TB. Insgesamt 158 Auszubildende haben im Bereich der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen ihre Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt. Die drei Besten aller Gewerke und Kammerpreisträger erreichten dabei Spitzennoten von 1,4 – darunter auch Lea John aus Weilheim.
In einem Videobeitrag wurde bei der feierlichen Lossprechungsfeier im Werner Quadrium die Bau- und Möbelschreinerei Uli Hepperle in Neidlingen vorgestellt. Dort hat der Sohn Christian Hepperle gelernt und hat sich bereits für die Meisterschule angemeldet. Lea John hat dort ihre Ausbildung zur Tischlerin mit der Gesamtnote 1,4 abgeschlossen. Ihre Ehrung als eine der drei Besten des Gewerks und Kammerpreisträgerin konnte sie aber nicht persönlich entgegennehmen: Sie arbeitet aktuell für sechs Monate in einer Schreinerei in Ghana. Dort war sie früher schon vier Wochen lang gewesen und hatte ihre drei afrikanischen Kollegen bewundert, weil sie ganz ohne Maschinen Erstaunliches anfertigten. Dass während Corona Berufsschulunterricht ausfiel, habe sie gut gefunden, erzählte sie im Video: Dadurch habe sie mehr Praxis in der Schreinerei gehabt.
Wir haben Sie interviewt: Wie bist du darauf gekommen, Tischlerin zu werden?
Lea John: Ich habe schon immer gerne mit Holz gearbeitet. In der Realschule habe ich dann Technik gewählt. Auch dort hat mir die Arbeit mit Holz großen Spaß gemacht. Dennoch habe ich mich nach der Realschule dazu entscheiden mein Abitur zu machen um danach Grundschullehramt zu studieren. Doch der Gedanke weiterhin nur in der Schule bzw. Uni zu sitzen, ohne jegliche Praxis, widerstrebte mir immer mehr. Ich wollte etwas mit meinen Händen machen. Nach mehreren Praktika bei meinem Ausbildungsbetrieb habe ich mich letztlich entschieden dort eine Ausbildung zur Tischlerin zu beginnen und nicht zu studieren.
Wie war deine Lehrzeit bei der Schreinerei Hepperle in Neidlingen?
Lea: Wie der Name schon sagt - eine sehr lehrreiche Zeit. Vor allem die Tatsache, dass wir sehr viel mit Massivholz machen, hat mir sehr gefallen. Schon sehr früh in der Ausbildung habe ich meine eigenen Projekte erhalten, die ich selbstständig fertigen musste. Dies war oftmals sehr herausfordernd, aber ich denke nur so konnte ich mich so entwickeln wie ich es letztlich habe.
Würdest du anderen zu einer Ausbildung im Handwerk raten?
Lea: Definitiv. Nicht nur im Handwerk, sondern generell eine Ausbildung zu machen. Diese bekommt meiner Meinung nach viel zu wenig Wertschätzung. Alle wollen studieren, obwohl es auch bei einer Ausbildung so viele Möglichkeiten gibt, sich immer weiter fortzubilden. Was ich ebenfalls sehr schade finde, ist, dass es immer noch sehr wenige Frauen im Handwerk gibt. Als ich die Ausbildung angefangen habe waren wir sechs Mädels, jetzt am Ende waren wir gerade noch zu zweit. Dennoch muss man ganz klar dazu sagen, dass das Handwerk einiges tun könnte um deutlich attraktiver zu werden und gegenüber Frauen noch einiges in Sachen Akzeptanz getan werden muss.
An alle jungen Frauen da draußen, die überlegen ins Handwerk zu gehen: Macht es! Wenn ihr Spaß daran habt, dann macht es und lasst euch nicht von blöden Kommentaren wie „Du schaffst das körperlich doch gar nicht“ unterkriegen. Zeigt den Männern, dass auch wir gute Handwerkerinnen sein können!
Die Ehrung als eine der drei Besten des Gewerks und Kammerpreisträgerin konntest Du nicht persönlich entgegennehmen: Du arbeitest aktuell für sechs Monate in einer Schreinerei in Ghana. Wie kam es dazu?
Lea: Ich habe zwischen dem ersten und zweiten Lehrjahr für vier Wochen in einer Schreinerei in Ghana gearbeitet. Der Afrikanische Kontinent hat mich schon immer gereizt. Durch ein Projekt, auf das ich im Internet gestoßen bin, ergab sich die Möglichkeit, diesen Traum zu erfüllen und gleichzeitig zu sehen, wie Schreiner in anderen Ländern arbeiten. Das Land und die Menschen dort haben mich so beeindruckt, das ich entschieden habe, die sechs Monate, um die ich meine Lehrzeit verkürzt habe, in Ghana zu verbringen, um mehr von meinen Kollegen dort zu lernen. Ich werde jedoch nicht nur in einer Schreinerei arbeiten, sondern auch das Land weiter erkunden und eine gewisse Zeit an einer Schule unterrichten, die ich mithilfe von Spenden unterstütze.
Arbeiten in Ghana und bei uns? Was sind Unterschiede? Was ist gleich? Kannst du das beschreiben?
Lea: Die zwei größten Unterschiede sind sicherlich, dass in Ghana sehr viel mit Bambus und einem Material, dass man am ehesten mit Rattan vergleichen kann gearbeitet wird und das 90Prozent Handarbeit sind - also ohne jegliche Maschinen. Lediglich in den Städten gibt es Schreinereien und vor allem Holzhändler, die die Maschinen haben, um aus den riesigen Baumstämmen Bohlen und Bretter zu sägen und diese weiter zu verarbeiten. Da ich hier jedoch auf dem Dorf bin, ist ganz schön viel Power gefragt. Zu sehen, was am Ende des Tages dabei raus kommt finde ich immer wieder beeindruckend. Manchmal fühle ich mich hier wie am ersten Tag meiner Ausbildung, da hier Techniken angewandt werden, die ich in Deutschland noch nie gesehen habe. Ein weiterer Punkt ist, dass hier bei weitem nicht so genau gearbeitet wird und die Optik eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Am Ende ist es aber trotzdem der gleiche Beruf, das heißt die einzelnen Arbeitsschritte sind die gleichen -lediglich die Ausführung unterscheidet sich.
Wie geht es weiter?
Lea: Ich möchte stand jetzt gerne weiter als Schreinerin arbeiten und weiter Erfahrung sammeln. Für die Zukunft kann ich mir auch vorstellen, den Meister oder Gestalter zu machen, jedoch nicht direkt. Jetzt genieße ich aber erst einmal die sechs Monate Ghana und wer weiß was die Zukunft noch so mit sich bringt. Viele Grüße aus Ghana!
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!