Lokalsport

Ein Leben für die kleine Filzkugel

Tennis Tassilo Schmid aus Lindorf ist der jüngste von drei Brüdern, die es im Tennissport weit gebracht haben. Der 27-Jährige arbeitet aktuell als Coach an einer amerikanischen Universität. Von Uli Tangl

Auf und neben dem Tennisplatz mit Feuereifer dabei: Tassilo Schmid. Foto: privat

Triumph oder Tragödie. Millionär oder mittellos. Nummer eins oder namenlos. Nicht nur im Tennis gibt es diese riesengroße Schere zwischen Erfolg und Versagen. Aber in dieser Einzelsportart tritt sie besonders eklatant zu Tage. Da geben ganze Familien alles - fahren ihre Kinder Tausende von Kilometern zu Training und Turnieren, stellen alles auf den sportlichen Erfolg ab, getrieben von der Hoffnung, ganz groß rauszukommen. Bei ganz wenigen funktioniert das. Bei den allermeisten aber geht es grausam schief.

Aber es gibt auch die dazwischen. Die Familie Schmid aus dem Kirchheimer Teilort Lindorf hat gleich drei von der Sorte. Alle drei haben früh ihr Leben dem Tennis gewidmet, zusammen mit der Familie extrem viel investiert - und alle drei sind weder zu Superstars noch zu Ausgeworfenen des Tennis-Business geworden.

Fabian, Jahrgang 1984, brachte es bis zum Regionalligaspieler, coachte auch schon mal die damalige deutsche Nummer eins, Nicolas Kiefer, und hat sein Glück heute beim deutschen Vorzeige-Klub Iphitos München als Stellvertretender Headcoach gefunden.

Victor, Jahrgang 1988, war mit 16 die Nummer 108 der U18-Jugend-Weltrangliste, durfte umsonst bei US-Trainer-Guru Nick Bollettieri in Florida trainieren, verletzte sich dann aber mit 17 Jahren schwer, was ihn letztendlich die Karriere auf der ATP-Tour kostete. Er arbeitet heute bei einer Unternehmensberatung in Stuttgart.

Doch die Rede soll hier von Tassilo, Jahrgang 1992 sein. Seine Eltern, vor allem seine Mutter Bärbel, waren extrem mit Victor beschäftigt. Sie fuhr ihn überall hin, kümmerte sich rund um die Uhr um jede Kleinigkeit. So nahm Tassilo als Jüngster der drei Tennis-Talente sehr früh alles selbst in die Hand. Denn auch er wollte unbedingt im Tennis ganz nach oben. Entschieden hat er das endgültig selbst, mit 14 Jahren: „Da habe ich gemerkt, dass ich zu den Besten in Deutschland in meinem Alter gehöre.“ Und: „Außerdem hatte ich zwei sehr ambitionierte Brüder, die sehr gute Tennisspieler waren - sie haben mich immer gepusht, um besser zu den werden.“

Es ging aufwärts, Tassilo organisierte seine Trainingseinheiten, Turniere und Schule fast völlig selbstständig. Zugute kam ihm da der Wechsel auf die Stuttgarter Merz-Schule: „Die hat mir immer die Möglichkeit gegeben, mein akademisches, aber auch mein sportliches Ziel zu erreichen.“

Bereits ein Jahr vor dem Abitur 2011 ging das Gezerre los. Es kamen viele Anfragen von Universitäten aus den USA, auch der Württembergische und der Deutsche Tennisbund wollten das Toptalent fördern.

Doch dann kam etwas dazwischen: Tassilo verletzte sich mit 18 am Handgelenk, die Tennis-Karriere war in Gefahr. Und da reifte die Entscheidung, sich all dem zu entziehen und aufs College in die USA zu gehen: Zunächst ins Tyler Junior College nach Ost-Texas, nach zwei Jahren auf die Mississippi State University in Starkville, einem Top-Ten-Team in der US-College-Sportorganisation NCAA. Er studierte Business und Communication, spielte recht erfolgreich Tennis in der höchsten Studentenliga und machte planmäßig nach vier Jahren seinen Bachelor.

Der nächste Schritt: Profi auf der ATP-Tour werden. Doch zwischen September 2015 bis Mai 2016 brachte er keine Ergebnisse zustande. Tassilo: „Nach langem Überlegen mit meinen Eltern und den Coaches haben wir die Entscheidung getroffen, meine kurze Profi-Laufbahn zu beenden und mein Master Studium in Sport Management anzufangen, das ich 2018 beendet habe.“

Das war der endgültige Einstieg in eine Karriere, die ihn noch weit bringen kann - oder bereits gebracht hat. Denn der Master war das eine, sein überdurchschnittliches Talent als Tennislehrer und Coach das andere. „Mir macht es einfach Mega-Spaß, für eine große Uni zu arbeiten“, gibt Schmid als einen Grund an, warum er sich nicht lange nach Beginn des zweiten Studiums in Florida für diese Laufbahn entschieden hatte. Auf andere Weise als geplant erfüllte sich der Traum des seinen Brüdern nacheifernden Tassilo: viele Reisen, viele Leute, viel Tennis: „Das Interessante an diesem Job war für mich das Scouten von Spielern auf der ganzen Welt und natürlich die Ausbildung und Entwicklung“

Auf der Florida State war er Assistant-Coach, denselben Posten hat er nun auf einem richtig großen College, auf der Pepperdine University in Kalifornien, nicht weit von Los Angeles - nichts weniger als ein krasser Karriere­sprung, der nicht vielen von den Tausenden gelingt, die weltweit mit einem vagen Traum von Tennis beginnen.

Und wie geht es weiter? Schmid: „Natürlich ist es ein Ziel von mir, Head Coach an einer Power-5-Universität zu werden. Momentan fühle ich mich jedoch sehr wohl bei Pepperdine.“ Schließlich hat diese Universität reichlich Tennisgeschichte geschrieben. Spieler wie Brad Gilbert kommen von hier und der deutsche Davis-Cup-Spieler Andre Begeman, der 2006 mit der Uni die NCAA-Meisterschaft gewann.

Vielleicht wird er irgendwann ja auch Trainer auf der ATP-Tour, an der Seite eines neuen Boris Becker oder einer neuen Steffi Graf. Dann würde es wieder heißen: Triumph oder Tragödie - nur auf einem anderen Niveau.