Kirchheim. Wir wissen nicht, was andere Basketball-Experten in solchen Fällen empfehlen. Michael Mai jedenfalls empfiehlt: Gegen maßlose Enttäuschung hilft kalkuliertes Schweigen. Die Kabinenpredigt am Sonntagabend nach dem Hamburg-Spiel fiel entsprechend kurz aus. Des Trainers Motto: „Ich sage wenig, wenn wir gewinnen, noch weniger nach Niederlagen wie diesen.“ Weil es davon gleich zwei innerhalb von nur drei Tagen gab, wird das wohl nicht so bleiben. Im heutigen Training gibt es definitiv Gesprächsbedarf.
Woran es lag, dass die Mannschaft einen eigentlich beruhigenden Vorsprung beide Male nicht über die Zeit brachte, wird die zentrale Frage sein. Wer einfache Antworten mag, könnte sagen: In Chemnitz war es die Hölle Richard-Hartmann-Halle, die auf die Kirchheimer im entscheidenden Moment Eindruck machte. Gegen Hamburg war es ein ausgebuffter Fuchs namens Will Barnes, der demonstrierte, wie man in der Crunchtime richtig zockt.
Gründe für die Kirchheimer Frusttage gibt es allerdings einige mehr: 21 Turnovers gegen Chemnitz, eine ungewohnt hohe Anzahl von Ballverlusten. Fünf davon allein auf dem Konto des vielleicht ballsichersten im Team, Bryan Smithson, der in allen bisherigen Spielen überragender Kirchheimer war. Dazu die Foulprobleme der beiden Center Ben Beran und Enosch Wolf, die länger auf der Bank parken mussten, als es dem Kirchheimer Spiel gut getan hätte. Wolf gar ein komplettes Viertel lang. In beiden Fällen gilt die einfache Regel: Spielzeit kostet Konzentration und Spielzeit schafft Foulprobleme. Smithson stand in Chemnitz knapp 43 Minuten auf dem Feld, auch weil Ersatz Keith Gabriel an diesem Tag völlig von der Rolle war. Kirchheims Mini-Rotation ist nicht der einzige aber ein wesentlicher Grund für beide Niederlagen.
Das wissen alle, auch wenn jeder anders damit umgeht. Während der Trainer von Beginn an einen weiteren Big Man fordert, wiegelt die Vereinsführung energisch ab. Solange den Knights nicht das Wasser bis zum Hals steht, ist Verstärkung vor Ablauf der Wechselfrist Ende Januar kein Thema. Das hat Sportchef Karl-Wilhelm Lenger bereits vor dem ersten Spieltag klar gestellt. Dabei liefern diejenigen, die da sind, mehr als zu erwarten war und werfen damit unweigerlich die Frage auf: Was wäre, wenn nicht? Mit drei Double-Doubles in Serie und einer Effektivität von durchschnittlich 19 Zählern lässt sich Enosch Wolf bisher getrost als Glücksgriff titulieren. Auch der erst 22-jährige Jannik Lodders arbeitet mit Macht daran, dass er in seinem ersten Jahr in der Pro A zur unverzichtbaren Größe wird. Schon allein deshalb, weil der Ex-Hannoveraner auf den Positionen drei und vier als die Allzweckwaffe gilt, ohne die es nicht geht. Michael Mai glaubt an seine Mannschaft, sieht sie auch in dieser starken Liga nicht nur als Mitläufer: „Wir sind nicht die, die nur zuschauen. Wir haben die Dinge selbst in der Hand“, sagt der Coach. „Wir haben allen Grund, an uns zu glauben.“
Sportchef Karl-Wilhelm Lenger setzt nach dem Frust-Wochenende auf den Jetzt-erst-recht-Effekt vor dem bereits wegweisenden Spiel am Sonntag in Heidelberg. „Die Jungs stecken das weg“, ist er überzeugt. „Alle brennen und sind heiß auf das Spiel.“ Rasch legt er nach: „Emotionen sind gut, man darf dabei nur den Kopf nicht vergessen.“