Lokalsport

Thermikjagd ohne Taktieren

Tilo Holighaus und Patrick Puskeiler beim Grand-Prix-Finale der Segelflieger

Es ist das Highlight im Segelflugkalender 2011, und die Kirchheimer Fliegergruppe Wolf Hirth hat gleich zwei Eisen im Feuer: Tilo Holighaus und Patrick Puskeiler gehören zum 20-köpfigen Teilnehmerfeld des Grand-Prix-Finales auf der Wasserkuppe, das am heutigen Samstag beginnt.

Tilo Holighaus und Patrick Puskeiler vor Start bei Segelflug-Grand Prix (bei Schempp Hirth Krebenstr. 25)
Tilo Holighaus und Patrick Puskeiler vor Start bei Segelflug-Grand Prix (bei Schempp Hirth Krebenstr. 25)

Kirchheim. Emsiges Treiben herrscht in der Segelflugzeugschmiede Schempp-Hirth in der Kirchheimer Krebenstraße täglich. In den vergangenen Tagen haben die Angestellten noch eine Schippe draufgelegt. Vor allem am Flieger des Chefs wurde ordentlich gewienert und geschraubt, schließlich soll der Ventus 2ax von Tilo Holighaus am Himmel über Hessen zu den schnellsten gehören. Der 42-jährige Geschäftsführer von Schempp-Hirth zählt zum erweiterten Kreis der Favoriten auf einen Podiumsplatz bei einem der prestigeträchtigsten Segelflugwettbewerbe der Welt, dem Grand-Prix-Finale.

Neben Routinier Holighaus (über 4 000 Flugstunden) hat sich mit Pat­rick Puskeiler (2 300) ein weiterer Pilot der Kirchheimer Fliegergruppe Wolf Hirth für das Gipfeltreffen der Thermikjäger qualifiziert, das in dieser Form nach 2005 (Frankreich), 2007 (Neuseeland) und 2010 (Chile) übrigens erst zum vierten Mal stattfindet. Anders als bei normalen Segelflugmeisterschaften gehen die Piloten im Grand-Prix-Modus ähnlich wie in der Formel 1 per Regattastart in die Luftrennen. Wer als Erster die virtuelle Ziellinie überfliegt, gewinnt. „Dadurch ist es für den Laien viel besser nachzuvollziehen“, outet sich Holighaus als Befürworter dieser Wettbewerbsform. „Mir liegt das“, schwärmt er, „um einen Grand Prix zu gewinnen, muss man forscher fliegen als gewöhnlich.“

Auch Patrick Puskeiler, der mit seinen 23 Jahren noch als Segelflug-Junior gilt (die Grenze liegt bei 25), kann dem Grand-Prix-Modus einiges abgewinnen. „Mir gefällt der direkte Vergleich mit den anderen Piloten. Es ist eine gute Abwechslung.“ Die kann er auch gut gebrauchen, schließlich geht‘s nach dem Wettfliegen in der Röhn direkt weiter nach Freudenstadt, wo am 5. August die Junioren-Weltmeisterschaften beginnen. Als bloßen Aufgalopp will Puskeiler das Grand-Prix-Finale allerdings nicht sehen, dafür ist es für ihn eine zu große Ehre, mit seinem Discus 2ax überhaupt dabei zu sein. „Unter die ersten zehn zu kommen wäre ganz gut“, sagt er, der sich bei seinem GP-Debüt vergangenes Jahr in Chile mit Platz zwölf Respekt in der Segelflugwelt verschaffte.

Den hat Tilo Holighaus, in Chile auf Platz sechs, nicht zuletzt wegen seiner Doppelrolle als erfolgreicher Pilot und Geschäftsmann bereits seit Jahren sicher – bekanntlich fliegt die halbe Segelflugwelt Produkte aus dem Hause Schempp-Hirth, auch auf der Wasserkuppe sind verschiedene Ventus- und Discus-Typen vertreten. Da muss der Firmenchef auch schon mal auf technische Nachfragen antworten oder Tipps geben. „Das ist ein gewisser Extradruck, der mir nicht immer gut tut“, seufzt Holighaus, dem bei allen Wettbewerben, bei denen er selbst mitfliegt, stets der Spagat zwischen sportlichem Anspruch und geschäftlichem Interesse gelingen muss. „Ich will nicht Letzter werden“, lacht er, „rechne mir durchaus Chancen aufs Podium aus.“ Ließe er dabei noch die Flugzeuge von Herstellerkonkurrent Alexander Schleicher hinter sich, würde sich das Auftragsbüchlein sicher schnell füllen. Mal ganz abgesehen vom Prestige-Effekt, schließlich ist die Firma Schleicher nur unweit der Wasserkuppe in Poppenhausen beheimatet.

Um auf dem mit 950 Metern höchs­ten Berg Hessens am kommenden Samstag nach acht Wertungstagen ganz vorne zu landen, muss jedoch namhafte Konkurrenz in Schach gehalten werden. Den täglich knapp zweistündigen Flugaufgaben stellen sich unter anderem auch ehemalige Weltmeister wie Giorgio Galetto (Italien) und Alena Netusilova (Tschechien). Stark einzuschätzen auch das dreiköpfige Team aus Frankreich mit Dauerbrenner Didier Hauss, der bereits mehr als 10 000 Flugstunden zu Buche stehen hat.

Vorteil für die Kirchheimer Piloten: Sie kennen die Wasserkuppe aus dem Effeff. „Wir fliegen da oft drüber, kennen uns mit den Gegebenheiten aus“, weiß Tilo Holighaus, der abseits aller sportlichen und geschäftlichen Verpflichtungen während der Wettbewerbswoche auch als Botschafter in Sachen Historie unterwegs sein wird. Im Rahmen des Jubiläums „100 Jahre Segelflug auf der Wasserkuppe“ ist der Kirchheimer mit einer „Minimoa“ vor Ort, die als ältestes Segelflugzeug der Welt gilt. Mit Showflügen auf dem Oldtimer, von dem es weltweit nur noch vier flugfähige Exemplare gibt, will er seinen Beitrag leisten, einem interessierten Publikum das Segelfliegen näherzubringen.