Die Ausgangslage ist eindeutig. Angesichts seit Jahren rückläufiger Teamzahlen benötigt der Frauen- und Mädchenfußball an der Basis dringend frische Impulse. Der vom Deutschen Fußballbund (DFB) initiierte „Tag des Mädchenfußballs“ soll diese liefern - mit Spiel und Spaß Mädchen ansprechen, die bisher noch nicht im Verein kicken.
Was in der Theorie nett klingt, stellt sich in der Praxis immer mehr als Problem dar. Bei der Veranstaltung des Bezirks am Wochenende in Oberensingen rückten nur ein Dutzend Kinder plus Eltern und Betreuern an - ein erschreckender Minusrekord. In besten Aktionstag-Zeiten machten beim Schnuppertag im Bezirk Neckar/Fils über 100 Mädchen mit.
Heinz Thumm, jahrzehntelang im Bezirk unter anderem für den Mädchenfußball zuständig, warnte bereits 2017: Die Angebote des Württembergischen Fußballverbandes im Frauen- und Mädchenfußball würden von den Vereinen viel zu selten genutzt. Das schwindende Interesse am einst stark frequentierten Aktionstag sei für ihn „ein Paradebeispiel“ dafür.
Oberensingen sorgt nun für einen Tiefpunkt für die einst so verheißungsvoll gestartete Aktion. Kaum zu glauben, dass in manchen Orten einst fast 1 000 Mädchen teilnahmen. Zehn Jahre ist es her, dass der „Tag des Mädchenfußballs“ in Vollblüte stand und beispielsweise Weltmeisterin Steffi Jones in Hamburg mit 850 Mädchen trainierte. „Wenn man das hier alles sieht und die Möglichkeiten, die Mädchen heutzutage haben, möchte ich am liebsten noch einmal mit dem Fußballspielen beginnen“, rief sie damals überwältigt ins Mikrofon.
Keine Resonanz der Schulen
Solch ein Überschwang der Gefühle war am Samstag in den Oberensinger Plätschwiesen nicht zu spüren. „Besonders enttäuschend, dass auch seitens der Schulen keinerlei Resonanz kommt“, kritisierte Sandra Grill, im Bezirk aktuell für den Frauen- und Mädchenfußball zuständig. Die Lehranstalten hatten, ebenso wie alle Vereine im Bezirk, Einladungen erhalten.
Dabei passt dieses nahezu kollektive Desinteresse nur bedingt zum jüngsten Trend. Nach einem regelrechten Absturz der Teamzahlen in Württemberg 2010 und 2018 vor allen Dingen im Mädchenbereich (von 861 auf 505 Teams) scheint sich die Lage etwas zu normalisieren. Zumal die Zahlen für Frauen- wie Mädchenteams aktuell im Vergleich noch deutlich über denen des Jahres 2000 liegen. „Doch wir müssen etwas tun“, fordert Sandra Grill, „und zwar nachhaltig.“ Aktuell trügen jedoch (zu) wenige Vereine die Verantwortung, zu oft werde Frauenfußball in den Klubs „noch belächelt“.
Beim TSV Deizisau ist dies anders. „Für uns ist es selbstverständlich, beim Aktionstag dabei zu sein, obwohl die offizielle Einladung in diesem Jahr erst fünf Tage vorher und damit sehr spät bei uns ankam“, sagt TSVD-Jugendtrainer Gerald Weiß. Mit sieben jungen Fußballerinnen rückten die Deizisauer an, verbesserten somit die Gesamtteilnehmerzahl in Oberensingen auf zwölf. „Das Schöne ist, dass niemand überredet werden musste und alle sieben Mädchen gerne nach Oberensingen mitgekommen sind“, berichtete Weiß. Der TSV Deizisau feierte im vergangenen Jahr 40 Jahre Frauenfußball, gehörte in den 70er-Jahren zu den Pionieren in Württemberg.
Beim Gastgeber TSV Oberensingen herrscht sogar Aufbruchstimmung in Sachen Frauen- und Mädchenfußball. Vor fünf Jahren bildeten sich unter der Ägide von Catrin Carmier erste Trainingsgruppen, mittlerweile besetzen die Oberensinger die Juniorinnen-Altersklassen von C bis B. „Wir müssen Elan und Begeisterung mitbringen, und wir brauchen noch intensivere Werbung, um Frauenfußball auch in anderen Vereinen voranzubringen“, fordert Manuel Platsakis, Leiter des Bereichs Mädchenfußball bei der TSVO.
Ob ein Aktionstag in der bisherigen Form in Anbetracht der immer schwächeren Resonanz noch das adäquate Mittel darstellt, wird an der Spitze des Fußballbezirks Neckar/Fils sicherlich intensive Diskussionen hervorrufen.