Lokales

Wie krank ist der Angeklagte?

Zeugin im Prozess gegen „Prostituiertenschreck“ vernommen

Entgegen der ursprünglichen Prozessplanung wird die Beweisaufnahme vor dem Stuttgarter Landgericht gegen den als „Prostituiertenschreck“ bekannt gewordenen 34-jährigen Mann aus Neuffen doch noch länger dauern. Es geht darum, ob der wegen versuchten Totschlags unter anderem Beschuldigte psychisch so schwer krank ist, dass er in eine Anstalt muss.

Neuffen/Stuttgart. Aufmerksam verfolgt der von der Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts beauftrage psychiatrische Gutachter alle Aussagen der Zeugen und auch die Angaben des Angeklagten selbst. Schließlich soll der Sachverständige mittels seines Gutachtens am Ende der Beweisaufnahme den Richtern eine Empfehlung mit auf den Weg geben, wie mit dem 34-jährigen Mann zu verfahren ist. Entweder droht ihm eine hohe Freiheitsstrafe oder aber die Unterbringung und Behandlung in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus. Letzteres dürfte das größere Übel für den Beschuldigten darstellen, da diese Unterbringung viele Jahre andauern kann.

Der Angeklagte soll verschiedene Prostituierte in seiner Neuffener Wohnung, aber auch in deren Etablissements, bedroht, beraubt und laut Anklage in einem Fall zu töten versucht haben. Am gestrigen Verhandlungstag drehte es sich allerdings um den Fall vom 3. März vergangenen Jahres. Da hatte der 34-Jährige sich in der psychiatrischen Abteilung des Nürtinger Krankenhaus gemeldet und um Aufnahme gebeten, was aber der Oberarzt abgelehnt hatte (wir berichteten). Daraufhin rastete der Angeklagte aus, schlug mit Fäusten auf den Arzt und einen Pfleger ein, mit der Folge, dass der Oberarzt eine Woche stationär im Krankenhaus bleiben musste.

Eine Mitarbeiterin der Klinik schilderte gestern im Zeugenstand den damaligen Zustand des Angeklagten: Er sei zunächst freundlich gewesen, dann aber, als man ihn wegschicken wollte, sei er ausgerastet, „wie wenn man einen Schalter umlegt!“. So ein Verhalten habe die Zeugin, die viel mit psychisch kranken Menschen zu tun hat, noch nie erlebt: Ein Mann, der erst entspannt seine Lage schildert, und dann plötzlich unkontrolliert ausrastet. Aber Angst habe sie vor dem Angeklagten dennoch nicht gehabt. Sie war es auch, die dann dazwischen ging und den Angeklagten wieder beruhigen konnte.

Was außergewöhnlich ist, geschah dann gestern ebenfalls nach der Anhörung der Zeugin. Der Angeklagte selbst hatte das Fragerecht und benutzte es. Von der Zeugin wollte er wissen, ob sie der Meinung sei, er hätte die Kontrolle über sich selbst verloren? Gleichzeitig erklärte er, dass er damals eine „Kontroll-Aggression“ mit sich herumgetragen habe, „die irgendwie raus musste“. Er selbst sieht ein, dass er psychisch krank ist. Von der Zeugin selbst verabschiedete sich der Angeklagte dann mit einem freundlichen Nicken.

Weitere Zeugen sollen am morgigen Mittwoch vernommen werden. Der gutachterliche Vortrag des psychiatrischen Sachverständigen, der eigentlich schon für letzte Woche geplant war, ist zunächst einmal zurückgestellt und wird vermutlich erst am 11. Juni eingeplant werden.