Kirchheim

„Bildung darf nichts kosten“

Kindergarten Die SPD-Landtagsfraktion will eine Volksabstimmung über gebührenfreie Kindergärten. In Kirchheim gab es das zeitweise schon, zumindest für das erste Kindergartenjahr. Von Peter Dietrich

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ist sich sicher: „Vom Grundsatz her finde ich es richtig - Bildung muss gebührenfrei sein, vom Anbeginn bis zum Schluss, das gilt auch für Studiengebühren.“ Der Staat profitiere davon. „Es kommt ihm zugute, wenn er gebildete Bürger hat.“

Im September 2011 hat die Stadt Kirchheim, auf Drängen der SPD, das erste Kindergartenjahr gebührenfrei gemacht. Das galt für die Grundgebühr, Zusatzmodule kosteten weiterhin extra, so wie es der aktuelle SPD-Gesetzentwurf jenseits von 35 Stunden pro Woche ebenfalls vorsieht. Zum 1. April 2016 hat Kirchheim diese Befreiung wieder abgeschafft. Das hing, sagt die Oberbürgermeisterin, mit dem 2013 eingeführten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zusammen. Viele unter Dreijährige wurden nun betreut, im vierten Jahr war die Betreuung zwischendrin mal ein Jahr kostenlos und dann wieder nicht. „Eltern haben uns gefragt, was das soll.“ Lange wurde im Gemeinderat über die soziale Abfederung diskutiert. Für Eltern mit einem Einkommen unter 3 000 Euro blieb das vierte Lebensjahr weiterhin gebührenfrei, im fünften und sechsten Lebensjahr gibt es bei geringem Einkommen drei Rabattstufen mit 25, 40 und 50 Prozent Rabatt. Sie werden aber nur sehr selten angewandt, denn in der Regel genehmigt das Landratsamt stattdessen die „wirtschaftliche Jugendhilfe“. Stand März 2018 war das bei 118 Kirchheimer Kindern der Fall.

Die Gebührenfreiheit und der neue Rechtsanspruch hatten starke Auswirkungen. Gingen vorher im vierten Lebensjahr 56 Prozent der Kircheimer Kinder in den „Kindi“, stieg dieser Anteil während der Gebührenfreiheit bis auf 87 Prozent. Als allgemeines Ziel gilt, dass die Elternbeiträge 20 Prozent der Kosten tragen sollen. Kirchheim liegt aber weit darunter - Angelika Matt-Heidecker nennt eine Quote von sieben bis acht Prozent. In Bildung und Betreuung investiere die Stadt jährlich gut fünf Millionen Euro. Den Ausgleich für entfallende Gebühren müsse das Land übernehmen. „Es geht nicht nur um die Entlastung der Eltern, sondern auch der Kommunen.“ Entlastet würden diese auch bei der komplizierten Gebührenberechnung, sie sei dann nur noch für die Zusatzmodule nötig.

„Das habe ich als Stadtrat immer gefordert“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner zur Gebührenfreiheit. „Das ist für uns der letzte Schritt zur kostenlosen Bildung für alle.“ Ein wichtiges Argument ist für Kenner der Wunsch nach gleichen Lebensverhältnissen. „Sonst erhebt etwa die Stadt Heilbronn keine Gebühren, 20 Kilometer weg zahlen Eltern mehrerer Kinder jedoch Hunderte Euro.“ Die Erfahrungen in Rheinland-Pfalz, wo es die Gebührenfreiheit seit Langem gebe, zeigten, dass dies gut funktioniere und auf hohe Akzeptanz treffe.

Kinder, die ganz ohne Vorbildung in die Grundschule kämen, holten das nie mehr auf, ist Andreas Kenner überzeugt. Der Landeshaushalt gebe die Gebührenfreiheit her. „Familien brauchen das Geld am meisten, wenn die Kinder klein sind.“ Das Argument, zur Sicherung der Qualität seien die Elterngebühren nötig, lässt Andreas Kenner nicht gelten: „Dann müssten wir auch die Studiengebühren wieder einführen.“

„Wir waren da immer dafür“, sagt der damalige Kirchheimer SPD-Fraktionsvorsitzende Walther Aeugle zur teilweisen Gebührenfreiheit ab 2011 und nennt sie „eine Herzensangelegenheit“. „Ich habe 1956 im ersten Jahr des Gymnasiums noch Schulgeld bezahlt“, erinnert er sich. „Heute stellt niemand mehr infrage, dass das Schulgeld abgeschafft ist.“ Walther Aeugle verweist auf das neue Bildungshaus in Nabern: „Der Übergang vom Kindergarten zur Schule soll möglichst sanft sein. Der Kindergarten ist ja nicht nur Betreuung, sondern Vorschule. Bisher kostet es für die Eltern ab Schulbeginn plötzlich nichts mehr, obwohl das Kind noch immer an denselben Standort geht, mit dem gleichen Ziel.“ Berlin habe die Gebührenfreiheit im Kindergarten schon lange. Dann müsse das, findet Walther Aeugle, auch in Baden-Württemberg möglich sein.