Lokales

Wie man sich aus Freundschaft strafbar machen kann

Gestern musste sich ein 19-Jähriger in Kirchheim wegen versuchter Strafvereitelung verantworten

Ein 19-Jähriger ist gestern im Kirchheimer Amtsgericht zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden, weil er im Februar bei der Polizei angegeben hatte, auf einer Faschingsparty einem anderen Gast Fausthiebe verpasst zu haben. Die Anklage hatte ihm wegen dieser Aussage versuchte Strafvereitelung vorgeworfen.

Andreas Volz

Kirchheim. Freundschaft bedeutet, dass man sich gegenseitig hilft, wenn jemand in Schwierigkeiten ist. Gerade in Notlagen müssen Freundschaften, die Bestand haben sollen, sich bewähren. Allerdings haben Freundschaftsdienste auch ihre Grenzen. Diese Grenzen muss zunächst einmal jeder für sich selbst definieren. Grundsätzlich aber sollten die Freundschaftsbeweise dort enden, wo es ansonsten gelten würde, Gesetze zu brechen.

Im vorliegenden Fall war das nicht nur so, sondern es könnte auch noch so weitergehen. Konkret ging es um Pöbeleien und Rempeleien bei einer Faschingsparty in der Weilheimer Limburghalle, die mit zwei Faustschlägen endeten. Der 24-jährige Geschädigte, der ein sehr auffälliges Kostüm getragen hatte und deshalb auch verbal angegangen worden war, hat zwei Schläge ins Gesicht erhalten und blutete daraufhin aus der Nase und an der Oberlippe. Zugetragen hat sich das alles am 10. Februar.

Sowohl der Verletzte als auch ein Freund, der hinzugekommen und seinerseits geschubst worden war, erkannten den Angreifer auf einem Facebook-Bild, das sie bereits in der Halle auf einem Handy präsentiert bekamen. Weil neben solchen Bildern natürlich auch noch ein Name auftaucht, war das Identifizieren relativ einfach. Deshalb konnte der 24-Jährige seinen Kontrahenten namentlich bei der Polizei anzeigen.

Dieser – genannt sei er einfach einmal „A.“ – sagte bei der Polizei, dass nicht er der Täter gewesen sei, sondern ein Freund, dessen Namen er aber nicht preisgeben wolle. Noch am selben Tag erschien daraufhin der jetzige Angeklagte – der im folgenden als „B.“ bezeichnet wird – bei der Polizei und bezichtigte sich selbst als denjenigen, der die Schläge auf der Faschingsparty verabreicht habe.

Weil die Aussagen der jeweiligen Freundeskreise – Täter und Opfer – nicht zusammenpassten, mussten sich nun „A.“ und „B.“ in unterschiedlichen Verfahren verantworten. Der 19-jährige „A.“ ist inzwischen erstins­tanzlich vom Jugendschöffengericht in Nürtingen wegen der Schläge verurteilt worden. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, weil „A.“ in die nächsthöhere Instanz gehen will.

Der gleichaltrige „B.“ wiederum befand sich gestern in Kirchheim auf der Anklagebank, da er durch sein „Geständnis“ bei der Polizei eine Straftat vorgetäuscht hat. Genauer gesagt, hat er in diesem Fall vorgetäuscht, eine Straftat begangen zu haben, die tatsächlich sein Kumpel „A.“ begangen haben muss. So stand es in der Anklage, und so sahen es auch Staatsanwalt und Richterin nach dem Ende der Beweisaufnahme bestätigt. Das Motiv: „A.“ ist eben kein unbeschriebenes Blatt mehr, und deshalb hätte eine Verurteilung wegen der Körperverletzung auf der Faschingsparty bei ihm heftigere Konsequenzen gehabt, als das bei „B.“ der Fall gewesen wäre.

Die Aussagen von „A.“ und „B.“ sowie von deren Freunden erwiesen sich im Gerichtssaal allerdings als widersprüchlich. Erstaunlich fand Richterin Franziska Hermle auch, dass „B.“ sich nun – über acht Monate später – viel besser an manche Details erinnern konnte als noch Mitte Februar bei seiner Selbstanzeige und der anschließenden Vernehmung durch die Polizei. Zudem hatte die andere Seite zweifelsfrei „A.“ als den Angreifer identifiziert – und „B.“ eben nicht.

Der Angeklagte blieb aber bis zum Schluss bei seiner Version, dass er selbst der Täter gewesen sei. Er habe das zugegeben, weil er die Gerechtigkeit als wichtig erachte und weil er nicht wolle, dass ein Freund unschuldig verurteilt werde. Auf die Frage, warum er auf dieser Version beharre, sagte er im Gerichtssaal sinngemäß: „Wenn man mit dem Mist angefangen hat, dann muss man da auch durch.“ Er wollte damit wohl zum Ausdruck bringen, dass er sich konsequent der Tat stellen müsse, die er da begangen haben will.

Richterin und Staatsanwalt interpretierten diese Aussage aber eher im Freudschen Sinn als eine Art Selbstentlarvung:  Wer einmal damit begonnen hat, Märchen zu erzählen, müsse auch dabei bleiben. Richterin Franziska Hermle stellte in der Urteilsbegründung aber klar: „Die Justiz sucht nach dem, der es tatsächlich war, und nicht nach dem, der bereit ist, den Kopf hinzuhalten.“

Durch die Beweisaufnahme sei sie zur Überzeugung gelangt, dass „B.“ nicht der Täter war und dass er lediglich versuche, „A.“ aus der Sache „rauszuhauen“. Die Arbeitsauflage, die mit 80 Stunden „deutlich“ ausfalle, solle „B.“ nun auch zum Nachdenken nutzen. Was ihn ebenfalls zum Nachdenken anregen könnte, ist die Tatsache, dass er auch die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Ganz ausgestanden ist die Sache damit aber noch nicht: Weil er auch im Prozess gegen „A.“ in Nürtingen als Zeuge ausgesagt hatte, er wäre der Täter gewesen, könnte er sich zu einem späteren Zeitpunkt wegen Falschaussage verantworten müssen. Und wenn er in der nächsten Instanz abermals bei seinen Aussagen zugunsten von „A.“ bleibt, könnte er sich noch mehr „reinreiten“ in den „Mist“: Bei einer Verurteilung wegen Falschaussage käme er wohl nicht mehr mit 80 Arbeitsstunden davon.