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Die Phantom-Schmerzen eines Bürgermeisters

Haushaltsrede Bürgermeister Rainer Haußmann ist alles andere als glücklich über die Folgen der Doppik. Trotz roter Zahlen sieht er Dettingen aber gut aufgestellt. Von Iris Häfner

In Bildungseinrichtungen, wie hier die Teckschule, investiert Dettingen viel Geld. Foto: Carsten Riedl
In Bildungseinrichtungen, wie hier die Teckschule, investiert Dettingen viel Geld. Foto: Carsten Riedl

Der Haushaltsplan ist ein Buch der Zukunft.“ Mit dieser Aussage eröffnete Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann seine Rede. Dass die Gemeinde in diesem Jahr ordentlich was vor hat, wird am Volumen des Haushaltsplans mit über 24 Millionen Euro deutlich. „Warum reichen die derzeit glänzenden Kommunalfinanzen landauf landab nicht aus, um etwas auf die Seite zu legen?“, fragt der Schultes und liefert die Antwort gleich nach: Aus seiner Sicht sind es die überbordenden und häufig ideologisch getriebenen Standards, Aufgaben und neu begründeten Rechtsansprüche, die die Einnahmen der Gemeinden schon lange überflügelt haben. „Diese Politik des Verschiebebahnhofs nach unten ist schon länger unredlich und zunehmend sogar unseriös“, sagte er.

In zehn Jahren hat Dettingen allein für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen 16 Millionen Euro ausgegeben. Ab 2022 werden weitere 2,2 Millionen fällig, um den Umbau der Teckschule ins Ziel bringen zu können. Als Zukunftsaufgaben nannte Rainer Haußmann unter anderem Digitalisierung von Rathaus und Schule, Energiewende, Elektromobilität, Integration von Flüchtlingen, Gewerbeflächen 4.0 und bezahlbaren Wohnraum. Für die roten Zahlen hat er klar einen Schuldigen ausgemacht: die Doppik, die zwangsweise verordnete neue Buchführung, die den Kameralhaushalt ablöste. Dadurch kommen zu den üblichen und oktroyierten Kommunalaufgaben noch die Abschreibungen obendrauf. „Tendenz: eine Million Euro zusätzlich - jedes Jahr! Phantom-Schmerzen quasi, weil rein buchhalterisch“, sagt er.

Eine Mogelpackung

Ständig werde in die kommunale Finanzmasse gegriffen, ganz ohne schlechtes Gewissen, ärgert er sich. Dabei komme von den von Bund und Land versprochenen Geldern für die Schulsanierung aktuell null in Dettingen an. „Eine Mogelpackung - wie so oft trotz vollmundiger und medienwirksamer Ankündigungen aus Berlin und Stuttgart.“ Wer den Kommunen zusätzliche Aufgaben abverlangen möchte, müsse dann auch das Geld dafür liefern - rechtlich, aber auch moralisch.

Nachdem sich Rainer Haußmann den Frust von der Seele geredet hatte, kam er zu den erfreulicheren Themen: Gestaltungswille und -kraft einer Kommune und deren Erfolge. Die Wohnanlage mit Apotheke und Forum Altern war ein wichtiger Impuls für weitere private Modernisierungen und Neubauten im Ortskern. „Unser Plan geht auf“, freut sich der Schultes und nannte als Beispiel die Ansiedlung eines Drogeriemarkts. Demnächst wird mit dem Bau des Gebäudes begonnen, in dem auch Praxisräume für Hausarzt, Zahnarzt und Physiotherapie untergebracht werden. Bei der Wohnbauentwicklung hat der Gemeinderat bei einer Klausursitzung einen Bedarf von jährlich 0,8 Hektar errechnet. „Mit Innenentwicklung allein wird das nicht mehr gehen“, sagte Rainer Haußmann.

Die Idee eines regionalen Gewerbeschwerpunkts an der Autobahn auf Dettinger Markung besteht seit rund 20 Jahren - und könnte jetzt konkretere Formen annehmen. Die interkommunalen Gespräche und Verhandlungen mit dem Verband Region Stuttgart und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart seien bislang erfolgsversprechend verlaufen. „Wichtig ist mir, dass wir bei einer Konkretisierung frühzeitig einen öffentlichen Diskurs über die Chancen und Risiken eines solchen Projekts führen, vielleicht noch in diesem Jahr“, zeigte sich Rainer Haußmann optimistisch.

In der Dettinger Kasse ist wegen der Doppik zu wenig drin

„Geld hat man zu haben“, zitierte Kämmerer Jörg Neubauer den Grundsatz im Schuldrecht des BGB. Für die Dettinger Kasse gelte jedoch der Grundsatz: Immer zu wenig drin.

Der Planentwurf hat ein Volumen von über 24 Millionen Euro. Die Steuerkraftmesszahl beträgt rund 6,34 Euro, die Steuerkraftsumme knapp 8 Millionen und die Bedarfsmesszahl rund 8,4 Millionen. Der Schuldenstand zum 1. Januar lag im Kernhaushalt bei knapp 2,2 Millionen Euro. Er steigt bis Jahresende auf über 3 Millionen an. Das bedeutet eine Pro-Kopf-Verschuldung von 354 Euro, bis zum Jahresende sind es 494 Euro.

Investitionen stehen in Höhe von rund 6,2 Millionen Euro an. Der größte Batzen mit 1,6 Millionen entfällt auf den Umbau der Teckschule, das Hallenbad folgt mit rund einer Million.

Weitere markante Zahlen: erwartete Grundstückserlöse mit knapp 2 Millionen Euro, Verpflichtungsermächtigungen für Investitionen mit rund 3,7 Millionen, Netto-Abschreibungen mit 808 000 Euro und eine Kreditaufnahme mit einer Million Euro.

„Kameral kann der Haushaltsplan zufriedenstellend bezeichnet werden. Bei doppischer Bewertung wird allerdings klar, dass langfristig die Erträge nicht ausreichen werden, um die Aufwendungen, im Speziellen die nicht zahlungswirksamen Abschreibungen, zu erwirtschaften“, sagt Neubauer. Trotz hoher Steuereinnahmen könne man sich nicht alles leisten.ih