Lokalsport

Kirchheimer Stadion als Sprungbrett in die Fußball-Bundesliga

Mit Andy Buck avancierte der VfL Kirchheim 1987/88 zur drittstärksten Kraft in Württemberg – Historischer Triumph in der Pfalz, wo er heute lebt

Er ist neben Thomas Brdaric und Rüdiger Kauf wohl der bekannteste Fußballer, der beim VfL Kirchheim jemals unter Vertrag stand: Andreas Buck (46) gehörte zum Star-Ensemble der Oberliga-Mannschaft 1987/88. In seiner 15-jährigen Profizeit wurde er mit dem VfB Stuttgart und Otto Rehagels FC Kaiserslautern zwei Mal Deutscher Meister. Heute ist Buck ein Wochenend-Pendler wie Hunderttausende anderer Arbeitnehmer hierzulande auch: Buck arbeitet in Geislingen und lebt mit Frau und Kindern 260 Kilometer entfernt im pfälzischen Rodenbach.

Schneeballschlacht: Andy Buck (links) bei einem Oberligaspiel gegen den Freiburger FC in der Spielzeit 1987/88. Damals gab er al
Schneeballschlacht: Andy Buck (links) bei einem Oberligaspiel gegen den Freiburger FC in der Spielzeit 1987/88. Damals gab er alles - und wechselte nach Saisonschluss zum FFC-Rivalen SC Freiburg in die zweite Bundesliga. Foto: Gerald Prießnitz

Geislingen. Es war im Winter 1986/87, als sich im Mühlhausener Wirtshaus Zum Eselseck drei Leute zu einem Geheimtreffen einfanden: Helmut Groß, damaliger Kirchheimer Fußballtrainer, VfL-Manager Jürgen Wolters und das 18-jährige, viel umworbene Nachwuchstalent Andreas „Andy“ Buck vom SC Geislingen. Die Kirchheimer wollten den Mittelfeldrenner mit der 100-Meter-Bestzeit von 10,8 Sekunden für die kommende Oberliga-Saison unbedingt verpflichten. Doch der feste Vorsatz, das Vertragsgespräch wegen des frühen Zeitpunkts partout nicht an die große Glocke zu hängen, platzte wie eine Seifenblase. Ein dummer Zufall wollte es, dass sich im Eselseck just an diesem Abend die Geislinger Traditionsfußballer zur Weihnachtsfeier trafen, und schnell war den versammelten Seniorenkickern klar, dass Groß, Wolters und Buck garantiert nicht zum Skatspielen gekommen waren. „Hochnotpeinlich“ sei ihm das Auffliegen seiner heimlichen Wechselpläne damals gewesen, bekennt Buck heute. Kurz danach stand die Meldung auch noch in der Lokalzeitung.

Buck, der mit dem Wechsel unter die Teck dem Lockruf seines Wunsch-Trainers gefolgt war („unter Groß konnte ich mich weiterentwickeln“), machte mit der Unterschrift unter den Kirchheimer Oberliga-Vertrag genau das Richtige. Denn im Spieljahr 1987/88 explodierte seine fußballerische Leistung förmlich – und das, obwohl er wegen seiner Bundeswehr-Verpflichtung in Ulm („dort war ich Panzerfahrer“) täglichen Terminstress hatte. Mindestens an drei Werktagen der Woche musste er zwischen der Donau- und der Teckstadt hin- und her pendeln. Seine damals schon etablierten Mitspieler hießen Dieter Stadler, Uwe Heth, Manfred „Schlange“ Lang, Uwe Köber, Ralph Bany oder Chris Bieber – mit ihm bekamen diese einen hungrigen Youngster hinzu, der rasch auf Augenhöhe mitspielen sollte. Buck, das Naturtalent aus dem Eybacher Tal, avancierte zum württembergischen Auswahlspieler, wurde 1988 DFB-Länderpokalsieger mit der WFV-Mannschaft und beendete die Oberliga-Saison mit der VfL-Truppe hinter dem FV Weinheim, Freiburger FC und SV Sandhausen überraschend als Tabellenvierter. Mit dem Stammspieler Buck war der VfL Kirchheim binnen weniger Monate zu Württembergs drittstärksten Fußball-Kraft hinter dem Bundesligisten VfB Stuttgart und Zweitliga-Vertreter SV Stuttgarter Kickers herangereift. Die Fans schwärmten, und die Euphorie in jenen Kirchheimer Fußballtagen war grenzenlos.

Es war eine Zeit, die unvergessen ist. „Die Zeit in Kirchheim hat mich geprägt, als Spieler wie als Mensch“, erinnert sich Buck, „und es war eine schöne Zeit, wegen der vielen Erfolge.“ Unverhofft stand er damals im Rampenlicht, kam ins Regionalfernsehen, und danach war er vom Verein nicht mehr zu halten. Nachdem der frühere Freiburger SC-Präsident Achim Stocker höchstpersönlich zu Vertragsverhandlungen nach Geislingen gefahren war, wurde Buck nach nur einem Jahr zum VfL-Abgänger. Dem zweijährigen Zweitliga-Engagement folgte 1990 die Vertragsunterschrift als Erstliga-Profi beim VfB Stuttgart (Ablösesumme 800 000 DM), wo unter Trainer Christoph Daum zwei Jahre später die deutsche Meisterschaft gelang. 1997 wechselte Buck zum 1. FC Kaiserslautern, wo er fünf Jahre blieb und „meine schönste Fußball-Zeit überhaupt“ erlebte.

