Weilheim · Lenningen · Umland

Ein Dorf in Schutt und Asche

Heute vor 70 Jahren wurde das Zentrum Dettingens bei einem Bombenangriff nahezu vollständig zerstört

Ein Dorf in Schutt und Asche
Ein Dorf in Schutt und Asche

Dettingen. „Als ich es wagen konnte, die Kellertreppe hinaufzugehen, war die Wand vom Sog völlig herausgerissen und ringsum*** brannte es: Das Feuerwehrmagazin, der Kirchturm, das Rathaus“: So beschreibt der Dettinger Pfarrer Eugen Marstaller das Bild,*** das sich ihm am Nachmittag

des 20. April 1945 bietet – Minuten nachdem amerikanische Bomber den Ortskern in Schutt und Asche gelegt haben. In seinem Augenzeugenbericht, der in einer Denkschrift der Gemeinde Dettingen veröffentlicht ist, hat er für die Nachwelt festgehalten, wie die Front kurz vor Kriegsende durch die Gemeinde hinwegfegte und elf Bürger sowie zwölf Soldaten ums Leben kamen. Von 500 Wohngebäuden brannten 69 nieder, von 400 Scheuern und Ställen wurden 39 völlig zerstört. 80 Familien verloren ihr Zuhause.

Dass ausgerechnet Dettingen so schwer getroffen wurde, war kein Zufall. Die alliierten Bomber hatten die deutschen Soldaten im Visier, die sich – wie ihnen befohlen – durch das Lenninger Tal Richtung Alb zurückzogen. Den Aufbau einer Albrandstellung hätten die Amerikaner unbedingt verhindern wollen, schreibt Dr. Christoph J. Drüppel in seinem Text, der ebenfalls Bestandteil der Denkschrift ist. Gruppen von Soldaten hätten in Dettingen Unterschlupf gesucht, weil auf den heillos verstopften Straßen längst kein Vorwärtskommen mehr möglich war. „Die Soldaten sollten dem Ort zum Verhängnis werden“, so Drüppel.

Bemerkenswert ist auch das völlige Versagen der Behörden an diesem Unglücksfreitag. „Bürgermeister Faßnacht und Verwaltungspraktikant Weyhmüller liefen schon am Vormittag über die Wiese in den Gemeindewald“, heißt es in Drüppels Text. „Luftschutzwart Heselschwerdt war beim Löschen ebenfalls nicht anwesend; wo er steckte, weiß man nicht. Nicht nur, dass Bürgermeister und Luftschutzwart als Zuständige die ihnen anvertraute Gemeinde im Stich ließen; sie standen durch ihre Flucht nicht einmal als Löschkräfte zur Verfügung, obwohl man jeden Mann hätte brauchen können.“

Als die Amerikaner am Tag nach der Bombardierung gegen 16.30 Uhr mit ihren Panzern in den Ort rollen, versteckt sich der Bürgermeister immer noch im Wald. Dem völligen Versagen der Verwaltung steht glücklicherweise die Solidarität der Dorfbewohner gegenüber. „Jedes Haus, wo sich noch ein Plätzchen zum Unterstellen fand, wo es vielleicht noch einen ungenutzten Anbau gab, jeder Stall, in dem auch noch ein Tier eingestellt werden konnte, beherbergte Sachen oder Vieh der bombengeschädigten Nachbarn“, so Drüppel. Mit vereinten Kräften wurde ab 1946 der Wiederaufbau in Angriff genommen, maßgeblich beeinflusst durch den Ingenieur Oscar Berger. 1950/51 konnte die ausgebrannte Kirche mit einem neuen Kirchturm wiederaufgerichtet werden.