Lokalsport

Mitglieder geben grünes Licht

68 Prozent für neue Variante des VfL-Vereinszentrums – Rekordbeteiligung bei Abstimmung

Das Sportvereinszentrum des VfL Kirchheim kann gebaut werden – so die Banken mitziehen. Mit einem klaren Votum von 68 Prozent der abgegebenen Stimmen für die geänderte Planung haben die Mitglieder am Freitagabend den Weg frei gemacht. Nun kann abschließend mit den Kreditgebern verhandelt werden.

Vfl Kirchheim Hauptversammlung, Beschlussfassung, Neubau, Doris Imrich und
Vfl Kirchheim Hauptversammlung, Beschlussfassung, Neubau, Doris Imrich und

Kirchheim. Der Abend begann mit einem Rekord: 171 Mitglieder bei einer Hauptversammlung, das hatte es beim VfL so noch nicht gegeben. Auch nicht am 9. Dezember vor zwei Jahren, als der Vorstand des Vereins zum ersten Mal über das bisher gewaltigste Projekt seiner Geschichte abstimmen ließ. Seitdem hat sich einiges verändert. Das Baugrundstück ist ein anderes, das Gebäude ist kleiner und die Bausumme geringer geworden. Geblieben ist der feste Wille des Vereins zum Wandel. Statt eine Viertelmillion Euro in ein dringend sanierungsbedürftiges Vereinsgebäude am Stadion zu stecken, soll an selber Stelle für knapp vier Millionen ein neuer Komplex mit einem modern ausgestatteten Trainingsbereich für Kraft und Ausdauer, Kursräumen, Sauna und einer zeitgemäßen Geschäftsstelle entstehen.

Ein Vorhaben, das vom ersten Tag an von Widerständen und Zweifeln begleitet wurde. Ein Millionenprojekt ausschließlich über Schulden zu finanzieren, provoziert zwangläufig die Frage: Was geschieht, wenn‘s schief läuft? Wie schon vor zwei Jahren war dies auch am Freitag die am häufigsten geäußerte Sorge unter Mitgliedern. Kopfzerbrechen, das unbegründet ist, so man den vorgestellten Zahlen vertraut. Für die Wirtschaftsexperten der Beraterfirma Flowcon, die Hand in Hand mit dem Württembergischen Landessportbund (WLSB) die Planungen begleiten, ist das Unternehmen eine sichere Bank. Die Zahl der Nutzer, die für eine Auslastung sorgen soll, sei deutlich niedriger angesetzt als die Marktanalyse prophezeie, versicherte Flowcon-Sprecher Winfried Möck, nachdem Architekt Thomas Duttlinger die geänderte Planung vorgestellt hatte. Möck: „Wir halten das Risiko für äußerst gering.“

Demnach soll die Zahl der Mitglieder, die im neuen Vereinsheim aus- und ein gehen werden, von 400 im ersten Geschäftsjahr bis auf 1 300 nach fünf Jahren anwachsen. Die Gewinnschwelle liegt bei 1 100 Mitgliedern. Nach dem dritten Geschäftsjahr schreibt das Vereinszentrum demzufolge schwarze Zahlen. Eine Erwartung, die zumindest ein Teil der beteiligten Vertreter von Volksbank und Kreissparkasse anzweifelt. Bisher fehlt noch immer die Zusage der Kreditgeber, ohne die der Bau nicht möglich ist. Kirchheims OB Angelika Matt-Heidecker ist trotzdem fest überzeugt, dass es gelingen wird, die Finanzierung in den kommenden Monaten sicherzustellen. Ziel ist es, das Finanzierungspaket im September dem Gemeinderat vorzulegen. „Es gibt viele positive Signale“, meinte die Rathauschefin am Abend nach der Beschlussfassung. Eines davon kommt aus dem Stuttgarter Regierungspräsidium. Bei Gesprächen vor zwei Wochen fiel dort die Zusage, der städtischen Bürgschaft in Höhe von 800 000 Euro, die die Banken als Sicherheit fordern, den behördlichen Segen zu erteilen.

Wie sehr auch die Stadt am Tropf eines funktionierenden Gemeinwesens hängt, unterstrich Matt-Hei­decker mit einem flammenden Plädoyer für mehr Mut und Solidaritätssinn in den Vereinen. Als die Stimmung erneut zu kippen drohte, ergriff sie als Zuhörerin und Vereinsmitglied das Wort. „Der VfL wird nicht überleben, wenn wir nicht gemeinsam den Mut haben, neue Wege zu gehen,“ lautete der Appell.

Nimmt man die Rathauschefin beim Wort, dann ist der VfL Kirchheim mit seinen 4 000 Mitgliedern dem Tod am Freitag noch einmal von der Schippe gesprungen. 117 der 171 Anwesenden stimmten für den Bau, bei 47 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Zwei der abgegebenen Stimmzettel waren ungültig.

Kommentar Gefühlte Fakten

Gefühlte Fakten

Mut kann man nicht beschließen. Man hat ihn oder man hat ihn nicht. Genauso wie sich diffuse Bedenken durch noch so klare Prognosen nicht einfach aus der Welt schaffen lassen. Wenn es mehr um Gefühl als um verlässliche Fakten geht, wird Konsens schwierig. Zumal dann, wenn es nicht um Peanuts, sondern um ein Millionenprojekt geht.

Die Diskussion über den Bau des geplanten Sportvereinszentrums zeigt, dass sich in der Vereinslandschaft nicht nur das Freizeitverhalten ändert. Vereine sind mehr und mehr als Dienstleister gefragt, die unternehmerisches Risiko tragen, auf Märkte reagieren und in ihre Zukunftsfähigkeit investieren müssen. Wer diesen Zug verpasst, der blutet auf Dauer aus, so nicht alle Studien lügen. Mit diesem rasanten Wandel tun sich viele schwer, für die der Verein ein Leben lang Beständigkeit bedeutete, während draußen in der Welt der Fortschritt tobte. Wenn schon Veränderung, mag sich manch einer denken, dann bitte ohne Risiko. Dabei sprechen die Marktprognosen eine klare Sprache und legen den Schluss nahe, dass in 20 Jahren vermutlich niemand mehr über Sinn oder Unsinn vereinseigener Bewegungszentren diskutieren wird.

Der Abend hat jedenfalls gezeigt: Obwohl das klare Votum nun alle Türen öffnet, gibt es keinen Grund zu Feiern. Die Skeptiker sind nach wie vor in der Überzahl, bezeichnenderweise auch unter denen, die am Freitag zum zweiten Mal mit Ja gestimmt haben. Von Aufbruchstimmung und Wir-Gefühl ist in Kirchheim bisher kaum etwas zu spüren. Dabei wäre dies der erste Schritt zum wirtschaftlichen Erfolg. Viel wichtiger als alles Zahlenwerk ist deshalb die Frage: Gelingt es, das Zukunftsprojekt als gemeinsames Kind zu hegen, als eine Bereicherung der oft zitierten VfL-Familie? Frontfrau Doris Imrich und ihre Gefolgschaft haben noch viel Arbeit vor sich.            Bernd Köble