Kirchheim

Blasmusik, ohne Klischee von Bierzelt

Weihnachtskonzert Die Stadtkapelle spielt in der Kirchheimer Stadthalle. Von den Kleinsten bis zu den Profis – alle wollen zeigen, was sie draufhaben. Von Günter Kahlert

Stimmungsvoller Ausklang des Weihnachtskonzertes der Stadtkapelle: Marc Lange dirigiert die Besucher beim Singen von Weihnachtsl
Stimmungsvoller Ausklang des Weihnachtskonzertes der Stadtkapelle: Marc Lange dirigiert die Besucher beim Singen von Weihnachtsliedern.

Marc Lange ist nach der Veranstaltung einfach nur glücklich. Der musikalische Leiter der Stadtkapelle Kirchheim hat mit seiner Mannschaft einen Marathon erfolgreich hinter sich gebracht. An zwei Tagen je zwei Stunden Weihnachtskonzert in der Stadthalle, das ist schon was. Und dann die Überraschung. Kurz vor Ende des Konzerts geht Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker an das kleine Rednerpult neben der Bühne. Kurze Laudatio, dann ernennt sie Marc Lange ganz offiziell zum „Stadtmusikdirektor“, mit Urkunde versteht sich. Der Musik-Profi wirkt erst ein bisschen verlegen, genießt schließlich aber doch den Moment. Dann geht‘s gleich zurück auf die Bühne, der letzte Set „Armenische Tänze“ wartet.

Das mittlerweile traditionelle Weihnachtskonzert ist für die Stadtkapelle eine der wichtigsten Veranstaltungen im Jahr. Pressefrau Stephanie Rauschnabel: „Hier kommen alle Ensembles der Stadtkapelle zusammen, hier wollen alle zeigen, was sie können.“ Und nicht zu vergessen: die Kleinsten der Bläsergruppe der Rauner- und der Freihof-Grundschule stehen zum ersten Mal auf der großen Bühne. Aufgeregt? „Ja ein bisschen“, meint die neunjährige Chiara. Sie stellt sich einfach vor, die Bühne sei leer, um ihr Lampenfieber in den Griff zu kriegen. Ihre Freundin Chadee ist pragmatischer: „Wir haben es gestern hingekriegt, dann klappt‘s bestimmt heute auch.“

Bewundernswert, welchen Ehrgeiz die Jüngsten schon an den Tag legen. Die Proben für das Weihnachtskonzert beginnen gleich nach den Sommerferien, dazu noch Einzeltraining der unterschiedlichen Bläser-Sektionen und natürlich: daheim üben! Das Ergebnis kann sich hören lassen. Der Einstieg mit Beethovens Neunter – besser bekannt als „Freude schöner Götterfunken“ – kommt gut an. Das gilt auch für die weiteren Stücke. Natürlich haben sie noch nicht die Raffinesse der „Profis“ in der Stadtkapelle, aber das wäre auch ein bisschen viel verlangt.

Danach steigert sich logischerweise der Schwierigkeitsgrad. Das Vorstufenorchester spielt Kees Vlaks „Five Continents“, musikalische Impressionen, die für Asien und Afrika noch mit typischen Klängen angereichert werden. Nächste Stufe: die Jugendkapelle. Im Mittelpunkt steht das dreisätzige Werk „In the Forest Of The King“ des französischen Komponisten Pierre La Plante. Die Suite aus alten französischen Volksliedern mit unterschiedlichen Stimmungen und Stilrichtungen ist ein Klassiker im Repertoire ambitionierter Nachwuchs-Kapellen. Alles kam sehr stimmungsvoll, geradezu leichtfüßig daher. Es ist eben die Kunst, anspruchsvolle Musik nicht zur Anstrengung für die Zuhörer werden zu lassen. Es darf auch unterhaltsam sein und das beherrscht der musikalische Chef der Stadtkapelle in Perfektion.

Die Brücke zu Weihnachten schlug das letzte Stück der Jugendkapelle: „Rudolph, the Red-Nosed Reindeer“, längst ein Weihnachts-Klassiker.

Der Höhepunkt des Weihnachtskonzerts ist natürlich der Auftritt der Stadtkapelle. Ein Weihnachtslieder-Medley zu Beginn, aber ein ganz besonderes. Der Saxofonist David Lovrien hat im Jahr 2007 ein musikalisches Versteckspiel geschrieben und arrangiert. Bekannte Weihnachtslieder, klassische Themen, alles ineinander verwoben, dann noch Wechsel von Dur nach Moll. Man ertappt sich ständig dabei, was man jetzt erkannt hat oder auch nicht. Dann das zentrale Stück „Der Wind in den Weiden“, ein britischer Kinderbuchklassiker von Kenneth Graham, den der Holländer Johan de Meij 2002 für symphonische Blasorchester musikalisch umgesetzt hat. Und schließlich die „Armenischen Tänze Teil 1“, auch das großartig. Irre Tempiwechsel, irre Dynamikwechsel, höchstes Niveau. Es war wie fast den ganzen Abend, man konnte auch einfach die Augen schließen und unwillkürlich zogen zur Musik Bilder am inneren Auge vorbei. Kino im Kopf und das im besten Sinne. Konzertante Blasmusik hat eben gar nichts zu tun mit irgendwelchen Blasmusik-Klischees aus dem Bierzelt. Hier sind Könner am Werk, ambitioniert, engagiert und mit der richtigen Spiellaune. Und mit dem musikalischen Leiter Marc Lange ist daraus eines der besten Blasorchester Deutschlands und sogar Europas geworden. Keine Behauptung, sondern Ergebnis von Wettbewerben wie dem „Flicorno d‘oro“ im italienischen Riva del Garda im Frühjahr.

Am Schluss – als Zugabe – dann doch noch besinnliche Weihnachtsstimmung: „Leise rieselt der Schnee“ und „Stille Nacht“, animiert und dirigiert von Marc Lange singt der ganze Saal mit. Töchterchen Lotte hat sich da längst zum Papa auf die Bühne gesellt. Keine Inszenierung, „Lotte kam einfach hoch“, sagt er und schmunzelt.

Das gesamte Programm des Weihnachtskonzerts wandert nun in die Schublade. „Die Musiker würden sich langweilen, wenn sie ständig das gleiche spielen. Sie wollen wieder etwas Neues“, erklärt der frischgebackene Stadtmusikdirektor. Nach dem Abend muss man sagen: schade eigentlich.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ernennt Marc Lange zum Stadtmusikdirektor.Fotos. Günter Kahlert
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ernennt Marc Lange zum Stadtmusikdirektor.Fotos. Günter Kahlert