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Wenn eine halbe Sekunde schon zu viel ist

Hochkarätig besetzter Schülerworkshop zum Thema „Europa und der Euro“ im Esslinger Landratsamt

„Das ist von der Qualität her allererste Sahne“, lobte der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon. In der Tat hatten der Landkreis Esslingen und die Europa-Union, Landkreis Esslingen, zum Workshop „Europa und der Euro“ eine hochkarätige Besetzung versammelt. Rund 100 Schüler beruflicher Schulen kamen ins Landratsamt.

Esslingen. „Für viele von euch ist Europa eine Normalität“, begrüßte Landrat Heinz Eininger die Schüler. Er lobte sie für ihre Disziplin: Kaum war er am Mikrofon, wurde es im Großen Sitzungssaal im Land­ratsamt mucksmäuschenstill. Das blieb es auch auf Dauer.

Sei eine Bank „too big to fail“, also zu groß, um sie sterben zu lassen, fragte Hauptreferent Peter Simon – sei sie dann vielleicht auch „to risky to exist“, also zu riskant, als dass es sie überhaupt geben dürfe? „Wir müssen das Risiko so klein wie möglich halten“, forderte Peter Simon. „Ist die Pflicht, eine Aktie eine halbe Sekunde lang zu halten, schon zu viel?“ Oft würden Banken in einen Topf geworfen. „Sparkassen und Volksbanken waren nicht Verursacher der Krise, sondern Hort der Stabilität.“ Sie unterlägen „Kontrollen, die es bei den Privatbanken nie geben wird“. Die Bankenabgabe habe im Vorjahr nur gut eine halbe Milliarde Euro erbracht. „Allein die Abwrackprämie kostete vier oder fünf Milliarden.“ Aktionäre und Gläubiger von Banken müssten rangenommen werden, ebenso große Anleger ab 100 000 Euro, der Steuerzahler erst ganz zum Schluss.

Keiner in der Eurozone profitiere so stark vom Euro wie Deutschland, sagte der Europaabgeordnete. Ein Nord-Euro führe zu einer Aufwertung, der Export leide. Peter Simon blickte zurück: „Deutschland wurden nach dem Krieg eine ganze Menge Schulden erlassen. Für uns gab es einen Marshallplan, für Griechenland nicht. Die Maßnahmen waren zu einseitig auf zu schnelles Sparen ausgerichtet.“

In zehn Minuten schaffte er es nicht, aber in nur wenig mehr gab Markus Schaaf, Mitglied des Vorstands der Volksbank Esslingen,

einen sehr guten Überblick über das Entstehen der Krise. „Sie begann am amerikanischen Häusermarkt, Brandstifter waren die amerikanischen Banken. Heute ist die Krise komplexer geworden, das macht die Lösung schwieriger.“

„Deutschland bräuchte höhere Zinsen“, befand Franz Scholz, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Nötige Konsequenz niedriger Zinsen sei aber nicht weniger, sondern mehr sparen. „Meine Enkel werden sich auch in 20 Jahren mit dem Euro etwas kaufen können.“

„Seid ihr alle freiwillig da?“, fragte Hubert Greiner von der Industrie- und Handelskammer Esslingen-Nürtingen in einer der sechs Arbeitsgruppen. Die Schüler nickten. Moderiert von der Nürtinger Bürgermeisterin Claudia Grau sprachen sie über Jugendarbeitslosigkeit. „Die Zahlen sind erschreckend“, fand ein Schüler: 63 Prozent junge Arbeitslose in Griechenland, 56 Prozent in Spanien und Kroatien. Von denen, die nach Deutschland kommen, bleiben nur 40 Prozent länger als ein Jahr. Als Gründe nannte Hubert Greiner Sprachprobleme, nicht anerkannte Berufsabschlüsse und die schlechte Willkommenskultur. „Könnten Sie sich vorstellen, ins Ausland zu gehen?“, fragte Grau die Schüler. Viele können es, kennen aber die Probleme. „Man muss damit klarkommen, so weit weg von seiner Heimat zu sein“, sagte eine Schülerin.

Ist die EU groß genug? Um diese Frage ging es in der Arbeitsgruppe mit Professor Peter Raviol von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. „Die Schweiz könnten wir gut brauchen“, meinte dazu Neuhausens Bürgermeister Ingo Hacker. Falle das Bankgeheimnis, sei aber deren Haupteinnahmequelle weg.

Die Schülergruppe stellte auch fest, dass nicht alle 28 EU-Länder gleich sind – manche fehlen beim Euro, andere beim Schengen-Abkommen. Raviol erzählte vom Gefühl bei den Einreisekontrollen nach England: „Jetzt bin ich wieder im Mittelalter.“

Weitere Gruppen diskutierten an diesem Tag im Landratsamt mit Walter Stahli von der Kneissler & Stahli GmbH über die Auswirkungen des Euro auf die Wirtschaft und mit EnBW-Pressesprecher Dirk Ommeln über das Spannungsfeld zwischen Politik, Wirtschaft und Banken. Am Ende stellte jede Gruppe ihre Ergebnisse im Plenum vor.