Kirchheim

Berechtigte Ziele - aber falscher Weg

Artenschutz Landwirte, Obstbauern und Wengerter aus der Region fürchten um ihre Existenz, falls das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ Erfolg hat. Rückendeckung kommt nicht nur aus eigenen Reihen. Von Bianca Lütz-Holoch

Der Honigbiene geht es gut. Viele andere Insektenarten sind bedroht. Sie zu schützen, ist ein Ziel des Volksbegehrens.Foto:  Die
Der Honigbiene geht es gut. Viele andere Insektenarten sind bedroht. Sie zu schützen, ist ein Ziel des Volksbegehrens.Foto: Dieter Ruoff

Dieses Jahr hat sich der Birnblattsauger an Ursula Kerners Früchte herangemacht. Nur einmal hat die Inhaberin eines Dettinger Obstbau- und Destilleriebetriebs ihre Birnen gespritzt - mehr durfte sie nicht: „Ich betreibe nützlingsschonenden, kontrollierten Anbau und werde ständig überprüft.“ Dem flohartigen Schädling kam sie mit einem Mal Spritzen nicht bei - ebensowenig wie mit einer natürlichen Lösung aus Chili und Brennessel. Das Ergebnis: Schorfige und verformte Birnen, angesichts derer die Kunden nur die Nase rümpften.

Nun macht sich Ursula Kerner große Sorgen. Denn aktuell werden landesweit Unterschriften für das Artenschutz-Volksbegehren „Rettet die Bienen“ gesammelt. Hat es Erfolg, dürfen sie und etliche andere Obstbauern, Landwirte und Weingärtner keine Pflanzenschutzmittel mehr verwenden. Ein Ziel des Volksbegehrens ist es nämlich, Pestizide in Schutzgebieten - und darunter fallen viele bewirtschaftete Flächen rund um die Teck - komplett zu verbieten.

„Wenn das Artenschutz-Volksbegehren durchgeht, können wir dichtmachen“, sagt Ursula Kerner. „Ganz ohne Pflanzenschutz geht es einfach nicht.“ Das sieht nicht nur sie so. Überall schießen grüne Kreuze wie Pilze aus dem Boden. Mit ihnen machen Landwirte darauf aufmerksam, dass sie um ihre Existenz fürchten.

Gerade im Obst- und Weinbau halten Experten den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln für unerlässlich. Weder Pilze noch Insekten ließen sich ohne Spritzen bekämpfen, sagt Dr. Sabine Zikeli, Leiterin des Zentrums für ökologischen Landbau an der Uni Hohenheim. „Auch beim Kartoffelanbau müssen Maßnahmen gegen den Kartoffelkäfer ergriffen werden.“ Ginge es nach dem Volksbegehren, wären nicht einmal mehr biologische Mittel erlaubt.

Das würde auch die Weilheimer Weingärtner treffen, die zwar keine Insektizide verwenden, aber Kupfer und Schwefel gegen Pilzerkrankungen spritzen. „Wenn das Volksbegehren unverändert zum Gesetz wird, wäre es das Aus für den Weinbau an der Limburg“, stellt Werner Kauderer, Vorsitzender des Vereins der Weinbergbesitzer in Weilheim, klar.

Landwirte sind auf Bienen angewiesen

„Grundsätzlich unterstützen wir das Anliegen, etwas für die Artenvielfalt zu tun“, betont Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Esslingen. „Schließlich sind wir ja auch auf die Bestäubung durch Bienen und andere Insekten angewiesen.“ Die Landwirte hätten ihre Anbaumethoden bereits im Sinne des Artenschutzes verbessert und seien auch künftig dazu bereit. Den Bauern von heute auf morgen ein Korsett überzustülpen und sie als einzige in die Verantwortung zu nehmen, sei aber nicht der richtige Weg. „Wir wissen, dass die Landwirtschaft ihren Anteil am Artensterben hat - aber sie ist nicht alleine dafür verantwortlich.“ Er fürchtet, dass viele Betriebe aufgeben müssen. Dann würden Äpfel, Kartoffeln und Wein importiert - aus Ländern, in denen wesentlich weniger strenge Gesetze gelten.

