Lokalsport

Tod in Raten

Das Kirchheimer Radrennen fällt zum zweiten Mal wegen Geldmangels aus

Lob allein ist keine Zukunftsgarantie. Das gilt im Berufsleben, im Sport und dort neuerdings auch für das Radrennen auf dem Alleenring. Fünf Jahre nach der ersten Zwangspause 2010 stehen beim GP Kirchheim ­erneut die Räder still. Das ­finanzielle Risiko ist dem ­Veranstalter zu groß geworden.

Anfeuerung fürs Feld: Das wird es in Kirchheim vorerst nicht mehr geben.Foto: Markus Brändli
Anfeuerung fürs Feld: Das wird es in Kirchheim vorerst nicht mehr geben.Foto: Markus Brändli

Kirchheim. Es ist ein langer und weitgehend einsamer Kampf, den Albert Bosler geführt hat. Seit 2007 steht der Vorsitzende des Vereins Radsport Kirchheim (RSK) als Strippenzieher hinter dem Rennen auf dem Alleenring. Ein Rennen, das 1985 zum ersten Mal stattfand, damals noch im Gewerbegebiet in der Bohnau, später als sportlicher Jahreshöhepunkt im Herzen der Kirchheimer Altstadt. Als Bosler nach dem Ruder griff, schrieb man das Jahr eins nach dem Fuentes-Skandal, der den dopingverseuchten Radsport seines letzten Kredits beraubte. Der Veranstalter machte aus der Not eine Tugend, verzichtete auf große Namen mit zweifelhafter Vergangenheit und machte das Rennen wieder zu dem, was es einmal war: eine Bühne für den Amateursport. Ein Schwenk, der dem RSK nicht nur das Lob der Sportler für gute Organisation und eine attraktive Kulisse einbrachte, sondern auch eine weiterhin klamme Kasse. 2010 zog der Veranstalter erstmals die Reißleine, nachdem Sponsoren der Veranstaltung den Rücken gekehrt hatten und im Februar plötzlich 10 000 Euro im Etat fehlten.

Fünf Jahre und vier erfolgreiche Rennen später steht die Veranstaltung endgültig vor dem Aus, nachdem der Verein im Vorjahr, wie Bosler betont, mit einem blauen Auge davongekommen sei. 2015 ist ihm und seinen Mitstreitern das Risiko zu groß geworden. Von drei Sponsoren gebe es bisher nur mündliche Zusagen, sagt er. „Wir greifen das Thema erst wieder auf, wenn wir mit schwarzen Zahlen in den Startlöchern stehen.“ Das klingt nach Kampfansage, doch Vertraute haben beim Frontmann in Sachen GP Kirchheim längst Müdigkeit ausgemacht. Zumal Bosler und der RSK ein zweites Eisen im Feuer haben, das sich offenbar leichter schmieden lässt. Der Gruibinger Albtraufmara­thon für Mountainbiker, den der Verein mit seinen 64 Mitgliedern in diesem Jahr zum dritten Mal ausrichtet, soll 2017 DM-Strecke werden. Der Bund Deutscher Radfahrer hat dem RSK im Rahmen der Breitensport-Veranstaltung die Ausrichtung der deutschen Marathon-Meisterschaften übertragen. „Der Albtraufmarathon ist berechenbarer“, sagt Bosler. Der Grund: Hier können Startgelder vom Veranstalter festgelegt werden, während im Straßenrennsport der Verband enge Grenzen setzt. Bei zuletzt mehr als 500 Teilnehmern in Gruibingen ein schlagendes Argument.


Verlustgeschäft

John Degenkolb hat am vergangenen Sonntag Paris-Roubaix gewonnen, und kaum einer hat es gemerkt. Der 26-Jährige aus Gera ist der erste Deutsche seit 119 Jahren, der den als schwerstes Radrennen der Welt untertitelten Höllenritt übers Kopfsteinpflaster für sich entschied. Kein Zufall, denn Degenkolb gewann drei Wochen zuvor auch den Klassiker Mailand–San Remo und gilt seitdem als die personifizierte Hoffnung auf einen neuen deutschen Radsporthelden, der vor allem eines sein soll: sauber.

Von den historischen Triumphen des 26-Jährigen war im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts zu sehen. Dabei kämpft die Generation der Kittels, Martins und Degenkolbs schon seit Jahren beharrlich um verloren gegangenes Vertrauen. Der Weg des Radsports zurück auf die große Bühne ist ein steiniger, zumindest hierzulande. Daran wird auch die angekündigte Rückkehr von ARD und ZDF zur Tour de France in diesem Jahr wenig ändern. Wo millionenschwere Teams, internationale Fernsehgelder und kilometerlange Werbekarawanen fehlen, bleibt Radsport ein Verlustgeschäft. Das trifft lokale Veranstalter wie hier in Kirchheim, vor allem aber den Nachwuchs im Amateurbereich.

Man sagt, der Radsport sei die einzige Sportart, die den Zuschauer adelt. Weil er zu den Menschen kommt und nicht umgekehrt. Seit jeher kostenlos und im wörtlichen Sinn zum Anfassen. Solche Sätze klingen ehrenhaft, aber sie füllen keine Kassen. Wer als lokaler Veranstalter Erfolg haben will, braucht eine breite Basis hinter sich, ein Heer von Idealisten und ein Umfeld, das Begeisterung mit Tatkraft gleichsetzt. All dies gibt es in Kirchheim zur Stunde nicht. BERND KÖBLE