Auf dem Betzenberg feierte Buck 1998 unter Trainer-Fuchs Otto Rehagel seine zweite deutsche Meisterschaft. „Dieser Titel war der wertvollste in meiner Profilaufbahn“, bilanziert er und bekommt dabei leuchtende Augen, „weil wir damals Aufsteiger und Underdog waren. Kein Mensch hatte auf Kaiserslautern gesetzt.“ Brehme, Sforza, Ratinho, Kadlec und Co. leisteten seinerzeit Historisches – noch nie in der 51-jährigen Bundesliga-Geschichte war und ist ein Aufsteiger auf Anhieb Titelgewinner geworden. An der Kaiserslauterer Sensation war Buck einer der Hauptbeteiligten: 31 der 34 Ligaspiele hatte ihn Rehagel seinerzeit bestreiten lassen. Noch heute liegen die älteren Club-Fans Buck zu Füßen, wenn er in Kaiserslautern, das 13 Kilometer entfernt von seinem Wohnort Rodenbach liegt, beim Shoppen oder sonst wo entdeckt wird. „Dann werde ich meistens gefragt, ob ich wirklich der Andy Buck bin, und wenn ich bejahe, dann sprechen sie mich voller Begeisterung auf diese besondere Meisterschaft an“, erzählt Buck. Sein Ruhm ist noch längst nicht verblasst, ganz besonders in Kaiserslautern.

Nachdem er bei Mainz 05 unter einem gewissen Jürgen Klopp im Jahr 2003 sein letztes Spiel bestritt, konnte Andy Buck nach insgesamt 15 Profijahren zwar keine Länderspiele vorweisen („zwei Mal war ich Nationalspieler auf Abruf“), aber eine ausgefüllte Karriere, in der der VfL Kirchheim die Anlaufstation gewesen war. „Das meiste in meinem Sportlerleben habe ich wohl richtig gemacht“, sagt er heute. Aktuell arbeitet er als selbstständiger Versicherungskaufmann in seiner Geislinger Agentur vier Tage die Woche und kehrt am Wochenende ins pfälzerische Wohnhaus zurück, wo Ehefrau Tina und die Kinder Nina (17), Natalie (15), Joelle (7) und ­Joshua (5) warten. Bucks zweites berufliches Standbein ist seine 2003 gegründete Firma „SportCare“, in der er Profifußballer in finanziellen und juristischen Fragen berät – Letzteres dann, wenn die Kicker gegenüber der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) nach Sportunfällen Ansprüche durchsetzen wollen. Auch Dortmunds Torhüter Weidenfeller und der Ex-Freiburger Torjäger Papiss Demba Cissé (Newcastle United) gehörten vor Jahren zu Bucks Kundenkreis.

In alten VfL-Zeiten hatte sich Buck, der Renner im rechten Mittelfeld, den Ruf einer „Fleißbiene“ eingehandelt. Heute gilt das Attribut bei ihm immer noch, denn als regelmäßiger Fitnessstudio-Besucher und Jogger („manchmal in der Mittagpause“) trainiert er nach wie vor intensiver als die meisten seiner Alterskollegen. Ein Gewichtsvergleich sagt alles: 72 Kilogramm wog der 1,80-Meter-Mann in seinen besten Profijahren. Heutzutage, mit 46, wiegt er gerade mal 3 000 Gramm mehr.

Neun Mal Champions League und zwei deutsche Meisterschaften mit dem VfB Stuttgart und 1. FC Kaiserslautern

Profispiele zuhauf In 13 Profijahren beim VfB Stuttgart (1990–1997) und dem 1. FC Kaiserslautern (1997‑2002) bestritt Andreas Buck 268 Bundesliga-Spiele und 9 Champions-League-Spiele. In der Zweiten Liga war er für den SC Freiburg (1988–1990) und Mainz 05 (2002–2003) insgesamt 76 Mal am Ball. Erfolge Neben zwei deutschen Meisterschaften mit dem VfB Stuttgart (1991/92) und FC Kaiserslautern (1997/98) gewann er mit dem VfB noch den DFB-Pokal 1997 und den Supercup 1992. „Verhinderter“ Mathe-lehrer Als Schüler am Geislinger Michelberg-Gymnasium war Buck ein Mathematikgenie – den Leistungskurs absolvierte er mit der Note eins. Dass er später trotzdem nicht wie angedacht Mathe- und Sportlehrer wurde, lag am Freiburger Zweitliga-Vertragsangebot ‘98, das der karrierebewusste Buck ohne längere Bedenkzeit annahm. „Profifußball und Studium ließen sich aus zeitlichen Gründen aber nicht vereinbaren“, erfuhr Buck. Auf die Ausbildung zum Pädagogen verzichtete er deswegen. Treff der Ehemaligen Kontakte zu ehemaligen Stuttgarter Mitspielern wie Karl Allgöwer, Guido Buchwald und Maurizio Gaudino (VfB) unterhält Buck bis heute – man trifft sich schließlich zu Spielen der VfB-Traditionsmannschaft. Auch Ex-Kicker aus Kaiserslautern sieht Buck hin und wieder – manchmal beim Brasilianer Ratinho (42), der nicht nur Nachwuchstrainer, sondern seit 2012 in der Stadt auch Inhaber des Steakhauses „Sabor Brasil“ ist. Zeitmangel Zur Traditionsmannschaft des VfL Kirchheim zählt Buck ebenso. „Allerdings konnte ich frühere Einladungen zum ein oder anderen Einlagespiel aus zeitlichen Gründen nicht annehmen“, sagt er.Derzeit sind die Kontakte zum letzten Amateurverein seiner Fußball-Laufbahn etwas eingeschlafen. top