Basketball

Der Dirigent im Orchestergraben

Basketball Ein 45-Jähriger mit musikalischer Leidenschaft gibt bei Kirchheims Zweitliga-Basketballern ab sofort den Ton an. Mauricio Parra wechselt vom BBL-Assistenzcoach auf den Chefposten in der Pro A. Von Bernd Köble

Erfahrung und Leidenschaft für seinen Job bringt er mit. Ab September will Mauricio Parra mit den Knights Erfolge feiern.Foto: J
Erfahrung und Leidenschaft für seinen Job bringt er mit. Ab September will Mauricio Parra mit den Knights Erfolge feiern.Foto: Jean-Luc Jacques

Was hat Basketball mit Musik und eine erfolgreiche Mannschaft mit einem Sinfonieorchester zu tun? Viel, sagt Mauricio Parra. Nicht nur, weil beide Seiten ihn geprägt haben, sondern weil das große Ganze jeweils die Summe aus perfekten Einzelkünstlern darstellt. Als Sohn eines international erfolgreichen Orchestermusikers erlebte Mauricio Parra die Konzertbühnen dieser Welt. Jetzt steht der 45-Jährige selbst als Dirigent auf der Bühne. Nicht als Musiker, sondern als Cheftrainer der Kirchheimer Basketballer.

München, Berlin, Oldenburg - die Stationen seiner Laufbahn als Assistenztrainer schmücken im Basketball jede Vita. Vor allem seine fünf Jahre beim achtfachen deutschen Meister Alba Berlin haben ihn beruflich geformt. An der Seite von Startrainern wie Gordon Herbert oder Sasa Obradovic hat er nicht nur jede Menge Erfahrung auf deutschem Top-Niveau gesammelt, sondern gelernt, Niederlagen zu verarbeiten. Die wohl größte: Sein misslungenes Debüt als Headcoach des Zweitligisten in Chemnitz. Das ist knapp elf Jahre her. Als 34-Jähriger witterte er damals die große Chance, stürzte sich in ein unkalkulierbares Abenteuer und landete hart. Nach wenigen Monaten musste er seine Koffer packen. „Ich war damals naiv und habe meine Hausaufgaben nicht gemacht“, sagt Parra über die - wie er es nennt - „dunkelste Etappe seiner Trainerkarriere“.

Vergessen hat er diese Episode nicht, aber viel daraus gelernt. Jetzt fühlt er sich reif, will gestalten, seine langjährigen Erfahrungen in der BBL in der eigenen Handschrift sichtbar machen. Warum er Kirchheim für den richtigen Ort dafür hält, hat mehrere Gründe. Ein wesentlicher ist das Entwicklungspotenzial, das er zu erkennen glaubt. In einer Region, die brach liegende Chancen biete. Davon war er schon während seiner Zeit als Co-Trainer in Tübingen überzeugt. Die jüngste Kooperation der Knights mit dem MTV Stuttgart - für ihn ein wichtiger Schritt. Er will Kirchheim zu einem Standort machen, von dem er sagt: „Spieler müssen hierher wollen, weil sie wissen, dass sie sich hier weiterentwickeln.“

Spätzles-Esser aus Leidenschaft

In einer Region, die ihm aber auch schlicht ans Herz gewachsen ist. Er mag die Landschaft, die Offenheit der Menschen, und er ist dem schwäbischen Synonym schlechthin verfallen: Spätzle - in allen Varianten, am liebsten mit Käse. Die Jahre in Tübingen haben ihm Freundschaften eingebracht, die bis heute halten. „Ich hatte in Oldenburg mehr Besuch aus dem Schwabenland als von irgendwoher sonst“, sagt er. „Die Gegend ist für mich zu einer zweiten Heimat geworden.“

Das soll sie jetzt auch für seine Familie werden. Seine Frau und sein Sohn, der im Sommer drei Jahre alt wird, werden Anfang August aus Berlin nachkommen. In einer Kirchheimer Garage stapeln sich bereits zahlreiche Umzugskartons, die ihm vor seiner Ankunft am Dienstag per Lkw vorausgeeilt sind. So reist in der Regel keiner, der nur einen kurzen Zwischenstopp plant, auch wenn Parra sagt: „Mein Ziel ist es, im Rahmen meiner Möglichkeiten auf dem höchsten Level zu arbeiten.“

Was für ein Typ ist dieser Spanier, der als 15-Jähriger an der deutschen Schule in Kapstadt seine erste Mannschaft trainierte, von der Schönheit seiner baskischen Heimatstadt Bilbao schwärmt und der wohl nie erfahren wird, ob jemals ein erfolgreicher Spieler aus ihm geworden wäre? Mehrere Knöchelverletzungen im Teenageralter machten ihm früh einen Strich durch die Rechnung. Heute ist gemäßigter Freizeitsport das, was der Körper noch duldet. Was blieb, ist der Trainerjob. Sein Führungsstil? „Definitiv nicht der Kumpeltyp“, sagt Mauricio Parra, auch wenn er betont: Nähe und ein gesundes Vertrauensverhältnis mit den Spielern seien das Wichtigste. „Ich bin ein sehr direkter Mensch - und ich kann gut mit Kritik umgehen.“ Kritik, die er sich früher häufiger einhandelte. Man werde jeden Gegner unter 60 Punkten halten, hatte er bei seinem Amtsantritt damals in Chemnitz selbstbewusst verkündet. Solche Sätze rächen sich, das weiß er inzwischen. Deshalb kommen sie ihm heute nicht mehr über die Lippen, auch wenn er in der Defensive nach wie vor keine Kompromisse duldet. Wer nachlässig agiert, sitzt auf der Bank. An dieser Regel will er auch in Kirchheim nicht rütteln.

Zufrieden mit Kaderplanung

Gestern traf er sich erstmals mit dem Kern der Mannschaft um die beiden Kapitäne Andreas Kronhardt und Tim Koch. Am Wochenende begleitet er das Nachwuchsteam nach Freiburg, wo die erste Qualifikationsrunde für die JBBL ausgespielt wird. Am Sonntagabend geht sein Flug zurück zu Frau und Kind nach Berlin. Bis dahin ist der Terminkalender prall gefüllt. Tryouts gestern und heute sollen helfen, die letzten deutschen Positionen zu besetzen. „Ich bin sehr zufrieden, wie es bisher läuft“, sagt der neue Coach, der viel von passgenauem Individualtraining auf den jeweiligen Spielpositionen hält. Womit er wieder bei seiner zweiten Leidenschaft, der Musik, wäre: „Fleiß führt zum Erfolg - im Sport und in der Musik“, sagt er. „Wenn jeder seinen Part perfekt beherrscht, kommt am Ende eine Sinfonie heraus.“