Lokalsport

In der Warteschleife

Tobias Unger will nach Verzicht auf Freiluftsaison wieder 2014 angreifen

Keine Freiluftsaison für Tobias Unger. Obwohl der 33-jährige Sprinter wieder vollständig von seiner Knie-OP im Januar genesen ist, wird der dreimalige Olympiateilnehmer aus Kirchheim heuer keine Rennen bestreiten. Trainiert wird trotzdem: Unabhängig von der beruflichen Belastung hat der Bank-Trainee noch genügend Motivation, um 2014 wieder ­angreifen zu wollen.

"Ich will selbst bestimmen, wann Schluss ist." Tobias Unger macht bis 2014 weiter. Foto: Jean-Luc Jacques
"Ich will selbst bestimmen, wann Schluss ist." Tobias Unger macht bis 2014 weiter. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Die Haare länger, der Habitus entspannter, der Tonfall leiser. Tobias Unger macht im Frühjahr 2013 einen aufgeräumten Eindruck. Dabei hätte der beständigste deutsche Sprinter der vergangenen Jahre allen Grund, zerknirscht zu sein. Zum ersten Mal in seiner fast 20-jährigen Sportlervita wird Unger heuer keine Freiluftsaison bestreiten. Zu lange die Zwangspause nach seiner Sehnenoperation am Knie Ende Januar, nach der er zwei Monate überhaupt nicht trainieren konnte. Erste zaghafte Laufversuche gab‘s über Ostern auf Teneriffa, wo er mit Kirchheimer Trainingsgruppe und DLV-Kollegen weilte. Die Frage nach dem Sinn eines Trainingslagers, bei dem man sich nicht unter Wettkampfbedingungen mit der Konkurrenz messen kann, stellte sich dabei nicht. „Allein schon der Tapetenwechsel hat nach dem harten Winter gut getan“, sagt Unger.

Hart – das bezieht der dreimalige Olympiateilnehmer nicht nur aufs Wetter, das bei Übungseinheiten im Kirchheimer Stadion monatelang nur Frostbeulen brachte. Vielmehr hatte Unger mit dem für ihn völlig ungewohnten Arbeitsalltag zu kämpfen, der ihn als Trainee der Kreissparkasse seit November täglich in Anzug und Krawatte zwingt. Zeit zum Trainieren bleibt dem ehemaligen Berufssportler seitdem wie jedem Hobbyathleten nur nach Dienstschluss.

Unger würde lügen, wenn er nicht aus just dieser Tatsache Anreiz und Motivation schöpfen würde, um weiter mit der Leichtathletik zu machen. Die 100-Meter-Norm für die EM 2014 in Zürich ist das große Ziel, auf das er hinarbeiten will. „Wäre doch schön, wenn ich beweisen könnte, dass man trotz normalem Arbeitsleben schnell sein kann“, sagt er, nicht ohne sich der Brisanz dieser Worte bewusst zu sein. Ein Feierabendsprinter mit EM-Einzelnorm wäre bei aller Hochachtung vor Ungers Leistung ein Armutszeugnis für die deutsche Leichtathletik und ihre Nachwuchsarbeit, die bereits seit Jahren stagniert.

Jüngster Beweis waren die eher durchwachsenen Leistungen von Ungers jüngeren Konkurrenten während der Hallensaison, in der außer dem Wattenscheider Julian Reus, immerhin EM-Sechster über 60 Meter in Göteborg, keiner wirklich überzeugen konnte. Sollte sich dieser Trend in der anstehenden Freiluftsaison fortsetzen, wären Ungers Chancen, 2014 wieder in Schlagdistanz zu gelangen, durchaus realistisch.

Vorausgesetzt, der mittlerweile 33-Jährige kommt unter den erschwerten Rahmenbedingungen bis dahin wieder richtig in Tritt. Das operierte Knie hat die bisher leichten Trainingsumfänge gut verkraftet. In zwei bis drei Wochen will Unger erstmals wieder mit Spikes trainieren. Geht alles glatt, wird den Sommer über fleißig an der Form für Zürich gebastelt. Warum er sich eine so lange Warteschleife überhaupt noch antut, statt einfach aufzuhören und im Beruf durchzustarten, beantwortet er so: „Es macht mir Spaß, es ist mein Leben. Ich will selbst bestimmen, wann Schluss ist.“

Die Rückendeckung seines Vereins hat er dabei. Der VfB Stuttgart kann seinen bis Ende Oktober laufenden Vertrag optional um ein weiteres Jahr verlängern. Um den „Roten“ einen Grund dafür zu geben, will Unger sich im August beim einen oder anderen regionalen Sportfest zeigen. Spätestens dann soll auch ein neuer Ausrüster gefunden sein. Nachdem Nike mit Unger bereits im vergangenen Jahr nicht verlängert hatte, soll nun Puma in die Bresche springen. Passen würd‘s: Die Herzogenauracher statten bereits die VfB-Kicker aus.

Bleibt die Frage nach den langen Haaren. Lachend betont Unger, der immer für seine rasierte Pläte bekannt war, dass hinter der neuen Frisur weder Arbeitgeber noch Freundin Corinna stecken. „Es war einfach mal Zeit für was anderes.“ Die Ansicht eines Aufgeräumten.