Kirchheim

Der Schwabe braucht seinen Apfelsaft

Ernte Weniger Äpfel bedeuten weniger Saft und gleichzeitig steigende Preise. Trotzdem nimmt der Absatz zu. Bei bestimmten Marken kann es zu Lieferengpässen kommen. Viele Kirchheimer kaufen trotzdem fleißig weiter. Von Heike Siegemund

Bis jetzt gibt es noch Apfelsaft. Doch Jörg Banzhaf, Inhaber des Getränkemarkts im Paradiesle, blickt etwas bange dem Frühjahr e
Bis jetzt gibt es noch Apfelsaft. Doch Jörg Banzhaf, Inhaber des Getränkemarkts im Paradiesle, blickt etwas bange dem Frühjahr entgegen. Foto: Heike Siegemund
Andrea Hermann, 61, aus Köngen: „Ich kaufe Apfelsaft, auch wenn die
Preise gestiegen sind. Man muss die Obstbauern unterstützen. Es ist aber die Frage, wie lange wir noch heimischen Apfelsaft trinken können, weil es wegen der schlechten Ernte vielleicht zu Engpässen kommt. Trotzdem kaufe ich jetzt nicht auf Vorrat.“ Foto: Heike Siegemund

Das Jahr 2017 hat vielen Obstbauern und Gütlesbesitzern auch in der Teck-Region arg zugesetzt: Später Frost in einer einzigen Nacht im Frühjahr hatte dafür gesorgt, dass die meisten Blüten erfroren sind. So hing im Herbst an etlichen Bäumen kein einziger Apfel. Nur bei den spät blühenden Sorten konnte zumindest ein Teil der sonst üblichen Menge geerntet werden. „Wir haben dieses Jahr nur zwischen fünf und zehn Prozent einer normalen Ernte. So schlecht war sie in den vergangenen 20 Jahren nicht. Das ist dramatisch“, bestätigt Jörg Banzhaf, Inhaber des Getränkemarkts im Paradiesle in Kirchheim. Die Folge: Weniger Äpfel bedeutet weniger Saft - und gleichzeitig steigende Preise.

Nachfrage kann zunehmen

„Je nach Marke und ob es sich um Direktsaft oder Konzentrat handelt, steigt der Preis für Apfelsaft zwischen zehn und 20 Prozent“, ergänzt Banzhaf. Einen solch extremen Anstieg habe er noch nie erlebt. Trotzdem lasse der Absatz nicht nach - im Gegenteil: Die Nachfrage nimmt zu, „weil die Leute, die bisher ihren eigenen Apfelsaft hergestellt haben, jetzt im Handel Saft zukaufen“. Das sei bereits zu spüren. Jörg Banzhaf rechnet damit, dass die Nachfrage im Frühjahr nochmals zunimmt, wenn die Streuobstwiesenbesitzer ihre Vorräte aus dem vergangenen Jahr aufgebraucht haben.

Jens Schmidt, 34, aus Holzmaden: „Mir selbst ist Apfelsaft zu süß, aber
meine Frau und meine Kinder trinken Apfelschorle. Deshalb kaufen wir
Apfelsaft, auch wenn er jetzt teurer ist. Meine Schwiegereltern haben eine Wiese mit Apfelbäumen. Dieses Jahr hing an den zwölf Bäumen praktisch kein Apfel.“ Foto: Heike Siegemund
Else Fähnle, 83, aus Kirchheim: „Apfelsaft trinke ich nicht, weil ich ihn
nicht vertrage. Aber ich esse jeden Tag einen oder zwei Äpfel. Dass die Preise für Äpfel gestiegen sind, habe ich beim Einkaufen bemerkt. Trotzdem würde ich nie darauf verzichten, weil ich sie brauche. Ich liebe Äpfel – ohne sie könnte ich nicht leben.“ Foto: Heike Siegemund

Die Preise steigen auch bei Apfelbränden, bei Mischsäften wie Apfel-Kirsch oder Apfel-Johannisbeere und bei fertigem Apfelschorle, ergänzt Banzhaf. Letzteres werde von Vereinen, die Feste veranstalten, stark nachgefragt. „Auch sie werden das zu spüren bekommen, wenn die Festles-Saison im kommenden Jahr beginnt.“ Angesichts der höheren Preise sieht sich der Getränkemarkt-Inhaber bislang aber keineswegs mit Beschwerden seitens der Kunden konfrontiert: „Die Leute finden sich damit ab und haben Verständnis dafür“, hat er beobachtet. Generell sei Apfelsaft bei den Schwaben ein Dauerbrenner: „Er hat eine große Bedeutung bei uns in der Region, auch weil viele eigene Apfelwiesen haben. Apfelsaft ist für viele unverzichtbar.“ Die Kunden seien auch deshalb dazu bereit, einen höheren Preis zu bezahlen.

