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Wahnsinnskonzert als Krönung der Karriere

Im Ratssaal und in der Stadthalle verabschiedete sich Stadtmusikdirektor Harry D. Bath am Samstag in den Ruhestand

Concerto der Jugend- u. Stadtkapelle Kirchheim, in der Stadthalle
Concerto der Jugend- u. Stadtkapelle Kirchheim, in der Stadthalle

Kirchheim. „Ich bin ein Kirchheimer“. Mit diesen Worten könnte man das 38-jährige Wirken des Stadtmusikdirektors Harry D.

Ernst Leuze

Bath in Kirchheim resümieren. Am vergangenen Samstag gab er mit seiner Stadtkapelle das Abschiedskonzert.

Zuvor war er mit einem Empfang im Rathaus von Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker feierlich verabschiedet worden. „Ich bin ein Glückspilz“, so formuliert der Maestro selbst in seinem Rückblick, mit dem er sich bei der Stadt bedankte. Immerhin vier Oberbürgermeister hat er „bespielt“.

Der Dank galt seinen Musikern und Mitarbeitern in der Stadtkapelle und natürlich der Zuhörerschaft. Der Ratssaal konnte die Besucher kaum fassen. Darin zeigte sich nicht nur die hohe Wertschätzung, die der englische Militärkapellmeister in seiner Wahlheimat als Musiker genoss, sondern auch die Bewunderung, ja Zuneigung, die sich Harry D. Bath in Kirchheim und weit darüber hinaus erworben hat.

Den musikalischen Kontrapunkt gestaltete das Saxophonquartett Sasso Suono, durchweg Mitglieder der Stadtkapelle. Sie sorgten mit ihrem inspirierten, disziplinierten und doch temperamentvollen Spiel dafür, dass die lobenden Worte immer glaubwürdig blieben. Und die hervorragende Akustik des Kirchheimer Ratssaales war wie ein Hinweis auf das Glück, das Kirchheim mit diesem Stadtmusikdirektor in vier Jahrzehnten gehabt hat. Kein Wunder, dass Angelika Matt-Heidecker in ihrer Ansprache in warmen Worten von Dank und Wehmut sprach, von Anteilnahme und Verdiensten, aber auch von den außerordentlichen erzieherischen und menschlichen Meriten des scheidenden Musikers, der den Namen Kirchheims weit in die Welt, bei Konzertreisen bis in die USA hinausgetragen hat.

Aus welcher Gesinnung heraus diese Erfolgsgeschichte geschrieben wurde, erfuhren die Zuhörer von Harry D. Bath selbst, als er zu den vielen Wettbewerbserfolgen bemerkte: Die Ergebnisse sollte man nicht überbewerten, das Wichtigste sei die Vorbereitung. Da konnten ihm alle beipflichten, denn niemand zweifelt daran, dass das Ergebnis des Abschiedskonzertes in der Stadthalle nur eine grandiose Bestätigung sein konnte alles dessen, was an Lob, Anerkennung und Dank im Rathaus gesagt worden war.

So war es dann auch. Gleich die Jugendkapelle legte sich so ins Zeug, dass man oft hätte meinen können, es seien die Erwachsenen, die hier spielten. Ob japanisches Gloria, deutschromantische Hörnerseligkeit, amerikanisches Fernostkolorit oder saftiger US-Big-Band-Sound, alles packten die begeisterten jungen Musiker beherzt an, und am Ende tobte der Saal. Dazwischen war eine würzige und witzige Laudatio von Andreas Haussmann zu hören. Er ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Stadtkapelle.

Nach der Pause war dann die fünfsätzige Sinfonie für Blasorchester „Der Herr der Ringe“ von Johann de Meij zu hören. Es ist unmöglich, den Reichtum an Klangfarben, Rhythmen, Ausdrucksnuancen angemessen zu beschreiben, den Harry D. Bath mit seinen famosen Musikern ausbreitete. Manche Details müssen aber genannt werden: exzellente Klarinettensoli, das Saxophonsolo von Christoph Neumann, die bezaubernden Soli des Englischhorns, der himmlisch rein gespielte Schlussakkord des Werkes (ein Sonderlob den Fagottisten). Die vielseitigen Posaunen, Tuben und Hörner: mal elegisch, mal bissig und schmissig, die grimmig-schönen Flatterzungenklänge, und, man muss es als sensationell bezeichnen, die Glissandi, besonders in den Holzbläsern, unfasslich gut – perfekt selbst in Parallelbewegungen. Auch die gehauchten Flötentöne sind unvergesslich. Schlank, geschmackvoll, zart und stark zugleich die Trompetengruppe. Doch über jedes Lob erhaben die Schlagzeuger. Das riss mit, fuhr in die Glieder, traf mitten ins Herz. Wenn die Bläserreihen auch nur unmerklich wankten – kein Wunder nach zwei Stunden in der überfüllten Stadthalle –, dann brachte das unfehlbare Diktat des Glockenspiels die musikalische Ordnung wieder ins Lot, einfach mirakulös.

Dasselbe beim Dirigenten. Er beherrscht einfach alles: die schneidende Attacke, wie das schmelzende Klangereignis, das dramatische Auftürmen, das unheilvolle oder auch selige Verebben, das Stauen und das Beschleunigen. Alles wird mit nie nachlassender Deutlichkeit dem Orchester vorgegeben und mit musikalischer Logik Spielern und Hörern vermittelt. Ein Abend der Superlative. Man konnte sich nicht vorstellen, wie es hätte besser gemacht werden können.

Nicht besser, nur anders kann man es machen. Und dazu hat Baths Nachfolger Marc Lange mit diesem Ausnahmeklangkörper jetzt die besten Chancen. Harry D. Bath hat mit diesem Wahnsinnskonzert seine musikalische Karriere in einer Art und Weise gekrönt, die nur wenigen Auserwählten beschieden ist. Aber nicht nur das: Er ist dabei menschlich geblieben, hat seine Frau Marianne mit einer gefühlvollen Zugabe bedacht, durfte ein überwältigendes Tutti empfangen, von Stadt- und Jugendkapelle gemeinsam gespielt. Nach Standing Ovations und nicht enden wollenden Beifallsstürmen waren alle einig mit dem Zitat, das über der Bühne prangte, und das bleiben wird, auch wenn die Töne längst verklungen sind: „We love Harry“.