Lokales

Steine und Erdklumpen fliegen

Kanadische Granate gesprengt – Absperrposten riegeln Zugänge zu einstigem Übungsplatz ab

Seit knapp zehn Jahren wird auf dem ehemaligen Übungsplatz Münsingen nicht mehr geschossen. Trotzdem taucht noch jeden Monat Munition auf, die so ­gefährlich ist, dass sie vor Ort gesprengt werden muss.

Das Kettenfahrzeug ist ein sicherer Platz für Berni Diether bei Sprengungen. Um die Splitterwirkung zu minimieren, kommt die Gra
Das Kettenfahrzeug ist ein sicherer Platz für Berni Diether bei Sprengungen. Um die Splitterwirkung zu minimieren, kommt die Granate in eine Mulde, damit sich umherfliegende Erde und Steine in Grenzen halten. Fotos: Joachim Lenk
Das Kettenfahrzeug ist ein sicherer Platz für Berni Diether bei Sprengungen. Um die Splitterwirkung zu minimieren, kommt die Gra

Münsingen. Im Dezember 2004 fiel der letzte scharfe Schuss auf dem Truppenübungsplatz Münsingen, der Ende 2005 nach 110 Jahren militärischen Betriebs geschlossen wurde. Seit dieser Zeit ist das 6 500 Hek­tar große Kernstück des Biosphärengebietes Schwäbische Alb auf 13 ausgewiesenen Wegen für Wanderer und Radfahrer geöffnet.

Die Idylle auf dem Platz trügt. Überall kann man heute noch auf mörderische Überbleibsel stoßen. Nicht umsonst stehen überall Schilder, die darauf hinweisen, dass es lebensgefährlich sei, die markierten Strecken zu verlassen. Es vergeht kein Monat, in dem nicht irgendwelche Munitionsreste gefunden werden. So wie vor ein paar Tagen, als zwischen dem Oberen Böttental und der Ludwigshöhe auf einem Pferchacker für Schafe eine 81-MM-Mörsergranate gefunden wurde.

Das Kettenfahrzeug ist ein sicherer Platz für Berni Diether bei Sprengungen. Um die Splitterwirkung zu minimieren, kommt die Gra

  „Die wurde in den 1980er-Jahren von der kanadischen Armee abgefeuert“, weiß Berni Diether, der als Feuerwerker beim Bundesforst angestellt ist. Der 61-jährige Stabsfeldwebel a. D. kennt sich aus. Zuvor war er 23 Jahre lang in Bundeswehruniform auf dem 6 500 Hektar großen Areal als Feuerwerker tätig.

„Schätzungen zufolge sind noch 560 000 Geschosse mit Zünder und 3,9 Millionen ohne Zünder beziehungsweise ohne Sprengstoff auf dem Platz verstreut“, warnt der Experte. „Rein rechnerisch müssen wir davon ausgehen, dass wir alle 17 Quadratmeter auf etwas Gefährliches stoßen.“ In den vergangenen neun Jahren wurden gerade mal 800 scharfe Munitionsteile gesprengt. Von Gewehrpatronen bis zum 50 Kilogramm schweren 155-MM-Artilleriegeschoss war alles mit dabei.

Berni Diether beurteilt, ob er die Munition mit ins Depot nehmen kann oder eine Spezialfirma aus ­Aichach bei Augsburg die Geschosse vor Ort sprengen muss.

Bei der im Mai gefundenen kanadischen Mörsergranate ist der Aufschlagzünder beschädigt. Es ist lebensgefährlich, das Geschoss mit dem Auto zu transportieren. Deshalb entscheiden die Experten, die Munition vor Ort zu sprengen. Um

Ohrenbetäubender Knall hallt über das Gelände

die zu erwartende enorme Splitterwirkung und Druckwelle zu minimieren, graben die Männer vom Kampfmittelbeseitigungsdienst eine rund 50 Zentimeter große Mulde, in die sie die 52  Zentimeter lange Granate vorsichtig legen.

Derweil werden alle Zufahrtswege im Umkreis von einem Kilometer von sieben Absperrposten abgeriegelt, sodass keine ungebetenen Gäste der Sprengung zu nahe kommen.

Feuerwerker Heinrich Bernhard Scho verteilt rund 700 Gramm Sprengstoff um das Geschoss. Danach verziehen sich er, seine Mitarbeiter und Berni Diether in das in rund 100 Meter entfernt parkende leicht gepanzerte Kettenfahrzeug. Scho zählt rückwärts: drei, zwei, eins. Per elektrischer Zündung löst er die Sprengung aus. Ein ohrenbetäubender Knall hallt übers Gelände. Das 81-MM-Geschoss mitsamt zahlreichen Erdklumpen und Steinen fliegt in unzählig vielen Einzelteilen bis zu 200 Meter durch die Luft. Rauch steigt über dem ehemaligen Truppenübungsplatz auf. Von der gewaltigen Druckwelle ist im grünen Kettenfahrzeug kaum etwas zu spüren, man hört aber, wie Steine aufs Dach rieseln. Sekunden später ist es wieder mucksmäuschenstill. Ein Schaf in 300 Meter Entfernung grast friedlich weiter. So, wie wenn nichts geschehen wäre. Wieder ist eine kontrollierte Sprengung erfolgreich geglückt, freuen sich die Feuerwerker.

Solche Einsätze gehören zur Routine. Zwei bis drei Mal pro Jahr werden Blindgänger auf diese Art und Weise unschädlich gemacht. Diether geht davon aus, dass er als Feuerwerker bis ans Lebensende seinen Job auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen hat.