Lokalsport

Unterricht in der VIP-Lounge

Fußball Das VfB-Nachwuchstalent Frederik Schumann aus Oberlenningen spielt in der U16-Nationalmannschaft. Seit September wohnt er im Internat und besucht die Kolping-Akademie in Fellbach. Von Anke Kirsammer

Der Oberlenninger Frederik Schumann spielt nicht nur beim VfB, sondern auch bei U16-Länderspielen wie hier gegen Italien als Lin
Der Oberlenninger Frederik Schumann spielt nicht nur beim VfB, sondern auch bei U16-Länderspielen wie hier gegen Italien als Linksverteidiger. Sein nächstes Ziel ist, nächstes Jahr bei der U17-Europameisterschaft in Irland aufzulaufen.Foto: Imago/Baumann

Frederik Schumann hat jeden Tag die Mercedes-Benz-Arena vor Augen. Das Stadion, in dem die Profis des VfB Stuttgart ihre Gäste empfangen, liegt nicht nur einen Steinwurf von seinem neuen Zuhause in Bad Cannstatt entfernt. Wenn Freddy das vereinseigene Internat an der Mercedesstraße betritt, läuft er täglich in das voll besetzte Stadion ein. Das zumindest spiegelt ein großformatiges Banner auf der Eingangstür vor. Ob der Oberlenninger Linksverteidiger jemals selbst als Profi in dem Bundesligastadion gegen den Ball treten wird, ist zwar offen. An der Realisierung seines Traums arbeitet der 15-Jährige aber seit seiner frühen Kindheit. Beim TSV Oberlenningen kickte er nur ein dreiviertel Jahr, mit vier wechselte er zum VfL Kirchheim, zwei Jahre später zu den Stuttgarter Kickers, und seit 2014 spielt das Fußballtalent beim VfB Stuttgart. Offiziell ist Freddy dort Mitglied im U17-Kader. Als Stammspieler kämpft er aber meist Wochenende für Wochenende mit der U16 um den Erhalt der Tabellenspitze in der Oberliga. Vergangenes Jahr ging es für den Oberlenninger weiter aufwärts: Im Mai kam die erste Einladung zur U15-Nationalmannschaft. „Das ist schon was Besonderes, wenn man einer von 20 ist, die da mit dürfen. Das ist auch vom Feeling her noch mal anders als beim VfB“, sagt Freddy. Das gilt für die Geschwindigkeit auf dem Platz, das deutlich größere Betreuerteam des Deutschen Fußballbundes (DFB), aber auch für die Stimmung im Stadion. Bei Spielen mit dem VfB kommen ungefähr 200 Zuschauer, die Nationalmannschaft lockt auch mal über 2 000 Besucher an. Mittlerweile gehört Freddy zum Team der U16-Nationalmannschaft. Sein nächstes Ziel ist, 2019 bei der U17- Europameisterschaft in Irland auflaufen zu dürfen.

Schule und Sport lassen sich besser unter einen Hut bringen, seitdem er das Internat des VfB besucht, in dem einst auch Berkay Özcan und Joshua Kimmich ein- und ausgingen. Als Freddy noch das Ludwig-Uhland-Gymnasium in Kirchheim besuchte, waren lange Tage die Regel: Morgens um 6.30 Uhr verließ er in Oberlenningen das Haus. Erst gegen 21 Uhr war er wieder zurück. „Die Sporttasche hatte ich immer dabei. Da kamen die Schulsachen rein“, erzählt der 15-Jährige, der David Alaba sein Vorbild nennt. Nach der Mittagschule setzte er sich meist in die S-Bahn, um in Bad Cannstatt pünktlich um 17.30 Uhr auf dem Trainingsplatz zu stehen. „Für Hausi und Lernen blieben nicht viel Zeit“, sagt er im Rückblick. „Da war ich abends oft zu kaputt. Im Internat habe ich jetzt weniger Stress“, so Freddys eindeutiges Resümee. Einen der begehrten Plätze bot der VfB der Familie bei der Vertragsunterzeichnung an. Dazu müsse der Wohnort der Spieler auch ein Stück entfernt sein, erklärt die Mutter Evelyn Schumann. Sie empfindet das Internat als riesige Unterstützung. Dass von klein auf neben dem Fußball wenig Zeit für anderes blieb, sieht sie gelassen. „Egal wie hoch das Pensum war, Freddy hatte in jeder freien Sekunde den Ball am Fuß“, sagt sie lachend.

Zusammen mit anderen Jungs, die im Internat wohnen, besucht Freddy seit September die Kolping-Akademie in Fellbach, die mit dem VfB eine Partnerschaft eingegangen ist. Schule und Fußball sind nun eng verzahnt. Sieben Mal pro Woche wird trainiert. „Das würde so von zu Hause aus gar nicht mehr gehen“, betont der Oberlenninger, dem es lediglich in der ersten Zeit etwas schwergefallen ist, nicht mehr bei seiner Familie zu wohnen. Montags, dienstags und donnerstags dauert der Vormittagsunterricht für Freddy und die anderen „Jungen Wilden“ nur zweieinhalb Stunden. Kleinbusse des VfB holen die Jugendlichen um 10.30 Uhr an der Schule ab. Von 11 bis 12 Uhr ist Training, an dem nur die teilnehmen, die in Fellbach zur Schule gehen. Anschließend gibt es für die derzeit 18 Bewohner Mittagessen, das der Koch des Internats nach einem strengen Essensplan zubereitet. Fleisch und Nudeln bringt er besonders häufig auf den Tisch. Zweimal im Monat darf‘s auch mal ein Burger oder ein Döner sein.

Fünf Minuten zum Training

Zwischen dem Internat und dem Trainingsplatz liegen nur fünf Minuten. Nachmittags büffelt der VfB-Nachwuchs drei Stunden auf dem VfB-Gelände oder dort, wo sich während Bundesliga-Spielen die Prominenz versammelt. Die Lehrer reisen für den Nachmittagsunterricht extra an. Werden die Schulbücher in der VIP-Lounge zugeklappt, sind alle Hausaufgaben erledigt. Namen derjenigen, die dort samstags mit Champagner anstoßen und edle Häppchen gereicht bekommen, kennt der 15-Jährige nicht.

Überhaupt liegen ihm Allüren fern. Das zeigt sich, wenn er im Nationaldress wie kürzlich in Ulm beim Match gegen Italien seine Mitspieler abgeklärt mit Eckbällen oder Freistößen bedient, aber auch abseits vom Fußballplatz. „Freddy würde nie im VfB-Trikot oder im Trainingsanzug der Nationalmannschaft durch den Ort laufen oder damit in die Schule gehen“, sagt seine Mutter. Ihr ist es wichtig, dass ihr Sohn bei allem Erfolg auf dem Boden bleibt. Dazu gehört auch ein ordentlicher Schulabschluss: In zwei Jahren will der Elftklässler in Fellbach sein Abi machen. Freddys eigentliches Ziel ist aber klar: „Fußball-Profi werden. Was sonst?“

Seine Trophäensammlung daheim ist schon jetzt beachtlich. Freddy Schumann träumt vom ganz großen Erfolg.Foto: Carsten Riedl
Seine Trophäensammlung daheim ist schon jetzt beachtlich. Freddy Schumann träumt vom ganz großen Erfolg.Foto: Carsten Riedl