Lokalsport

„An der Haltung erkennt man den Gewinner“

Der Landessportbund sucht Vorbilder und findet eines in Dettingen: Roland Brenzinger macht Kinder selbstbewusst und stark

Haltung bewahren, Regeln achten, selbstbewusst auftreten – Seit 30 Jahren versucht Roland Brenzinger mit seinem Angebot an Kinder und Jugendliche in Dettingen Vorbild zu sein. Als solches hat ihn die Württembergische Sportjugend (WSJ) jetzt für preiswürdig erklärt.

Spaß und Disziplin stehen nicht im Widerspruch: Roland Brenzinger bringt Kindern seit 30 Jahren bei, wie man selbstbewusst und r
Spaß und Disziplin stehen nicht im Widerspruch: Roland Brenzinger bringt Kindern seit 30 Jahren bei, wie man selbstbewusst und respektvoll gegenüber anderen durchs Leben geht.Foto: Jean-Luc Jacques

Dettingen. Ein aufmerksamer Blick, ein einnehmendes Lächeln und ein Händedruck wie ein Schraubstock sind das Erste, was auffällt. Wer Roland Brenzinger entgegentritt, fühlt sich unweigerlich ertappt. Ein kurzes Zögern, versteckte Unsicherheiten oder schlechte Körperhaltung, dem Mann entgeht nichts. Eine fein justierte Sensorik im Umgang mit Mitmenschen, das war ein Berufsleben lang sein wertvollstes Kapital. Die Lehre fernöstlicher Kampfkunst und seinen Erfahrungsschatz als Erster Polizei-Hauptkommissar versucht Brenzinger seit 30 Jahren an Kinder und Jugendliche weiterzugeben. Dafür hat ihn die Württembergische Sportjugend im WLSB nun mit dem Ehrenamtspreis „Vorbilder“ dekoriert. Brenzinger ist einer von landesweit neun Preisträgern.

„Kinder sicher, selbstbewusst und stark machen“, diese Aufgabe hat sich der Budo-Club Polizei bei seiner Gründung vor 30 Jahren auf die Fahnen geschrieben. „Es sollte ein Bindeglied zwischen Polizei und Bevölkerung sein“, beschreibt Roland Brenzinger die Idee, die dahintersteckt. Was sechs Polizisten beim jährlichen Grillfest im Garten der Kirchheimer Polizeiwache damals aus einer Laune heraus auf den Weg brachten, ist inzwischen ein Erfolgsmodell. 50 Mädchen und Jungen im Alter zwischen sechs und 18 Jahren stehen jeden Montagabend in der Dettinger Schlossberghalle auf der Matte. Brenzinger ist Vereinsvorsitzender und treibende Kraft, seine Mitstreiter mehr als ein halbes Dutzend ausgebildete Fachkräfte, die meisten davon Frauen. Der Ansturm auf die drei verschiedenen Gruppen, die gleichzeitig trainieren, ist derart groß, dass es inzwischen eine lange Warteliste gibt.

Budo gilt als Überbegriff für alle fernöstlichen Kampfsporttechniken. Es verbindet Elemente aus Jiu-Jitsu, Judo oder auch Karate. Das Besondere am Angebot des Polizei-Klubs: „Bei uns gibt es keinen Leistungsdruck und keinen Wettkampfstress“, sagt Roland Brenzinger, obwohl beides für ihn im Sport lange dazugehört hat. Als 14-Jähriger begann er beim VfL Kirchheim mit dem Ringen, wechselte danach zum Judo, wo er mit Frisch Auf Göppingen bis in die Oberliga vorstieß. Daheim im Schrank lagern zwei EM-Bronzemedaillen als Erinnerung an erfolgreiche Polizeimeisterschaften. Der 69-Jährige erscheint wie der Gegenentwurf zum Klischee des pensionierten Beamten. Er kokettiert gerne mit seinem Alter, das er mit 45 beziffert – seinem Geburtsjahr. Bei seiner Klientel verschafft ihm seine geradlinige, direkte Art gleichermaßen Respekt und Sympathien. Sein Wort gilt, sein Rat wird gehört. Brenzinger ist an den Kursabenden unbestritten Chef im Ring – und ein Vorbild. Es geht um Selbstbewusstsein, gute Körperhaltung, um motorische Fähigkeiten und vor allem: um Fairness. Von Stärkeren lernen, Schwächeren helfen, lautet das Motto. „Bei uns gibt es nur Partner, keine Gegner.“ Auch Disziplin spielt eine bedeutende Rolle. Unentschuldigtes Fehlen gilt als Regelverstoß. Es gibt eine Anwesenheitsliste. „Ordnung ist wichtig“, meint Brenzinger und grinst. „Wir sind halt Polizisten.“

Eine Tatsache, die offenbar Vertrauen schafft. Dass Eltern ihren Nachwuchs im Budo-Club gut aufgehoben sehen, klingt immer wieder durch. Brenzinger und sein Betreuerteam bieten, was in manchen Familien zu kurz kommt: eine Gemeinschaft, in der man Spaß haben kann, in der jedoch klare Regeln gelten. Die Gemeinschaft ist bunt. Zu ihr gehören Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten wie extremer Schüchternheit oder Hyperaktivität, aber auch Kinder mit Migrationshintergrund. Das gemeinsame Ziel sind die regelmäßigen Gurtprüfungen. Auch dabei geht der Trainer als Vorbild voran: Er hat nicht nur die B-Lizenz als Übungsleiter, er trägt den 5. DAN, den höchsten Meistergrad der Schwarzgurtträger.

Immer häufiger klopfen auch Schulen beim Budo-Club in der Schlossberggemeinde an. Im Rahmen der Projektwochen am Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium gab es im vergangenen Jahr einen Kurs „Selbstverteidigung – Selbstbehauptung“ für Mädchen. 2015 will die benachbarte Förderschule in Dettingen nachziehen.

Einmal im Jahr wechseln Brenzinger und seine acht Mitstreiter ins Fach Erwachsenenbildung. Dann bietet der Verein an drei Abenden auch einen Kurs für Frauen an. Brenzinger wäre nicht Brenzinger, hätte er beim Thema Selbstverteidigung keine griffige Lehrmeinung parat. Ein sensibles Thema, vor allem bei Mädchen, sagt er. Man dürfe durch Verteidigungstechniken keine Sicherheit vermitteln, denn die gebe es nicht. „Wir öffnen den Blick für Gefahren und zeigen, wie man sich aus Zwangslagen befreit“, sagt Roland Brenzinger und nennt den wichtigsten Aspekt: „An der Haltung erkennt man den Gewinner.“