Lokales

Tödliche Nachtfahrt

Geldstrafe und Fahrverbot für 32-Jährigen

Ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit hatte im vergangenen Dezember auf der Autobahn bei Kirchheim ein Menschenleben gekostet. Am Donnerstag ist deshalb der andere Unfallbeteiligte wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Andreas Volz

Kirchheim. 14. Dezember 2013, A 8, Fahrtrichtung München, etwa 500 Meter vor der Ausfahrt Kirchheim-West, 3.05 Uhr: Sehr langsam ist ein Renault Twingo auf dem rechten Fahrstreifen unterwegs, vielleicht steht er sogar. Genau wird sich das nicht mehr klären lassen. Mit einer Geschwindigkeit zwischen 100 und 110 Kilometern pro Stunde nähert sich der VW-Bus eines polnischen Personenbeförderers und fährt frontal auf den Twingo auf. Der Kleinwagen wird regelrecht „zusammengefaltet“, wie es der Sachverständige später beschreibt. Der 73-jährige Fahrer des Twingo hat keine Chance: Als sein Fahrzeug an der Mittelleitplanke zum Stehen kommt, ist er tot.

So muss sich der Unfall ereignet haben. Das ergibt sich aus den vorhandenen Spuren. Der 32-jährige Fahrer des VW-Transporters dagegen lässt seine Dolmetscherin im Gerichtssaal eine ganz andere Geschichte übersetzen: Er sei auf der rechten Fahrspur unterwegs gewesen, als ihn der Twingo überholt habe. Ohne jeden Abstand sei der Twingo sofort nach rechts eingeschert und habe so stark abgebremst, dass der VW zwangsläufig auffahren musste. Diese Version hatte er schon kurz nach dem Unfall der Polizei erzählt.

Auch durch die eindeutigen Un­tersuchungsergebnisse des Sachverständigen ist der Angeklagte nicht von seiner Sicht der Dinge abzubringen. Als Richterin Franziska Hermle-Buchele ihm vorhält, dass er auf ein stehendes oder extrem langsames Fahrzeug aufgefahren sein muss, ohne kurz zuvor von diesem überholt worden zu sein, sagt er: „Das ist unmöglich.“ Die Richterin bemerkt dazu: „Das ist Physik, und es passt nicht zu dem, was Sie uns erzählt haben.“

Warum der Twingo-Fahrer so langsam oder überhaupt nicht mehr fuhr, ist nicht zu sagen. Über einen Schwächeanfall lässt sich allenfalls spekulieren. Jedenfalls treffe das Unfallopfer – so hart sich das für die Angehörigen auch anhöre – eine erhebliche Mitschuld, stellt die Richterin fest. Er habe für diese Schuld mit dem höchsten Preis bezahlt: mit dem Leben.

Jetzt ging es allerdings um die Schuld des VW-Fahrers. Er hätte bemerken können und müssen, dass es vor ihm ein ungewöhnliches Hindernis gab. Er hätte bremsen oder ausweichen müssen. Dreieinhalb Sekunden oder 100 Meter Fahrstrecke wären ihm dazu verblieben. Weil er aber nicht oder erst zu spät reagiert hatte, wurde er nun wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Zu einem dreimonatigen Fahrverbot für Deutschland kommt noch eine Geldstrafe hinzu.

Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten fällt diese Strafe eher gering aus: 250 Euro. Im Strafbefehl, gegen den er sich zur Wehr gesetzt hatte, standen noch 1 000 Euro. Für die Angehörigen ist das Strafmaß nur schwer nachzuvollziehen. Sie sehen auf der Gegenseite eben ein ganzes Menschenleben. Allerdings geht diese Rechnung nicht auf, weil strafrechtlich anders gemessen wird. Ein Menschenleben kann und soll da erst gar nicht gegen eine Geldsumme verrechnet werden.