Bundestagswahl

WEK-Mitarbeiter fühlen den Kandidaten auf den Zahn

Podiumsdiskussion In den Werkstätten im Kruichling sind die Werkbänke verlassen. Alle Mitarbeiter sind im Foyer und hören den Politikern zu. Von Iris Häfner

Inklusion - an diesem Wort scheiden sich regelmäßig die Geister. Dies wird auch bei der politischen Diskussionsrunde in den WEK (Werkstätten Esslingen Kirchheim) im Kruichling deutlich, zu der die Bundestagskandidaten eingeladen sind. Politische Sonntagsreden sind schön und gut, die Realität sieht aber doch ein bisschen anders und vor allem differenzierter aus. Um genau die Differenzierung bittet Volker Ditzinger, Geschäftsführer der WEK, seine Gäste: nicht jeden behinderten Menschen in den gleichen Topf zu werfen. Für sie gilt nämlich dasselbe wie für alle Menschen: Jeder ist einzigartig, und was der eine gut findet, will und braucht der andere nicht unbedingt.

Das Foyer ist voll, die Mitarbeiter hören interessiert zu, was die Politiker am Tisch vor ihnen zu sagen haben. Jeder stellt sich vor. So erfahren die Zuhörer, dass Michael Hennrich (CDU) seit 2002 Mitglied im Bundestag ist und der Bereich Soziales sein Schwerpunkt ist. Er hat sich für das Rückkehrrecht in die Werkstätten starkgemacht und sich auch des Themas Barrierefreiheit angenommen. Neben ihm sitzt Heinrich Brinker von den Linken. Er will, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich wieder schließt, es in Deutschland wieder eine gerechtere Gesellschaft gibt. Behinderte Menschen sollen wählen dürfen, das will er unbedingt durchsetzen.

Nils Schmid ist Jurist und Anwalt und sitzt seit 20 Jahren für die SPD im Landtag. Dem Parteibuch gemäß liegen ihm schwache und arme Menschen am Herzen. Jeder soll mitentscheiden dürfen, sagt er und erinnert an das Frauenwahlrecht, für das seine Partei einst gekämpft hat. „Wahlrecht für alle hat Tradition in unserer Partei“, sagt er. Ihm zur Linken hat Renata Alt von der FDP Platz genommen. Ihr ist die Freiheit jedes Menschen wichtig. 25 Jahr hat sie in einem Staat gelebt, in dem es keine Meinungsfreiheit gab, der Tschechoslowakei. Bildung für alle ist ein weiteres Schlagwort von ihr. Der Letzte in der Runde ist Matthias Gastel. „Ich bin Sozialpädagoge und Betriebswirt und seit 2013 im Bundestag für die Grünen“, stellt er sich vor. In Berlin sitzt er im Verkehrsausschuss, Schwerpunkt Bahn und Rad. Barrierefreiheit und Mobilität sind seine Themen - mit dem Rollstuhl soll jeder Bus und Bahn fahren. „Die Menschen sollen mobil sein können, wenn sie schlecht zu Fuß sind“, sagt er.

Es dürfen Fragen gestellt werden. Einen interessiert, wie ein Tag in Berlin aussieht. Darüber können nur Michael Hennrich und Matthias Gastel Auskunft geben. Die Tage dort sind durchgetaktet. „Das ist ein fester Stundenplan. 40 Jahre lang hat sich nichts verändert“, sagt Hennrich. Das Wahlrecht für Behinderte wird angesprochen, seit etwa vier Wochen ist das Thema in den Medien präsent. Im Grunde sind sich alle Kandidaten einig, dass auch für sie das Wahlrecht gilt. Aber wie beim Stimmrecht für Kinder, das dann die Eltern innehaben, kommen hier die Betreuungspersonen ins Spiel - und damit sind rechtliche Probleme vorprogrammiert.

Eine Mitarbeiterin fragt nach bezahlbaren und barrierefreien Wohnungen. Nils Schmid erinnert wie seine Mitstreiter an die vor Kurzem geänderte Landesbauordnung, die nun vorschreibt, dass das Erdgeschoss von Neubauten barrierefrei erreichbar sein muss. „Vor 30 Jahren waren die Mieten niedriger, weil Wohnungsbau gefördert wurde“, sagt Heinrich Brinker.

„Die Menschen sind nicht alle gleich - auch die Menschen mit Handicap nicht“, erklärt Renata Alt zum Thema Inklusion. Ihrer Ansicht nach braucht es mehr Heilpädagogen, aber auch die Förderschulen und Einrichtungen wie die Werkstätten wird es weiterhin geben. Keine Patentlösung kann Heinrich Brinker anbieten. Sein Grundprinzip lautet: Jeder hat das Recht an maximaler Teilhabe.

Heike Traub zeigt, wie‘s geht: Dünne Stahlringe müssen in der richtigen Richtung „aufgefädelt“ werden. Fotos: Carsten Riedl
Heike Traub zeigt, wie‘s geht: Dünne Stahlringe müssen in der richtigen Richtung „aufgefädelt“ werden. Fotos: Carsten Riedl