Fussball

Das Interesse ist offenbar am Tiefpunkt

Aktionstag Zum verbandsweiten „Tag des Mädchenfußballs“ kommen bei der Bezirksveranstaltung in Oberensingen nur zwölf Teilnehmerinnen. Von Reimund Elbe

Begeisterung trotz mangelnder Resonanz: Die wenigen Teilnehmerinnen am „Tag des Mädchenfußballs“ in Oberensingen hatten immerhin
Begeisterung trotz mangelnder Resonanz: Die wenigen Teilnehmerinnen am „Tag des Mädchenfußballs“ in Oberensingen hatten immerhin ihren Spaß. Foto: Markus Brändli

Die Ausgangslage ist eindeutig. Angesichts seit Jahren rückläufiger Teamzahlen benötigt der Frauen- und Mädchenfußball an der Basis dringend frische Impulse. Der vom Deutschen Fußballbund (DFB) initiierte „Tag des Mädchenfußballs“ soll diese liefern - mit Spiel und Spaß Mädchen ansprechen, die bisher noch nicht im Verein kicken.

Was in der Theorie nett klingt, stellt sich in der Praxis immer mehr als Problem dar. Bei der Veranstaltung des Bezirks am Wochenende in Oberensingen rückten nur ein Dutzend Kinder plus Eltern und Betreuern an - ein erschreckender Minusrekord. In besten Aktionstag-Zeiten machten beim Schnuppertag im Bezirk Neckar/Fils über 100 Mädchen mit.

Heinz Thumm, jahrzehntelang im Bezirk unter anderem für den Mädchenfußball zuständig, warnte bereits 2017: Die Angebote des Württembergischen Fußballverbandes im Frauen- und Mädchenfußball würden von den Vereinen viel zu selten genutzt. Das schwindende Interesse am einst stark frequentierten Aktionstag sei für ihn „ein Paradebeispiel“ dafür.

Oberensingen sorgt nun für einen Tiefpunkt für die einst so verheißungsvoll gestartete Aktion. Kaum zu glauben, dass in manchen Orten einst fast 1 000 Mädchen teilnahmen. Zehn Jahre ist es her, dass der „Tag des Mädchenfußballs“ in Vollblüte stand und beispielsweise Weltmeisterin Steffi Jones in Hamburg mit 850 Mädchen trainierte. „Wenn man das hier alles sieht und die Möglichkeiten, die Mädchen heutzutage haben, möchte ich am liebsten noch einmal mit dem Fußballspielen beginnen“, rief sie damals überwältigt ins Mikrofon.

Keine Resonanz der Schulen

Solch ein Überschwang der Gefühle war am Samstag in den Oberensinger Plätschwiesen nicht zu spüren. „Besonders enttäuschend, dass auch seitens der Schulen keinerlei Resonanz kommt“, kritisierte Sandra Grill, im Bezirk aktuell für den Frauen- und Mädchenfußball zuständig. Die Lehranstalten hatten, ebenso wie alle Vereine im Bezirk, Einladungen erhalten.

Dabei passt dieses nahezu kollektive Desinteresse nur bedingt zum jüngsten Trend. Nach einem regelrechten Absturz der Teamzahlen in Württemberg 2010 und 2018 vor allen Dingen im Mädchenbereich (von 861 auf 505 Teams) scheint sich die Lage etwas zu normalisieren. Zumal die Zahlen für Frauen- wie Mädchenteams aktuell im Vergleich noch deutlich über denen des Jahres 2000 liegen. „Doch wir müssen etwas tun“, fordert Sandra Grill, „und zwar nachhaltig.“ Aktuell trügen jedoch (zu) wenige Vereine die Verantwortung, zu oft werde Frauenfußball in den Klubs „noch belächelt“.

Beim TSV Deizisau ist dies anders. „Für uns ist es selbstverständlich, beim Aktionstag dabei zu sein, obwohl die offizielle Einladung in diesem Jahr erst fünf Tage vorher und damit sehr spät bei uns ankam“, sagt TSVD-Jugendtrainer Gerald Weiß. Mit sieben jungen Fußballerinnen rückten die Deizisauer an, verbesserten somit die Gesamtteilnehmerzahl in Oberensingen auf zwölf. „Das Schöne ist, dass niemand überredet werden musste und alle sieben Mädchen gerne nach Oberensingen mitgekommen sind“, berichtete Weiß. Der TSV Deizisau feierte im vergangenen Jahr 40 Jahre Frauenfußball, gehörte in den 70er-Jahren zu den Pionieren in Württemberg.

Beim Gastgeber TSV Oberensingen herrscht sogar Aufbruchstimmung in Sachen Frauen- und Mädchenfußball. Vor fünf Jahren bildeten sich unter der Ägide von Catrin Carmier erste Trainingsgruppen, mittlerweile besetzen die Oberensinger die Juniorinnen-Altersklassen von C bis B. „Wir müssen Elan und Begeisterung mitbringen, und wir brauchen noch intensivere Werbung, um Frauenfußball auch in anderen Vereinen voranzubringen“, fordert Manuel Platsakis, Leiter des Bereichs Mädchenfußball bei der TSVO.

Ob ein Aktionstag in der bisherigen Form in Anbetracht der immer schwächeren Resonanz noch das adäquate Mittel darstellt, wird an der Spitze des Fußballbezirks Neckar/Fils sicherlich intensive Diskussionen hervorrufen.

„Der Negativtrend ist gestoppt“

Interview Was bedeutet das frühe Aus des deutsche Nationalteams bei der Fußball-WM in Frankreich für die Basis im Frauenfußball? Beim Tag des Mädchenfußballs in Oberensingen hat Reimund Elbe mit Sandra Grill gesprochen, Bezirks-Beauftragte für Frauen- und Mädchenfußball.

 

Welche Folgen hat das frühe Aus der DFB-Frauen bei der WM in Frankreich für die Basis?

Ein Erfolg wäre sicherlich ein positiver Anstoß auch für den Frauenfußball hier im Bezirk gewesen. Ein besseres Abschneiden des deutschen Teams hätte dem Frauen- und Mädchenfußball an der Basis auf jeden Fall einen neuen Anschub gegeben. Allerdings glaube ich nicht, dass dieses Viertelfinal-Aus zu einem weiteren Rückgang der Teams führt. Dazu sind wir aktuell bezüglich der Teamzahlen zu stabil.

Wie sieht‘s generell aus für den Frauen- und Mädchenfußball in Württemberg und im Bezirk?

Es muss an der Basis wieder viel mehr getan werden. Es kann nicht ausschlaggebend sein, ob unser Team bei einer WM für Impulse sorgt. Wir brauchen deshalb wieder dringend mehr aktive und engagierte Vereine und auch engagierte Einzelpersonen im Frauenfußball, um wieder an die erfolgreichen Zahlen von vor rund zehn Jahren anzuknüpfen. Wir dürfen nicht noch weiter abrutschen, was die Anzahl der Teams in Württemberg betrifft. Zwar sind wir auf einem guten Weg, haben den teilweise starken Rückgang an Teams stark abgebremst, aber natürlich wollen wir den Trend möglichst schnell ins Positive umkehren.

Wie stark erleichtert sind Sie, dass der Negativtrend etwas an Dynamik verloren hat?

Sehr erleichtert. Die Angst, dass es womöglich im Frauen- und Mädchenfußball irgendwann einmal fast gar keine Teams mehr gibt, war bei mir schon da. Doch wir haben den Negativtrend gestoppt. Das zählt. Jetzt muss es wieder besser werden.