Kirchheim. Auf sein Glanzjahr angesprochen, blickt Werner Bodamer mit leuchtenden Augen zurück. Damals fuhr der Abonnementssieger in Württemberg voller Erwartungen zu den deutschen Meisterschaften im Münchner Zirkus-Krone-Bau – und erfüllte sie voll: Nach vier Siegen hatte er im Freistil den Titel in der Tasche. „Ich hatte einen speziellen Griff im Repertoire, den ich selbst erfunden habe. Mit dem habe ich in München alle Gegner ziemlich überrascht“, sagt Bodamer. Es war der erste große Triumph des VfL-Heroen und der Durchbruch in die nationale Spitzenklasse. In der Folge geriet Bodamer, der sich ein Jahr lang ohne Trainer intensiv auf die DM vorbereitet hatte, sogar zum aussichtsreichen Olympia-Kandidaten: Nur noch ein einziger Turniersieg trennte ihn jetzt von der Qualifikation für Rom 1960.
Es war beim gesamtdeutschen Olympia-Ausscheidungsturnier im ostdeutschen Leuna, wo der ehrgeizige West-Meister Bodamer auf den ebensolchen Ost-Meister Martin Heinze (SC Chemie Halle) traf. Im entscheidenden Weltergewichts-Duell konnte von Waffengleichheit keine Rede sein. „Die Kampfrichter kamen hauptsächlich aus osteuropäischen Ländern“, erinnert sich der Kirchheimer. Deswegen wähnte er sich von Kampfbeginn an im Nachteil. Am Ende verlor er nach Punkten – ein empfindlicher Nackenschlag für den Ehrgeizling. Es gab damals noch einen zweiten Aspekt, der den Schwaben im Ost-West-Duell in Sachsen-Anhalt bitter aufstoßen ließ: das „Ausspionieren“ seiner bevorzugten Griffe und Techniken im unmittelbaren Vorfeld des Qualifikationsduells. „Bei der deutschen Meisterschaft in München standen Betreuer von Heinze bei all meinen Kämpfen am Mattenrand und haben sich fleißig Notizen gemacht“, erinnert sich Bodamer. Bis heute ärgert sich der Veteran über diese Aktion – weil sich die DDR-Leute damit den wohl entscheidenden Vorteil verschafften. „Umgekehrt wusste ich von meinem Gegner überhaupt nichts, weil unsere West-Funktionäre ja nicht bei den DDR-Titelkämpfen waren“, wie Bodamer seinerzeit genervt erfuhr („ich war sauer“). Und so fuhr schließlich nicht er, sondern Heinze nach Rom – ein schwarzer Tag für den VfL-Star, der abends zutiefst frustriert nach Hause telefonierte.
Trotz des unglücklichen Olympia-Aus erlebte Werner Bodamer 1960 das beste Jahr seiner langen Ringer-Karriere, die 1948 begonnen hatte und erst 30 Jahre später (wegen einer Hüftarthrose) endete. Jeweils zwei gewonnene Medaillen bei deutschen und süddeutschen Meisterschaften im Freistil beziehungsweise Griechisch-Römisch ließen Bodamer die verpasste Rom-Reise etwas verschmerzen. Bodamer war damals „so fit wie nie in meinem Leben“ – Fitness, die auch der tatkräftigen Mithilfe seiner Ehefrau Margrit zu verdanken war. Im Olympia-Qualifikationsjahr hatte die süddeutsche Skilanglauf-Meisterin mit ihm zusammen zahlreiche gemeinsame Trainingseinheiten auf der Schwäbischen Alb absolviert. Die intensive Konditionsbolzerei „fast jeden Tag“ lohnte sich schließlich für ihn. 1960 war er einer der absoluten Ringer-Größen hierzulande, und in Kirchheim genoss er so großes Ansehen fast wie Altbürgermeister Franz Kröning.
In Bodamers Glanzjahr klopfte so mancher Bundesligist bei ihm an, doch er, in Kirchheim später auch als langjähriger Schwimmmeister bekannt, blieb der VfL-Ringerabteilung erhalten. Bis auf den heutigen Tag. „Ringer-Kämpfe der KG Kirchheim/Köngen besuche ich regelmäßig“, sagt er, „es sei denn, sie finden in Köngen statt. Abends fahre ich wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse nicht gerne Auto.“ Rekordverdächtige 64 Jahre ist er inzwischen VfL-Mitglied. Mit seiner langen Titelsammlung schlägt den bodenständigsten VfL-Spitzensportler ebenfalls kaum jemand: Neben einem ersten, einem zweiten und drei dritten Plätzen bei deutschen Meisterschaften jubelte er allein ein Dutzend Mal bei württembergischen Titelkämpfen. Auswahlringer war er dank seiner nationalen Erfolge auch – einige Male wurde er zu Ländervergleichen im Ausland berufen.
Heute ist Werner Bodamer 79 Jahre alt, und die enge Verbundenheit zum Sport ist ihm geblieben. Doch neben dem „Fernsehsportler“, der die bevorstehende Winterolympiade in Sotschi intensiv verfolgen wird, ist der wohl fitteste Kirchheimer des Jahrgangs 1934 auch stets ein aktiver Hobbysportler geblieben. Fahrradfahren steht bei den Bodamers öfters auf dem Programm, und auch schon mal Skifahren im Montafon.