Lokalsport

Zwischen Gedenken und Siegesambitionen

Nach dem Unfalltod von Klaus Lenhart sind die Hahnweid-Segelflieger in Sicherheitsfragen sensibilisiert

Hahnweide, Impressionen vom Hahnweidwettbewerb - Steve Jones
Hahnweide, Impressionen vom Hahnweidwettbewerb - Steve Jones

Steigt man als Segelflieger zweieinhalb Wochen nach dem schrecklichen Unfalltod von Klaus Lenhart vorsichtiger ins Cock-

pit als vorher? Man tut es – sagt Ulf Merbold (70). Den Stuttgarter, der sich 1983 als erster Bundesrepublikaner ins Weltall schießen ließ und

der derzeit auf der Hahnweide in der 18-Meter-Klasse auf Punktejagd geht, zwang der Absturz zu erhöhter Wachsamkeit in den letzten Tagen. „Man schaut sich das Segelflugzeug kurz vor dem Abflug jetzt noch viel genauer an“, sagte Merbold gestern.

Auch an Tag drei des Wettbewerbs diskutierten sie noch immer über die Ursachen des Kunstflugunfalls, der in die Nachrichtenwelt engeschlagen war wie eine Bombe: ob, wenn menschliches Versagen ausgeschlossen werden könne, eine marode Kraftstoffzuleitung oder ein jäher Motorkollaps den Absturz der generalüberholten Maschine kurz nach dem Abheben bewirkt hätte. Licht ins Dunkel soll die ermittelnde Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen in Braunschweig bringen, doch deren Urteil steht weiter aus. „Insofern sind alles noch reine Spekulationen“, sagt Hahnweid-Pressesprecher Rainer Rauch.

Viel mehr Statements gibt es von den Hahnweid-Offiziellen in diesen Tagen nicht: es fehlt an gesicherten Fakten. Noch schwerer mit Enschätzungen tut sich so mancher Pilot im internationen Starterfeld. Denn Einige haben vom jüngsten Flugunfall erst direkt nach Hahnweid-Ankunft erfahren.

Der Brite Steve Jones bekam die Schreckensnachricht zwei Tage nach dem Vorfall am Telefon: anlässlich eines geschäftlichen Gespräches mit einem Mitarbeiter der Firma Schempp-Hirth. Jones („ich bin selbstständiger Luftfahrtingenieur in Newbury, mache Wartungsarbeiten und verkaufe für Schempp-Hirth in England Flugzeuge“) kannte den verunglückten Fliegerkollegen zwar nicht persönlich, war aber bestürzt. Auch deshalb, weil Hobby-Kunstflieger Jones einen Typ der Unfallmaschine Extra 300 L „einige Hunderte Mal“ in seinem Leben selber geflogen hatte. Jones: „Dieses Kunstflugzeug ist normalerweise sehr zuverlässig. Ich jedenfalls hatte nie ein Problem damit.“

Jones ist 44, zusammen mit seinen Brüdern Howard (40) und Phil (46) vor Ort und nach den täglichen Wettbewerbsflügen im Naberner Gästehaus Rössle untergebracht. Zwölf Stunden Anfahrt mit drei Pkw und drei Flugzeuganhängern hatten sie letzten Freitag gehabt. Als sie abends um sechs auf der Hahnweide eintrafen, war die allgemeine Stimmung gedrückt und die Veranstalterfahne auf Halbmast.

Für Steven Jones muss es das pure Kontrastprogramm gewesen sein. Ein halbes Dutzend Hahnweid-Wettbewerbe hat der Offene-Klasse-Flieger schon bestritten und zwei Mal den Pokal für den Gesamtsieg eingeheimst. 2012 aber gab es am ersten Tag anstatt erwartungsfroh zu kommunizieren inmitten sinnierender Kollegen zu gedenken: an einen auf dramatische Weise kürzlich verunglückten Fliegerkameraden. Es war ein emotionaler Break für alle: für Jones ebenso wie für Eröffnungsrednerin Angelika Matt-Heidecker und die Organisatoren der Fliegergruppe Wolf-Hirth. Zuvor hatten sie über eine Absage der Veranstaltung nachgedacht.

Mit solchen Situationen muss man umgehen können, und Manche können das gut, Andere tun sich schwer damit. Jones, ehemaliger Welt- und Europameister, zählt zur ersten Kategorie. Er sieht sich als Realist. „Der Flugsport beinhaltet ein natürliches Risiko für jeden Piloten“, sagt der aus Leidenschaft fliegende Unternehmer. Es sei etwas Tragisches passiert, doch irgendwie muss es auch weiter gehen. Klaus Lenhart würde dem vermutlich nicht widersprechen.

Gewissermaßen sind es Klaus-Lenhart-Gedächtnisflüge, die die 118 Piloten in dieser Wettbewerbswoche absolvieren. Es sind Flüge zum Gedenken an einen Großen des Kunstflugsports ebenso wie Flüge um sportliche Meriten. „Natürlich strebe ich in der Offenen Klasse einen Spitzenplatz an“, sagt Jones, der von vornherein ein Mitfavorit war, „und natürlich will ich als Engländer die Deutschen schlagen.“ Als er es sagt, muss er lachen.

Jones wird, wenn auf der Hahnweide nach dem gestrigen Regentag wieder geflogen wird, garantiert aufs Tempo drücken. Wie die meisten Piloten. Ihre Sicherheits-Sensoren aber haben sie längst wieder aktiviert.