Lokalsport

„Wir haben keine Chance, aber die müssen wir nutzen“

Der neue VfL-Fußballtrainer Markus Schweizer sieht die Mannschaft durchaus in der Lage, den Klassenerhalt in der Bezirksliga noch zu schaffen

Er ist der siebte VfL-Trainer in zwei Jahren und hat den wohl schwersten Job von allen: Markus Schweizer soll Kirchheims Fußballer vor dem Abstieg aus der Bezirksliga bewahren. Wie, das verrät der 29-jährige ­Polizeiobermeister aus Hohenstaufen im Interview.

"Das erste Punktspiel gegen Neuhausen am 8. März ist unser D-Day": VfL-Neu-Coach Markus Schweizer findet klare Worte. Foto: Jean
"Das erste Punktspiel gegen Neuhausen am 8. März ist unser D-Day": VfL-Neu-Coach Markus Schweizer findet klare Worte. Foto: Jean-Luc Jacques

Laut eines Steckbriefs Ihres Ex-Clubs SC Geislingen machen Gegentore Sie rasend – muss man sich angesichts von bislang 49 Gegentreffern für den VfL ab sofort Sorgen um Ihren Blutdruck machen?

Markus Schweizer: „Als Abwehrspieler peile ich immer die Null an, da jedes Gegentor mich trifft. Darum gewinne ich auch lieber 1:0 als 4:1. An dem Spruch, dass man in der Offensive Spiele gewinnt, aber in der Defensive Meisterschaften, ist für mich absolut was dran.“

Seit dieser Woche leiten Sie das Training beim VfL. Wie ist der erste Eindruck von der Mannschaft?

Schweizer: „Sehr positiv, gerade auch die Neuzugänge haben eine gute Qualität. Ich war begeistert vom Tempo und der Zweikampfführung. Für mich ist die Mannschaft absolut bezirksligatauglich.“

Zuckerbrot oder Peitsche – auf welche Art Trainer müssen sich die Spieler einstellen?

Schweizer: „Ich würde sagen, auf beides.“ (lacht)

Und welches System wollen Sie in Kirchheim spielen lassen?

Schweizer: „Ich habe klare Vorstellungen von einem dominanten, offensiv ausgerichteten Fußball. Den kann man sowohl mit einem 4-4-2 als auch einem 4-2-3-1 spielen.

Sie sind der siebte Trainer beim VfL in zwei Jahren, bereits der zweite in der laufenden Saison. Für die erste Station als Trainer gäbe es sicher leichtere Pflaster . . .

Schweizer: „Mich hat der VfL einfach gereizt, zumal ich ein großer Freund von Traditionsvereinen bin. Als ich das Buch, das der VfL zum 100-jährigen Bestehen rausgegeben hatte, zum ersten Mal durchblätterte, habe ich eine Gänsehaut bekommen. Und was Oli Klingler und Claus Maier in den letzten Wochen bewegt haben, hat mich echt beeindruckt. Wenn man den VfL als Patienten im Koma sieht, bin ich doch gerne bereit zu helfen.“

In der Bezirksliga ist in den vergangenen fünf Jahren die Mannschaft, die zur Winterpause auf dem letzten Platz stand, auch am Saisonende abgestiegen. Wie kann der VfL diese Serie durchbrechen?

Schweizer: „Mit 100 Prozent Leidenschaft, weil Leidenschaft am Ende den Unterschied macht. Ich persönlich freue mich schon tierisch darauf, zum ersten Mal das VfL-Trikot tragen zu dürfen. Das macht mich stolz, und das erwarte ich auch von den Spielern. Dass es mit dem Klassenerhalt sehr schwierig wird, ist mir natürlich klar. Man muss es wahrscheinlich wirklich ganz platt sehen: Wir haben keine Chance, aber die müssen wir nutzen. In meiner Antrittsrede vor der Mannschaft am vergangenen Montag habe ich gesagt, dass wir in den sieben Wochen Vorbereitung alles rausholen müssen. Das erste Punktspiel am 8. März gegen Neuhausen ist für uns dann D-Day, da muss ein Sieg her, diesen Bock müssen wir einfach umstoßen. Damit setzt man dann im besten Fall eine Eigendynamik in Gang, mit der wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen können und auch wieder mehr Zuschauer anlocken.“

Viele sind der Meinung, dass in der Bezirksliga noch vieles über Kameradschaft und Kampfgeist funktioniere. Könnte das auch für den VfL der Schlüssel zum Erfolg sein?