Rückendeckung erhält Siegfried Nägele nicht nur aus den eigenen Reihen. Auch Politiker kritisieren die Art und Weise, wie das berechtigte Ziel des Artenschutzes durchgesetzt werden soll (siehe nebenstehenden Artikel), ebenso wie Biobauern und Imker.

"Man kann niemanden zwingen, auf Bio umzustellen"

Ein Knackpunkt: Geht es nach den Initiatoren von „Rettet die Bienen“, soll der Anteil des Bio-Landbaus bis 2035 auf 50 Prozent steigen. „Das funktioniert nicht“, ist Bioland-Berater und -Landwirt Andreas Gruel aus Owen überzeugt. Zwar unterstützt er das Ziel des Volksbegehrens - nicht aber dessen Vorgehensweise. „Man kann niemanden zwingen, auf Bio umzustellen. Das muss aus Überzeugung geschehen“, betont er und verweist auf ein weiteres Problem: „Der Markt für so viel Bio ist noch nicht da.“ Schon jetzt gebe es vielerorts Absatzprobleme.

Kritik am Volksbegehren übt auch Heinz-Dieter Klein aus Weilheim, Vizepräsident des Landesverbands Württembergische Imker. „Es gab noch nie so viele Honigbienen wie zurzeit“, sagt er. Die possierlichen Tierchen würden im Volksbegehren lediglich vorgeschoben, um Emotionen zu wecken. Lauten müsste der Titel aus seiner Sicht vielmehr: „Rettet die Insekten“. Das Ansinnen, die Streuobstwiesen komplett unter Schutz zu stellen, hält er sogar für kontraproduktiv. „Das würde bedeuten, das viele Obstbauern am Albrand aufgeben. Da haben wir Imker nichts davon.“ Und - wie Siegfried Nägele darlegt: „Die Streuobstwiesen sind keine Naturlandschaft, sondern eine Kulturlandschaft.“ Um sie zu erhalten, brauche es menschliche Eingriffe.

 

 

Bis März 2020 werden Unterschriften gesammelt

Grüne Kreuze werden vielerorts von Landwirten aufgestellt, die um ihre Existenz fürchten und ein Zeichen setzen wollen. Initialz
Grüne Kreuze werden vielerorts von Landwirten aufgestellt, die um ihre Existenz fürchten und ein Zeichen setzen wollen. Initialzündung für die Aktion war der Agrar-Pakt der Bundesregierung im September. Mit den Mahnmalen protestieren viele Landwirte nun aber auch gegen das Volksbegehren. Foto: Bianca Lütz-Holoch

Das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ geht auf eine Initiative des Freien Instituts für ökologische Bienenhaltung „proBiene“ zurück und wird von Öko- und Naturschutzorganisationen getragen.

Gefordert wird etwa, eine Ökolandbau-Quote von 50 Prozent bis 2035 zu erreichen. Landesflächen sollen zu 100 Prozent ökologisch bewirtschaftet werden. Zudem ist eine Halbierung des Pflanzenschutzmittelein­satzes bis 2025 vorgesehen. In Schutzgebieten dürfen - außer in Ausnahmen - gar keine Pestizide mehr eingesetzt werden.

Das Bündnis sammelt bis zum 23. März 2020 Unterschriften. Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen mindestens 770 000 Unterschriften zusammenkommen. Das entspricht einem Zehntel der Wahlberechtigten Baden-Württembergs.

Wird die Mindestzahl erreicht, kann der Landtag den Gesetzentwurf unverändert annehmen. Tut er das nicht, kommt es zum Volksentscheid, bei dem der Landtag auch einen eigenen, veränderten Entwurf vorlegen kann.

Per Volksantrag wehren sich nun die Bauernverbände. Ihr Ziel: dass den vielfältigen Ursachen des Artensterbens begegnet wird, statt nur die Landwirte in die Pflicht zu nehmen.

Grüne Kreuze werden vielerorts von Landwirten aufgestellt, die um ihre Existenz fürchten und ein Zeichen setzen wollen. Initialzündung für die Aktion war der Agrar-Pakt der Bundesregierung im September. Mit den Mahnmalen protestieren viele Landwirte nun aber auch gegen das Volksbegehren.bil