Lokales

Schwungvoll und stimmstark

Der Gesangsverein Liederkranz Neidlingen feiert sein 125-jähriges Bestehen in der Reußensteinhalle

„Joyful, joyful“ erklangen die Stimmen in der vollbesetzten Reußensteinhalle, als der Gesangsverein Liederkranz Neidlingen sein 125-jähriges Bestehen musikalisch feierte. Der älteste Verein im Ort blickte zurück auf seine Geschichte und würdigte verdiente Mitglieder. Gleichzeitig ließ man es sich in der Gemeinde im Lindachtal aber nicht nehmen, die Besucher auch von der Modernität der Chöre zu überzeugen.

In der vollbesetzten Reußensteinhalle feierte der Liederkranz Neidlingen seinen 125. Geburtstag.Foto: Anne Glanz
In der vollbesetzten Reußensteinhalle feierte der Liederkranz Neidlingen seinen 125. Geburtstag.Foto: Anne Glanz

Viktoria Pardey

Neidlingen. Manch schwäbischen Reim nutzte Elisabeth Friedel, um durch das Jubiläumsprogramm zu führen. Die Auftritte erfolgten chronologisch nach der Gründung der einzelnen Gesangsgruppen. Die heutige Chorleiterin des gemischten Chores amüsierte mit interessanten Anekdoten aus der Geschichte des Vereins und zeigte dadurch auch, wie wichtig es ist, dass Menschen sich nicht nur erinnern, sondern auch ihre Erlebnisse aufschreiben. Wer wüsste sonst heute noch, dass man in den Anfangsjahren einen Beitrag entrichten musste, wenn man aus dem Chor austreten wollte. Dieser musste sogar noch erhöht werden, weil er offenbar nicht genug abschreckte.

Grußworte sprachen der Bürgermeister der Gemeinde, Klaus Däschler, und Udo Goldmann, der Präsident des Chorverbandes Karl Pfaff. Beide hoben hervor, wie sehr sie die Bedeutung des Liederkranz Neidlingens schätzten als Teil des kulturellen Lebens der Gemeinde. Udo Goldmann überreichte dem Verein eine Ehrenurkunde vom Deutschen Chorverband und nahm auch die Ehrungen verdienter Mitglieder vor. So wurde unter anderem der langjährigen Vorsitzende und Ehrenvorsitzenden Gerhard Pill für 50 Jahre Singen im Chor gewürdigt.

Der Konzertabend sollte beginnen wie die Ursprünge des Vereins selbst: Mit einem Zusammenschluss von Männern. Da es heute keinen reinen Männerchor mehr gibt, wurde eigens für den Abend ein Projektchor ins Leben gerufen. Auf Bestreben des damaligen Chorleiters Hermann Weberruß hatte man sich 1962 für einen gemischten Chor entschieden. Damals ein Politikum, das nur die knappe Mehrheit der Sänger fand.

Für die heutigen Nachwuchssängerinnen kaum mehr vorstellbar, doch für Anneliese Hepperle Teil ihrer Geschichte. Seit der Gründung des gemischten Chores – seit nunmehr 62 Jahren – ist sie aktives Mitglied und erinnert sich gern zurück. Die Freude steht ihr ins Gesicht geschrieben, wenn sie von der Zeit erzählt, als sie mit einer Freundin auch als Duo unter dem Namen die „Lindach-Spatzen“ aufgetreten ist. Die Ausfahrten, um befreundete Chöre zu besuchen, seien immer etwas Besonderes gewesen. Bei so viel Spaß am Singen und der Gemeinschaft würde das Aufhören jetzt im Alter ganz schön schwer fallen, gibt die rüstige alte Dame unumwunden zu.

Der Verein zeigte sich offen gegenüber Weiterentwicklungen des gemeinsamen Singens und so entstand 1995 aus einem Eltern-Kind-Projektchor die Frauengruppe „anima musica“. Diese wurde, wie sich bald herausstellte, zu einer Erfolgsgeschichte für den Verein. Trotz mehrerer kurzfristiger Chorleiterwechsel wurde der Frauenchor sehr schnell zu einer der aktivsten Gruppen im Verein. Abwechslungsreich war das Programm der anima musica am Jubiläumsabend: Die Zuhörerschaft war ganz gebannt von ihrer Darbietung von „The Rose“. Weniger besinnlich, aber dafür voller Energie war das Stück „Joyful, joyful“ aus dem Film Sister Act II.

Damit anima musica nicht irgendwann der Nachwuchs ausginge, gründete man 2005 einen Chor für junge Mädchen. Die „Sweet Cherries“ wissen dabei offensichtlich genau, was sie gerne singen. Für den Jubiläumsabend hatten sie sich mit „Auf uns“ von Andreas Bourani ein Lied „aus dem Radio“ gewünscht.

Doch immer noch war der Bedarf an Frauengruppen nicht gedeckt: 2009 gründeten sich „The Ladies Melody“. Ein Zusammenschluss von gesangsbegeisterten jungen Frauen, die ohne Chorleitung auskommen. Demokratisch entscheiden sie alle gemeinsam, was gesungen wird und wo sie auftreten wollen. Dass Leidenschaft am Singen genauso wie Lebensfreude im Vordergrund stehen, wird dem Besucher noch vor der erste Note bewusst. Voller Selbstvertrauen und stimmstark präsentierte sich das Ensemble.

Während des Abends wurde fast die ganze Breite des Chorgesangs gezeigt. Als die Sprache jedoch auf einen Knabenchor fiel, duckten sich die Mehrzahl der anwesenden Jungs schnell weg. Potenzial für Neuerungen und Erweiterungen wird es also auch in Zukunft geben. Der Verein scheint sich nicht davor zu fürchten.