Bei seinen Kunden seien vor allem regionale Produkte beliebt, zum Beispiel Apfelsaft von der Alb und aus dem Biosphärengebiet. „Momentan sind noch alle Säfte verfügbar“, betont Banzhaf, der jedoch etwas bange dem Frühjahr entgegenblickt. „Es wird dann zwar schon noch Apfelsaft geben, aber bei gewissen Marken kommt es zu Engpässen beziehungsweise sie werden nicht mehr lieferfähig sein“, prophezeit er. Jetzt bleibe nur noch, auf eine gute Ernte im nächsten Herbst zu hoffen. „Wenn sie nochmals so ausfallen würde wie dieses Jahr, dann hätten wir ein richtig großes Problem.“

Siggi Pöschl, 67, aus Kirchheim: „Bei uns in der Familie wird viel Apfelsaft getrunken, vor allem als Schorle. Mir ist aufgefallen, dass die Preise gestiegen sind. Wir kaufen aber trotzdem Apfelsaft, denn die Obstbauern müssen auch von was leben. Einschränkungen wird es bei den Familien geben, die sparen müssen.“ Foto: Heike Siegemund
Marisa Gubba, 33, aus Kirchheim: „Ich selbst kaufe nie Apfelsaft, weil
wir von meinen Schwiegereltern mit Apfelsaft aus Österreich versorgt werden. Da haben wir noch Vorräte. Bei unseren drei Kindern ist Apfelsaft der Renner. Ohne ihn könnten sie nicht sein. Auch Äpfel haben große Bedeutung für uns. Wir essen viel davon.“ Foto: Heike Siegemund

Auch Jörg Geiger von der gleichnamigen Manufaktur in Schlat, die in der Region für ihre Seccos bekannt ist, bezeichnet die Apfelernte 2017 als „Katastrophe“. Seine Manufaktur werde auch von Landwirten und Hobby-Obstbauern aus Weilheim, Dettingen, Bissingen, Hepsisau und Neidlingen beliefert. Das Glück sei, „dass wir uns bei den Äpfeln im vergangenen Jahr gut versorgt haben“, sagt Geiger, dem der Erhalt von alten Bäumen und Sorten am Herzen liegt. „Ein bisschen was konnten wir dazukaufen. Das rettet uns.“

Die Schwaben und die Äpfel

Insgesamt sind in Jörg Geigers Manufaktur etwa 40 Seccos erhältlich, bei denen der Apfel eine Rolle spielt. Auch er kann angesichts der schlechten Ernte nicht auf eine Preiserhöhung verzichten: „Sie kommt bei uns zum 1. Februar nächsten Jahres.“ Der Apfel an sich sei für den Schwaben tatsächlich eine wichtige Frucht. Schon dem Dichter Friedrich Schiller habe der Apfel zur Inspiration gedient, was bei ihm selbst genauso sei, verrät Jörg Geiger.

Peter Zbytek, 67, aus Kirchheim: „Mir schmeckt Apfelsaft zwar, aber ich vertrage ihn nicht so gut. Deshalb trinke ich nur ab und zu welchen. Dass die Preise steigen, weil es dieses Jahr wegen der schlechten Ernte weniger Äpfel gibt, leuchtet ein. Ich verzichte deshalb aber nicht komplett auf Apfelsaft und kaufe ihn bei Bedarf.“ Foto: Heike Siegemund

Angesichts der schlechten Apfelernte will er keineswegs die Flinte ins Korn werfen: „Wir können deshalb nicht in den Keller sitzen und heulen.“ Dann gehe man nun eben andere Projekte an, ergänzt er und nennt den Stuttgarter Weihnachtsmarkt, bei dem seine Manufaktur heuer zum ersten Mal mit einem Stand vertreten sei. „In anderen Jahren hatten wir dafür gar nicht die Zeit.“