, nachdem ihre Schwiegermutter dauerhaft ins Pflegeheim umgezogen war. Um Weihnachten 2010 habe sie dann Kontakt zum Landratsamt und zur Polizei aufgenommen, um Waffen und Munition abzugeben. Um sich nicht strafbar zu machen, habe sie das brisante Material nicht selbst zur Polizei gebracht, sondern eigens abholen lassen. Ihr Mann habe damit nichts zu tun gehabt, obwohl er der eigentliche Besitzer war. Er sei beruflich viel zu sehr eingespannt gewesen, um sich tagsüber um solche Dinge kümmern zu können.

Nachdem der bereits erwähnte Spezialist bei der Polizei die Munition untersucht und festgestellt hatte, dass hier ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorliegen könnte, hat er seine Ergebnisse an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Nach eigener Aussage hatte er damit gerechnet, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen werde.

Weil das Verfahren aber nicht eingestellt wurde, hatte nun eben das Schöffengericht zu entscheiden, ob sich der Angeklagte strafbar gemacht hat oder nicht. Richterin Franziska Hermle sagte in der Urteilsbegründung, dass es tatsächlich keine Verpflichtung gebe, das Haus der Mutter nach dem Tod des Vaters gründlich auf Waffen und Munition zu untersuchen. Außerdem sei es für Laien schwer, einer Patrone anzusehen, ob sie gefährlich und zudem noch rechtlich bedenklich ist oder nicht.

Als einen weiteren Grund für den Freispruch nannte sie das Rechtsempfinden des Schöffengerichts. Schließlich habe die Ehefrau des Angeklagten Waffen und Munition abholen lassen, ohne sich dabei etwas zu denken. Sie hatte sogar gemeint, sich völlig korrekt zu verhalten. In der Tat seien die Patronen dadurch ordnungsgemäß entsorgt worden. Sie hätte die Patronen ja auch einfach in den Wald bringen können, „und wenn das jemand gefunden hätte, dann hätten wir vielleicht ein ganz anderes Problem“.