Kirchheim

Die Zahl der Obdachlosen steigt

Leben Die Stadt Kirchheim ist immer auf der Suche nach Wohnraum. Was fehlt, sind Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge, aber zunehmend auch für Menschen, die ihre Bleibe verloren haben. Von Irene Strifler

Das Kirchheimer Containerdorf in der Dettinger Straße, das einst weit über hundert Flüchtlingen ein Heim bot, wird bis Ende des
Das Kirchheimer Containerdorf in der Dettinger Straße, das einst weit über hundert Flüchtlingen ein Heim bot, wird bis Ende des Monats geräumt.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Es sind nicht nur Flüchtlinge, für deren Anschlussunterbringung eine Stadt sorgen muss. Seit dem Jahr 2016 gibt es auch in Kirchheim deutlich mehr Obdachlose. Bürgermeister Günter Riemer bezifferte vor dem Gemeinderat die Zahl derer, die in den ersten fünf Monaten im laufenden Jahr plötzlich obdachlos geworden sind, mit 40. Im gesamten Jahr 2016 waren es 47, zuvor waren es jeweils weniger als die Hälfte. Der städtische Wohnbestand ist daher längst ausgereizt - aber dennoch ist Kirchheim in der Pflicht und muss notfalls auf Hotels oder Pensionen zurückgreifen. Das würde wiederum eine Belastung für den städtischen Haushalt bedeuten. Denn das Hauptproblem ist die Tatsache, dass das Gros der von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen den Weg zurück in ein „normales“ Leben nicht mehr aus eigener Kraft schafft.

Mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht allerdings die Pflicht der Stadt, für Flüchtlinge nach 24 Monaten der provisorischen Unterbringung eine dauerhafte „Anschlussunterbringung“ schaffen zu müssen. Kurz vor der Fertigstellung steht hier der Hafenkäs: Sieben Familien mit insgesamt 37 Personen werden zum Einzug erwartet, dazu kommen 20 bis 30 Einzelpersonen.

Weitere geplante Neubauten, für die es bereits einen Baubeschluss gibt, entstehen in Jesingen und Lindorf sowie auf der Kirchheimer Klosterwiese. Dieser Standort erhitzt die Gemüter besonders: Die Bürgerinitiative Klosterwiese hat eine Petition eingereicht, um die Bebauung der Wiese zu verhindern. Wie Günter Riemer erläuterte, hätte dort bereits am Montag mit den ersten Bauarbeiten begonnen werden sollen - allerdings hatte jemand die Pflöcke entfernt, die das Baufeld markierten.

Zusätzliche schon geplante Standorte befinden sich in der Kitteneshalde, auf dem Schafhof, in Nabern und im Ötlinger Ginsterweg. Für die Kitteneshalde soll der Baubeschluss in der nächsten Gemeinderatssitzung am 28. Juni fallen. Im Gespräch war zunächst noch der Standort „Zu den Schafhofäckern“ am Parkplatz zwischen Freibad und Schlossgymnasium. Hier wurde ursprünglich auch Wohnbebauung in Erwägung gezogen. CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Thilo Rose stellte dann den Antrag, das Areal zur zeitlich befristeten Unterbringung von Menschen ohne Wohnraum zu nutzen. Während die CDU und große Teile der Freien Wähler dies mit insgesamt elf Stimmen befürworteten, betrug die Zahl derer, die an diesem Ort Risiken wahrnahmen, 17 Räte. „Da schaffen wir uns Probleme“, hatte beispielsweise Eva Frohnmeyer-Carey von der Frauenliste eindringlich gewarnt. Die Nähe zu Schule und Freibad sowie die Lage an der „Sportmeile“ Richtung Sportvereinszentrum sind hier wichtige Gegenargumente.

Während also fieberhaft an der Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten gearbeitet wird, erhöht sich gleichzeitig der Druck durch das Ablaufen eines Mietvertrags: Das Containerdorf an der Dettinger Straße, das zeitweise deutlich über hundert Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf bot, ist bald Geschichte. Zum 30. Juni müssen die letzten 50 Bewohner ausziehen.

Was die Organisation der Unterbringung von Flüchtlingen angeht, versucht die Stadt im Verbund mit engagierten Bürgern aus der Vergangenheit zu lernen, wie Bürgermeister Riwemer weiter erläuterte. Bekanntlich kommt es immer wieder zu Schlägereien der Flüchtlinge untereinander. Deshalb soll bei der Belegung der Häuser auf eine Trennung von Nationalitäten und Herkunftsländern sowie auch auf die Glaubensrichtungen geachtet werden. Unter dem Dach der Bertelsmann-Stiftung plant die Stadt verschiedene Fachforen im Rahmen des Projekts „Ankommen in Deutschland“.

Die Klosterwiese ist kein Kulturdenkmal

Zur Petition die die Bürgerinitiative Klosterwiese eingereicht hat, äußerte sich Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker vorab in der Ratssitzung.

Ein Kulturdenkmal sei die Wiese gemäß Paragraf 2 des Denkmalschutzgesetzes nicht. Die heutige Wiese nahm im ehemaligen Klosterareal nur einen schmalen Streifen im Norden der Bewirtschaftungsfläche ein. Zur Überflutungsfläche wird die Klosterwiese allenfalls teilweise beim extrem seltenen Hochwasserstand der Kategorie „HQ extrem“.

Artenschutzrechtlich relevante Störungen durch die Bebauung der Wiese sind nicht zu erwarten. Ferner wurde ein Gutachten erstellt, wie Wurzelbereiche von Bäumen bei der Erschließungsplanung zu schützen sind.

Dem Freizeitraum Klosterwiese will man schon im Bebauungsplan auch in Zukunft gerecht werden, indem die baulichen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden und nur ein kleiner Teil der Wiese bebaut wird.

Einem Treffpunkt vieler Bewohner der Anschlussunterbringung mit Ruhestörungen wird im Bedarfsfall mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechtes begegnet.

Ein Vorkaufsrecht existiert beim Kiki Mondo Richtung Dettingen nicht, da der Bebauungsplan keine öffentliche Fläche ausweist und keine Vorkaufssatzung vorliegt.

Ein enteignungsgleicher Eingriff gegenüber Immobilienunternehmen liege auf der Klosterwiese nicht vor, da kein rechtswidriges hoheitliches Handeln entstand.ist