Lokalsport

Ein kleiner Mann macht große Sprünge

Der neunjährige Jan Andersen aus Kirchheim gilt als hoffnungsvolles Skisprungtalent

Mit drei Jahren stand er das erste Mal auf Skiern, mit sechs hopste er über kleine Schanzen, und mit neun hat er schon über 300 Wettkämpfe bestritten – auf Nachwuchsskispringer Jan Andersen passt der Spruch „Klein, aber oho“ wie auf keinen Zweiten, zumal der Schüler mit norwegischen Wurzeln nicht auf den Mund gefallen ist.

Nachwuchsskispringer Jan Andersen
Nachwuchsskispringer Jan Andersen

Kirchheim. Wenn Jan Andersen über Skispringen redet, werden seine Augen fast so groß wie die Weiten, die er mit seinen neun Jahren schon erzielt. „Ich finde das richtig cool“, sagt der Steppke mit gefalteten Händen und schelmischem Grinsen, „es ist schön, dass es ein Sport ist, den nicht jeder Zweite macht.“ Jeder Zweite wäre wohl auch kaum so erfolgreich wie der kleine Mann, der im Dress des SC Wiesensteig regelmäßig ganz vorne in den Ergebnislisten auftaucht. In der Altersklasse S 10, in der je nach Schanzenart bis zu 30 Meter weit gesprungen wird, gibt es im süddeutschen Raum nur wenige, die ihn bei Wettkämpfen schon geschlagen haben. Warum das so ist? „Durch viel Training wird man gut“, weiß Jan, der dabei weniger die Zahl der Einheiten als den Willen zum Üben meint. „Einer, der nach fünf Sprüngen sagt, es reicht, bin ich nicht. Ich habe den Ehrgeiz, immer wieder zu springen und so zu gewinnen.“

Das ist weniger verbissen, als es klingt. Jan ist beileibe kein gedrilltes Nachwuchstalent, das tagein, tagaus auf Kosten der Kindheit auf Erfolg geeicht wird. Dafür spielt er viel zu gerne mit den Nachbarskindern, trommelt auf seinem Schlagzeug im Keller („aber nur bis 20 Uhr, danach beschweren sich die Nachbarn“) oder spielt Handball beim VfL. Die Begeisterung für den Wintersport hat der Viertklässler genauso wie sein zwölfjähriger Bruder Patrick, der Biathlon betreibt, einfach in den Genen. Schließlich stammt Familie Andersen aus dem Mutterland des nordischen Skisports: Norwegen. Kein Wunder also, dass auch Jans große Vorbilder von dort kommen. Besonders angetan hat es ihm Johan Remen Evensen, der im März dieses Jahres mit 246,5 Metern einen neuen Weltrekord im Skifliegen aufgestellt hat. „Also das ist ja eigentlich auch mein Ziel: der Weltrekord“, sagt Jan verschmitzt.

Dass er eines Tages das Zeug dazu haben wird, davon ist sein Wiesensteiger Trainer überzeugt. „Er ist unheimlich fleißig. Wenn man ihm etwas sagt, versucht er immer, es gleich umzusetzen“, sagt Georg Ulmer, der es wissen muss – schließlich zählte sein Sohn Christian einst zur erweiterten deutschen Skisprungspitze, hat es dank des Vaters in den A-Kader geschafft, dem er zwei Jahre angehörte. Mittlerweile hat der 27-jährige Sportsoldat, der 2007 im Gesamtweltcup 47. war, den Traum von der ganz großen Karriere zuguns­ten eines Masterabschlusses in internationaler Betriebswirtschaftslehre aufgegeben.

Wohin seine eigene sportliche Reise geht, wird Jan frühestens in zwei Jahren wissen, wenn Förderkader, die es erst ab dem Jahrgang 2000 gibt, ein Thema werden. „Wenn er so weitermacht, wird er es schaffen“, glaubt seine Mutter Torill Andersen, die die Sprünge des Filius‘ oft mit Herzklopfen verfolgt. Am schlimmsten war‘s bei Jans bisher weitestem Satz in Villach, bei dem der kleine Mann eine Anlaufgeschwindigkeit von über 70  km/h hatte und nach 41 Metern landete. „Da habe ich schon kurz gezuckt“, sagt Torill Andersen, „aber man gewöhnt sich daran.“

Jan selbst kennt auf der Schanze keine Angst, im Gegenteil. Befragt nach seiner größten Stärke, sagt er wie aus der Pistole geschossen. „Der Mut, würde ich sagen. Ich habe viel Mut.“ Bei der größten Schwäche muss die Mama aushelfen. „Er kann nicht ganz so gut verlieren“, sagt Torill Andersen. „Aber wer verliert schon gerne?“, flüstert Jan – und lacht.