Fussball

Frickenhausen verliert am grünen Tisch

Fußball Das am 2. Dezember abgebrochene Spitzenspiel zwischen Bezirksligaprimus FCF und dem TSV Köngen wird mit 3:0 für Köngen gewertet. Von Reimund Elbe

Frickenhausen-Coach Jorgo Karatailidis (links) und Spielertrainer Stephan Rothweiler verstehen die Welt nicht mehr. Foto: Ralf J
Frickenhausen-Coach Jorgo Karatailidis (links) und Spielertrainer Stephan Rothweiler verstehen die Welt nicht mehr. Foto: Ralf Just

Das Sportgericht des Fußballbezirks Neckar/Fils hat das am 2. Dezember in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit abgebrochene Bezirksliga-Topspiel zwischen Spitzenreiter FC Frickenhausen und Verfolger TSV Köngen mit 0:3 gewertet. Zum Zeitpunkt des Abbruchs hatte Gastgeber FCF mit 1:0 geführt, als es in der 96. Minute zu einem Mittelfeld-Gerangel zwischen Kevin Kaiser (Köngen) und Giuseppe Pirracchio (Frickenhausen) kam. Das Scharmützel mündete in einer Rudelbildung und jeweils der Roten Karte für beide Hauptakteure. An der unübersichtlichen Situation mit rund einem Dutzend Spielern beteiligten sich auch bis zu vier auf den Platz gestürmte Zuschauer.

Freigesprochen wurden die Gastgeber derweil vom Vorwurf einer Vernachlässigung der Platzdisziplin. Es sei „schlechterdings nicht möglich neben jedem Zuschauer einen Ordner zu platzieren“, heißt es im Urteil, „Hinweise, dass die beteiligten Personen bereits in der Vergangenheit auffällig waren, sind nicht gegeben.“

Eine Geldstrafe bleibt den Frickenhausenern somit erspart, das Abgeben der Punkte an den Titel-Konkurrenten Köngen wohl nicht. Als dafür ausschlaggebend sahen es die Urteilenden an, dass es sich bei den Platzsturm-Zuschauern „unzweifelhaft um Anhänger des 1. FC Frickenhausen“ gehandelt habe. „An den Begriff Anhänger sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen, es genügt wenn ein Zuschauer für einen Verein Partei ergreift“, schlussfolgert das Bezirkssportgericht.

Im griechisch-römischen Stil

Schiedsrichter Horst Schulz (Sindelfingen), er betrachtete damals das gesamte Geschehen aus einer Distanz von rund 20 Metern, schilderte dem Sportgericht seine Sicht der Dinge. Nach einer „spieltypischen Aktion um den Ball zwischen den Spielern Kaiser und Pirracchio“ hätte er sich eigentlich „auf den weiteren Spielverlauf konzentriert“, hörte jedoch hinter sich „wie die zwei Spieler sich stritten“. Er habe dann eine Gerangel „im Griechisch-Römischen Stil“ beobachtet sowie den Fall des Duos auf den Kunstrasen. In die folgende Rudelbildung hätten sich schließlich vier hinzugeeilte Zuschauer eingemischt. „Einer der Zuschauer bekam den Spieler des TSV Köngen zu greifen“, führte Schulz aus, „ich sah, wie er dem Spieler an den Hals ging und versuchte ihn zu schlagen, was ihm aufgrund eines Ausweichmanövers des Spielers nicht gelang.“

Das Sportgericht äußerte daher keinen Zweifel, „dass der Angriff auf den Spieler klar die Anhängerschaft zum 1. FC Frickenhausen begründet“. Allerdings kursierten im Gerichtsverfahren und in den jeweiligen Vereinen auch andere Beschreibungen des Geschehens als die des Schiedsrichters. Unstrittig dagegen, dass sich die Gemüter recht schnell beruhigten, viele Besucher sogar fest mit der Weiterführung der Partie rechneten. Schulz brach jedoch das Match überraschend ab.

Der FC Frickenhausen, der bis auf Weiteres nur noch sieben Punkte Vorsprung auf den neuen Tabellenzweiten aus Köngen hat, wird gegen das Sportgerichtsurteil Berufung einlegen. „Es geht um eine sportlich faire Lösung“, betont FCF-Vorstandsmitglied Martin Mayer, zumal beide Mannschaften nach dem Gerangel sofort „um Deeskalation bemüht waren.“

Auf sehr dünnem Eis

Das Bezirksportgericht hat mit seinem Urteil zur Wertung des abgebrochenen Bezirksligaspitzenspiels zwischen Frickenhausen und Köngen lediglich die zweitbeste Lösung gewählt. Eine Spielwiederholung wäre angesichts der komplexen Gemengelage mit unterschiedlichen Aussagen und Interessenlagen der Beteiligten die sportlich deutlich fairere und den Ereignissen und Abläufen angemessenere Variante gewesen.

Zumal die wichtigste Frage im Verfahren offen blieb: wa­rum Schiedsrichter Horst Schulz, trotz offenkundiger Bereitschaft beider Teams zur Weiterführung der Begegnung und der längst wieder beruhigten Lage auf dem Platz, die Partie überhaupt abbrach. Dass der Referee die Weiterführung des Spiels von der Namensnennung der Platzsturm-Zuschauer abhängig machte, wirkt absurd. Zumal der Württembergische Fußballverband selbst die Messlatte für einen Spielabbruch sehr hoch anlegt: Grundsätzlich sei es für einen Schiedsrichter erstes Ziel, ein Spiel zu Ende zu bringen. Nur wenn eine Situation äußerst unübersichtlich ist oder der Schiedsrichter selbst attackiert wird, wäre ein Spielabbruch angemessen - beide Voraussetzungen waren am 2. Dezember in Frickenhausen allerdings nicht gegeben, zumal sich Köngener wie Frickenhausener Spieler nach dem Abbruch sogar noch kollegial am Mittelkreis abklatschten.

Das Urteil des Bezirkssportgerichts wirft somit mehr Fragen auf als es beantwortet. Dass der FC Frickenhausen in Berufung geht, verwundert nicht. Ordner und weitere Vereinsfunktionäre hatten damals sofort eingegriffen und damit, ebenso wie die Köngener, zur schnellen Beruhigung der Lage beigetragen. So bleibt dieser Richterspruch bei genauem Hinsehen ein Urteil auf sehr dünnem Eis und einer voller Widersprüche.