Lokalsport

Teuer erkaufter Sieg

Über Stefan Schumachers DM-Start entscheiden heute die Ärzte

Stefan Schumacher hat die Rückkehr aufs Siegerpodest am Sonntag teuer bezahlt. Bei seinem schweren Sturz auf der Schlussetappe der Serbien-Rundfahrt zog sich der Nürtinger heftige Arm- und Kopfverletzungen zu. Sein ­erster Gesamtsieg seit fünf Jahren wurde dabei fast zur Nebensache.

ROT  //    2. von links Stefan Schumacher (Deutschland / Team Christina Watches)  - 6. Etappe Lujan - Quines - Tour de San Luis
ROT // 2. von links Stefan Schumacher (Deutschland / Team Christina Watches) - 6. Etappe Lujan - Quines - Tour de San Luis in Argentinien 2012 - © H. A. ROTH-FOTO - 50259 PULHEIM - Telefon 02238-962790 - www.Roth-Foto.de - Weitere Fotos in der Bilddatenbank www.Augenklick.de und www.Roth-Foto.de , NUR DEUTSCHLAND - *** Local Caption *** - copyright by: ROTH-FOTO , Im Wiesengrund 28 , 50259 Pulheim , Raiffeisenbank Frechen-H¸rth , BLZ 37062365 , Kto. 3000518017 , Tel.+49-(0)2238-962790 , Abdruck + jede Verwendung honorarpflichtig. Honorar ist MwSt-pflichtig: + 7% MwSt. Veroeffentlichung ausschliesslich fuer journalistisch-publizistische Zwecke. Verwendung bedingt das Einverstaendniss unserer AGBs: AGBs unter: www.Roth-Foto.de

Nürtingen. Radsportler sind bekanntlich hart im Nehmen. Stürze gehören ebenso zum Alltag wie der erbitterte Kampf gegen Regen, Wind und Kälte. Beide Seiten seines Sports kennt Stefan Schumacher zur Genüge. Vergangenes Jahr brach er sich bei einem Sturz die Schulter, fuhr danach noch mehrere Rennen, bis es gar nicht mehr ging. Was sich am Sonntag im 38 Grad heißen Glutofen von Belgrad abspielte, war allerdings auch für ihn zu viel. Bei einem Massensturz 600 Meter vor dem Zielstrich wurde der 30-Jährige von ei­nem Nebenmann gerammt, geriet im Fallen mit dem Arm ins Laufrad des Kollegen und knallte danach mit dem Auge gegen das Lenker-Ende. Erste Diagnose des Streckenarztes: Offener Armbruch, schwere Augenverletzung.

Dass es gar so schlimm am Ende nicht kam, war Glück. Trotzdem befiel ihn ihm Moment nach dem Sturz die nackte Panik. „Das ganze Gesicht war blutüberströmt. Ich glaubte, das Auge sei verloren“, sagt er. Erst im Krankenhaus in Belgrad gaben die Ärzte Entwarnung. Das Auge ist heil, auch wenn das Gesicht dem eines Boxers nach einer üblen Schlägerei gleicht. Am rechten Unterarm, wo eine tiefe Fleischwunde klaffte, ist eine Sehne angerissen. Er ließ sich ein neues Rad unterschieben und fuhr den letzten halben Kilometer mit blutverschmiertem Trikot bis ins Ziel. Schließlich ging es noch um den Gesamtsieg an diesem Tag.

Seinen Start bei den deutschen Straßenmeisterschaften am Wochenende in Grimma hat Schumacher trotzdem noch nicht abgehakt. „Ich sehe links zwar immer noch verschwommen“, sagt er. „Aber bis zum Wochenende ist ja noch etwas Zeit.“ Seine Hauptsorge gilt dem zerschundenen Arm. „Die Wunde ist sehr tief und darf sich nicht entzünden.“ Das letzte Wort haben heute die Ärzte. Auf die will er hören, auch wenn es schwerfällt. Sich am Freitag im Zeitfahren und am Sonntag im Straßenrennen mit der deutschen Elite zu messen, ist verlockend. „Ich habe eben nicht mehr den Luxus, in einem Worldtour-Team zu fahren“, sagt Schumacher. Soll heißen: Er muss sich zeigen – auf Teufel komm raus. Er brennt vor Ehrgeiz, will zurück an die Spitze und ist sich sicher: „Ich weiß, dass ich noch einmal eine Chance bekommen werde.“ Dass er bis dahin auch auf seinen Körper hören muss, hat er inzwischen begriffen. Die gebrochene Schulter, mit der er sich noch wochenlang aufs Rad setzte, bereitet ihm bis heute Prob­leme. Er ist nachdenklicher geworden, spricht von einem Lernprozess. „Vielleicht will ich zu viel.“ Doch das ist leicht gesagt, wenn man im Juli durch Polen fährt, während die gesamte Radsportwelt nach Paris schaut. Dass er die Klasse hat, mit den Besten mitzuhalten, daran glaubt der 30-Jährige fest. Sein vierter Platz bei der stark besetzten Tour de San Luis Ende Januar war ein erster Fingerzeig. Bis März war er in glänzender Form, dann kam die Mexiko-Rundfahrt und der Körper streikte erneut. Große Höhe, schlechte Regeneration, wieder daheim war er mehrfach erkältet und zog sich im Training einen Muskelfaserriss zu.

Bei der Serbien-Tour vergangene Woche fuhr er schließlich stark wie lange nicht. Der erste Rundfahrt-Sieg seit dem Gewinn der Bayern-Rundfahrt vor fünf Jahren. Das war vor seiner Dopingsperre im August 2008. Er sieht sich auf dem richtigen Weg. „Ich weiß, ich habe Fehler gemacht“, sagt er. „Aber ich habe auch viel gelernt.“ Bei seinem jetzigen Team Christina Watches könnte er nach Saisonende gehen, sollte eines der großen Teams bei ihm anklopfen. Die drittklassigen Dänen noch ein weiteres Jahr als Führungsfigur zu begleiten, wäre die Alternative. Es passt menschlich und die Arbeit hier mache ihm Spaß, sagt Stefan Schumacher. Zudem planen die Nordlichter im kommenden Jahr den Aufstieg zum Continental-Pro-Team. Mitte Juli feiert Schumacher seinen 31.  Ge­burtstag. „Ich habe vier Jahre verloren“, meint er. Was er eigentlich sagen will: Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.