Schweizer: „Da bin ich mir sicher. Wenn gegen Ende eines Spiels die Kräfte nachlassen, kann man die entscheidenden Körner dadurch mobilisieren, in dem man sich sagt: Jetzt geb‘ ich für meinen Vordermann noch mal alles. Über den Kampf kann man viel erreichen.“

Sie sind vor dem Jahreswechsel vom TSV Weilheim zum VfL gewechselt. Warum verlässt man einen Verein, mit dem man die Chance hat, in die Verbandsliga aufzusteigen und schließt sich einem Abstiegskandidaten in der Bezirksliga an?

Schweizer: „Dass ich und mein Bruder in Weilheim am Schluss nicht mehr zufrieden waren, ist ja kein Geheimnis. Für mich war und ist der VfL als Einstieg in die Trainerrolle einfach optimal. Hier kann ich etwas bewegen, auch langfristig. Denn ich werde auch im Falle eines Abstiegs in Kirchheim bleiben.“

Kann man denn irgendwas vom Weilheimer Erfolgsrezept auf den VfL übertragen?

Schweizer: „Ja, einen Großteil des Teamspirits, der war in Weilheim immer sehr ausgeprägt.“

Ähnlich wie in Weilheim ist die Verantwortung in Sachen Abteilungsleitung nun auch auf mehrere Schultern verteilt. Wie ist Ihr Eindruck vom neuen VfL-Führungsquartett?

Schweizer: „Man merkt sofort, dass die handelnden Personen sich einig sind. Bei der Mitgliederversammlung vorletzten Freitag war es für mich fast schon sinnbildlich, wie sich alle in das kleine Nebenzimmer gedrängt haben. Das hatte für mich was von „Zusammenrücken“. Da hat man auch gemerkt, dass die Basis für ein erfolgreiches Arbeiten vorhanden ist.“

Unabhängig davon: Gibt es für den Fall des Abstiegs bereits einen Plan B, vor allem, was den Kader angeht?

Schweizer: „Wir werden die ersten drei, vier Spiele abwarten, wenn eine Tendenz erkennbar ist, wohin es geht. Dann kann man ab März Gespräche mit den Spielern und mit potenziellen Neuzugängen führen. Ich will ja schließlich wissen, mit was für einer Mannschaft ich nächste Saison spielen kann.“

Über Deggingen, Rechberghausen, Geislingen und Weilheim zum VfL

Das Fußballspielen lernte der am 21. Dezember 1985 geborene Markus Schweizer (Foto: Jean-Luc Jacques) beim TV Deggingen, wo er alle Jugendmannschaften durchlief und auch sein erstes Aktivenjahr bestritt. Mit seinem zweiten Verein, dem FC Rechberghausen, stieg er 2011 in die Bezirksliga auf, wechselte aber noch vor Beginn der Saison 11/12 zum Landesligisten SC Geislingen, wo er drei Jahre lang spielte und insgesamt sieben Tore erzielte. Vor Beginn der aktuellen Spielzeit heuerte Schweizer beim TSV Weilheim an, wo Zwillingsbruder Michael, mit dem er in Hohenstaufen wohnt, bereits dem Ball nachjagte. Ende Dezember verließen beide den Landesligaspitzenreiter Richtung VfL Kirchheim, wo „Magge“, wie er gerufen wird, als Spielertrainer fungiert. Bald B-Trainer: Schweizer besitzt den Trainerschein „C-Lizenz Breitensport“, beginnt im Februar an der Sportschule Ruit mit der Ausbildung zum B-Trainer, die auf insgesamt dreieinhalb Wochen ausgelegt ist. Als größten Erfolg sieht Schweizer neben dem Bezirksligaaufstieg mit Rechberghausen das Achtelfinalspiel im WFV-Pokal zwischen Geislingen und der SG Sonnenhof-Großaspach in der Saison 2013/14. Vor rund 600 Zuschauern hatten Schweizer und der SCG den favorisierten Regionalligisten am Rande einer Niederlage, mussten sich nach zwischenzeitlicher 1:0-Führung jedoch 1:3 geschlagen geben. Die schmerzhafteste Niederlage verbindet der Polizeiobermeister mit einer Verletzung im August 2012, als er sich bei der Geislinger 1:7-Niederlage gegen Bargau einen Bänderriss und einen Syndesmosebandanriss zuzog, was eine halbjährige Pause bedeutete.pet