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Taxifahrer hätte Warnsignale richtig einschätzen müssen

Kirchheimer Tiefgaragenbrand: Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen fahrlässiger Brandstiftung

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Kirchheimer Tiefgaragenbrands vom 23. September 2011 hat am Kirchheimer Amtsgericht gestern ihren Abschluss gefunden: Richterin Franziska Hermle-Buchele verurteilte den angeklagten Taxifahrer wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung.

Andreas Volz

Kirchheim. Der Angeklagte kann es bis zum Schluss nicht nachvollziehen, was da passiert. „Ich bin doch nicht lebensmüde“, sagt er lautstark und erregt – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem er gerade definitiv nichts zu sagen hat: mitten in der Rede der Oberstaatsanwältin, die nach Abschluss der langwierigen Beweisaufnahme ihren Antrag stellt.

Sein Problem ist, dass er mit dem Begriff „fahrlässige Brandstiftung“ nicht umgehen kann. Er wiederholt ständig, dass er nicht absichtlich mit einem brennenden Taxi in die Tiefgarage in der Osianderstraße gefahren ist. „Wenn ich da einfach so reingefahren wäre, müsste ich ein Mensch sein, der Selbstmord begehen möchte“, betont er auch in seinem letzten Wort noch einmal.

Nachdem die Strafrichterin das Urteil schließlich verkündet hat – eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird –, erklärt sie deshalb ganz ausführlich und geduldig den Unterschied zwischen „fahrlässig“ und „vorsätzlich“. Vorsätzlich hat der Angeklagte den Tiefgaragenbrand sicher nicht verursacht. Mit anderen Worten: „Niemand wirft Ihnen vor, dass Sie absichtlich in dem Wissen, dass Ihr Fahrzeug brennt, in die Tiefgarage gefahren sind. Dass Sie das nicht wollten, ist mir auch klar.“

Der Vorwurf, den man ihm mache, sei ein anderer, eben der Vorwurf der Fahrlässigkeit: „Das Fahrzeug hat gebrannt, und Sie hätten merken müssen, dass etwas nicht in Ordnung ist.“ Im juristischen Sinn bewertet die Richterin den Brand somit nicht anders als die Staatsanwaltschaft – als „vorhersehbar und vermeidbar“. Außerdem definierte in ihrem Urteil den Begriff „Brand“ und stellte fest, dass dieser nicht erst beginne, wenn eine offene Flamme sichtbar wird.

Der merkwürdige Geruch, den sowohl der Taxifahrer als auch sein Fahrgast schon bei einem Ampelstopp bemerkt hatten, sei nur eines von vielen Warnsignalen gewesen. Nach Aussage des Sachverständigen hätten auch viele Warnleuchten anzeigen müssen, dass etwas nicht in Ordnung war. Außerdem kann das Fahrzeug nur noch auf den Notlauf umgestellt haben. Die Motorleistung sei im Notlauf so gedrosselt, dass es auch ein weniger routinierter Autofahrer sofort bemerken muss, sagte die Oberstaatsanwältin.

Zumindest an der Ampel muss der Rauch der brennenden Abgasreinigungsanlage nach oben aufgestiegen sein, was der Angeklagte hätte wahrnehmen können und somit auch hätte wahrnehmen müssen, stellte die Richterin in der Urteilsbegründung fest. Selbst die „Rauchschleppe“, die der Mercedes beim Fahren hinter sich hergezogen hatte und die ein Zeuge in der Osiander­straße mehr als deutlich wahrgenommen hatte, wäre bei einem Blick in den Rückspiegel zu erkennen gewesen.

Über alle diese Anzeichen des Fahrzeugbrands hätte sich der Angeklagte Gedanken machen sollen. „Wenn Sie sich die Gedanken gemacht hätten, dann hätten Sie die Entscheidung nicht getroffen, in die Tiefgarage zu fahren. Aber Sie haben sich die Gedanken nicht gemacht.“ Und genau deshalb sei es beim Tiefgaragenbrand zu Sachschaden von über einer Million Euro gekommen. Und genau deshalb seien auch der schwerbehinderte Fahrgast und die Bewohner der Wohnanlage in große Gefahr gekommen. Dass er sich überhaupt nicht um den Fahrgast gekümmert hat, spreche auch nicht zugunsten des Taxifahrers. „Der Fahrgast blieb sich selbst überlassen, und der Angeklagte hat ihm keinerlei Hilfe geleistet“, hatte es bereits im Antrag der Staatsanwaltschaft geheißen.

Was dagegen zu seinen Gunsten zu werten sei, ist die Tatsache, dass er für den schlechten Wartungszustand des Fahrzeugs – durch den der Brand entstanden ist – nicht verantwortlich sei. Die Fragen, warum das Fahrzeug so schlecht gewartet war, wer dafür in dem Unternehmen, für das der Angeklagte damals gearbeitet hatte, verantwortlich war und ob die Warnleuchten hätten manipuliert werden können, beschäftigten das Gericht über Monate hinweg. Sowohl die Oberstaatsanwältin als auch die Richterin betonten aber, dass diese Fragen für Schuld oder Unschuld des Angeklagten keine große Rolle spielen.

Entscheidend sei, dass sich der Angeklagte über die Warnsignale bewusst hinweggesetzt habe – „in der Hoffnung, es wird schon nichts passieren“. Gerade das war fahrlässig, und deshalb sei auch der Tatbestand der fahrlässigen Brandstiftung erfüllt.

Der Verteidiger sah das völlig anders: Für ihn war auch nach den umfangreichen Ausführungen des Sachverständigen an mehreren Verhandlungstagen nicht eindeutig erwiesen, dass das Taxi schon vor der Einfahrt in die Tiefgarage gebrannt hatte und dass der Brand für seinen Mandanten wahrnehmbar gewesen war. Dass der Angeklagte dem Fahrgast nicht geholfen hatte, sich in Sicherheit zu bringen, liege daran, dass der Fahrgast trotz seiner Behinderung einfach viel zu schnell in Richtung Feuerschutztür gekrochen sei.

Mit sechs Monaten Freiheitsstrafe blieb Franziska Hermle-Buchele um zwei Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, verzichtete aber ganz im Sinne dieses Antrags auf zusätzliche Auflagen. Weder Arbeitsstunden seien sinnvoll, weil der Mann ja ohnehin arbeite – inzwischen als selbständiger Taxifahrer –, noch finanzielle Auflagen: Er habe wegen des hohen Sachschadens sowieso mit erheblichen finanziellen Folgen zu kämpfen. Zudem deutete sie an, dass sich das Urteil auch negativ auf die Taxi-Konzession auswirken könnte.