Basketball

Die Rückkehr der Samstagabend-Show

Saisonstart Nach einer Runde in taktischen Fesseln gehen die Knights am Wochenende mit einer Mannschaft an den Start, die vor allem eines verspricht: mehr Tempo. Von Bernd Köble

Eine lange Verletztenliste, verworfene Pläne, ein Spielsystem, das notgedrungen über Bord ging - ein Jahr ist das her, und wer sich heute mit Mauricio Parra unterhält, erlebt einen Trainer, der deutlich entspannter wirkt als bei seiner Premiere vor zwölf Monaten. Dass ein Trainer eine Saisonvorbereitung als optimal bezeichnet, hört man selten. Parra zeigt Mut, statt zu relativieren. Der Spanier brennt auf ein Jahr, das diesmal seine Handschrift tragen soll. Eine Handschrift, die Zufall und Willkür zuletzt bis zur Unkenntlichkeit verwischten. Statt Tempospiel und Offensiv-Spektakel erlebten die Zuschauer eine Mannschaft, die mühsam Erkämpftes verwaltete. Gestützt auf eine Defensive, die in Sachen Effizienz und Taktik ligaweit als Muster diente.

Im September 2019 kündigt Parra einen Paradigmenwechsel an. Ein anderer Spielstil, mehr Tempo. Ein Team, das mit jedem Ballbesitz den schnellen Korberfolg sucht und vor allem: Spieler, die man jenseits der Dreierlinie nicht ungestraft gewähren lässt. Scharfschützen wie Mitchell Hahn und Eric Durham, die beiden neuen US-Importe, und natürlich ein bewährter Experte wie Tim Koch sollen das größte Manko der vergangenen Saison ausradieren. Ende August, nach dem Testspielsieg gegen Ehingen, gab es in der Kabine Donuts für alle. Der Spender: Keith Rendleman, nachdem er den 100. Punkt im Spiel für die Ritter erzielt hatte. Rituale leben bekanntlich von der Wiederkehr. In der kompletten Saison zuvor war die Knights-Umkleide Donuts-freie Zone. Parra sagt: „Wir haben jetzt die Spieler dafür, und wir haben diesmal keine Verletzten - das ist der wichtigste Teil.“

Vom Krisenmanager zum Gestalter, das galt im Frühsommer auch für Knights-Sportchef Christoph Schmidt, der gemeinsam mit dem Coach ein rasantes Tempo beim Scouting anschlug. Mitte Juni standen die deutschen Säulen in der Mannschaft. Anfang August war der Kader komplett. Sieben Testspiele, nur eine Niederlage, und selbst die stimmte den Coach froh: Das 69:99 gegen Erstligist Ludwigsburg wertete Parra als „die wichtigste Erfahrung der gesamten Vorbereitung“, weil es gegen die vielleicht härteste Defensive der BBL ging.

Was also steckt in der neuen Kirchheimer Mannschaft? Sie ist hungrig, sie ist physisch stärker als zuletzt, auch wenn der Trainer meint: „So wie die Liga aufgestellt ist, dürfte es schwer werden, in die Play-offs zu kommen.“ Das Jahr steht aber auch für einen Rollenwechsel der Knights in der Pro A. Kirchheim hat sich als Standort und Ausbildungsplatz für deutsche Talente offenbar Respekt erworben. Das ist mit ein Verdienst des Spaniers, der für maßgeschneiderte individuelle Trainingsinhalte steht und sagt: „Mein Ziel ist es, jeden einzelnen Spieler an sein Limit zu führen.“

Mit Pape gelingt Coup

Bei Klubs und Spielervermittlern scheint das auf fruchtbaren Boden zu fallen. Beispiel Till Pape: Der 21-Jährige aus dem Ulmer Perspektivkader war im Mai die wohl überraschendste Neuverpflichtung. Wurfstark von Außen, körperlich ausreichend robust, um sich auch unterm Korb durchsetzen zu können. Mit einem ausgeprägten Spielverständnis und dem, was Trainer gerne als „hohen Basketball-IQ“ bezeichnen. Kurzum: Einer, der nach ganz oben will. Gemeinsam mit Keith Rendleman war Pape die verlässlichste Konstante während der Vorbereitung. „Er bringt eine unglaubliche Arbeitseinstellung mit und ist besessen darauf, den nächsten Schritt zu machen“, sagt sein Coach über ihn. Beides gilt auch für Kevin Wohlrath, der seine zweite Saison bei den Knights ohne Atempause begann. Der Verzicht auf Urlaub im Sommer scheint sich ausgezahlt zu haben. Vergangene Saison noch häufig als Pendler zwischen Genie und Wahnsinn, drängt sich der 24-Jährige diesmal für eine tragende Rolle auf.

Aggressivität, Physis und Schnelligkeit, das sind Eigenschaften, die auch defensiv neue Möglichkeiten bieten. Weniger Zonenpressing, hin zu einer aggressiven Mannverteidigung - mit Kämpfertypen wie Brian Butler oder Jalan McCloud, dem neuen Gestalter im Spielaufbau, geht das. McCloud, der wie zuvor Rhondell Goodwin von den Bristol Flyers aus England kam, interpretiert die Rolle des Point Guards völlig anders als sein Vorgänger. Dajuan Graf war der ruhende Pol und große Stratege. McCloud gilt zwar als ähnlich ballsicher, ist trotz bescheidener 1,80 Metern Körpergröße vor allem jedoch ein zweikampfstarkes Kraftpaket. McCloud und Nico Brauner - zwei 24-Jährige in der Dirigenten-Rolle und zwei Spielertypen, die sich ähneln.

Wenn Erfahrung etwas ist, worauf keine Mannschaft verzichten kann, dann führt an Keith Rendleman, Tim Koch und Andreas Kronhardt auch 2019 kein Weg vorbei. Alle drei gehen in ihre fünfte Saison in Folge für die Knights, wenngleich unter ganz anderen Vorzeichen. Rendleman, dessen Vertrag nach Saisonende ausläuft, ist nach einer durchwachsenen Saison in bärenstarker Verfassung aus den USA zurückgekehrt. „Keith will es in dieser Saison wissen“, sagt Headcoach Mauricio Parra über den 28-Jährigen, was immer das für die Zukunft heißen mag.

Während Tim Koch nach seinem Seuchenjahr vor allem auf eine verletzungsfreie Saison hofft, arbeitet Andreas Kronhardt an seiner Rolle als Standby-Profi, der er eigentlich schon zuletzt nicht mehr war. Der 30-jährige Center steht mitten im Berufsleben, trainiert nach einem langen Arbeitstag nur noch in den Abendstunden mit der Mannschaft und erwartet mit seiner Frau im Oktober Nachwuchs. Für die Mannschaft ist „AK 47“ vor allem eines: ein Vorbild in Sachen Sportsgeist. „Wie er sein Pensum durchzieht, ist bewundernswert“, zollt ihm der Trainer Respekt. „Andi ist kein Profi mehr“, sagt Parra. „Aber er verhält sich so.“

Am Samstag wird sich beim Aufsteiger in Schwenningen zeigen müssen, was all die Vorschusslorbeeren wert sind. Parra ist vorbereitet: „Der Druck wird gewaltig sein“, sagt er. „Entscheidend wird sein, wie schnell wir unsere Nerven in den Griff bekommen.“