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„Es war eine ganz neue Erfahrung“

Die Steinmetz-Auszubildende Janina Scheurer war im Rahmen eines Austauschprogramms vier Wochen in England

Die Auszubildende Janina Scheurer vom Bildhauerbetrieb „stein gestalten“ in Ötlingen hat im Rahmen des Austauschprogramms „Go for europe“ vier Wochen in England ­verbracht – drei davon an der Bauhütte der Kathedrale von Worcester.

Für Janina Scheurer war es großartig, in einer Kathedrale arbeiten zu dürfen.Fotos: pr
Für Janina Scheurer war es großartig, in einer Kathedrale arbeiten zu dürfen.Fotos: pr

Kirchheim. Begonnen hat alles mit einer Mitteilung durch die Innung an den Ausbilder von Janina Scheurer: Darin wurden die Betriebe aufgefordert, ihren Azubis nahezulegen, am Austauschprogramm teilzunehmen.

Für Steinmetzmeister Jochen Herzog war das überhaupt keine Frage. Sich an die eigene Ausbildung erinnernd, als es so etwas nicht gab, wollte er seiner Auszubildenden diese Gelegenheit nicht vorenthalten. „Als mein Chef mich fragte, ob ich am Programm teilnehmen will, war ich sofort begeistert“, erzählt Janina Scheurer. „Eigentlich wäre ich gerne nach Irland, was auch angeboten wurde. Leider fand sich dort aber kein Steinmetzbetrieb, der am Projekt mitmachen wollte.“ An der Kathedra­le in Worcester wurden die Projektbetreuer dann fündig.

Mitte Oktober ging es los – in einer Gruppe unterschiedlicher Handwerker und Kaufleute aus ganz Baden-Württemberg zunächst nach Birmingham für eine Woche Sprachkurs (berufsspezifisches Englisch). Darauf folgte ein dreiwöchiges Praktikum. Janina Scheurer, die als einzige Steinmetzin an dem Austausch teilnahm, ging an die Kathedrale zu Worcester; die anderen Teilnehmer wurde auf Betriebe in ganz England verteilt.

„Es war für mich großartig, an einer Kathedrale arbeiten zu dürfen – eine ganz neue Erfahrung. Sonst arbeite ich im Grabmalbereich“, erzählt die Auszubildende. „Wir stellen zwar unsere Steine auch alle selbst her, aber irgendwie ist es was anderes, wenn ein Werkstück, das man selbst hergestellt hat, für die Ewigkeit an einer bekannten Kirche verbaut wird.“ In der ersten Woche hat sie einen Stein für das Kaffgesims an einem Turm namens Edgar gefertigt. An diesem finden im Moment die Restaurierungsarbeiten statt. Nachdem sie den Stein gehauen hatte, versetzte sie ihn mit den anderen Steinmetzen gemeinsam am Turm. „Jetzt habe ich einen Stein mit meinem Steinmetzzeichen für die Nachwelt hinterlassen.“

In der zweiten Praktikumswoche rekonstruierte sie eine von Witterungseinflüssen zerstörte Säulenbasis und stellte die Schablonen her, die zur Neuanfertigung benötigt werden. Diese Arbeiten werden in den nächsten Wochen von den Mitarbeitern der Bauhütte ausgeführt. Die letzte Arbeitswoche war der Bildhauerei vorbehalten: Janina Scheurer fertigte nach einer alten Vorlage einen Green Man, eine Maske aus Laubblättern, in Sandstein. Dieses Gestaltungselement ist in der Region an vielen Kirchen und Herrenhäusern verbaut.

In Worcester bekam die Auszubildende auch Orte zu Gesicht, die nicht jeder sehen darf: das Glockengestühl oder andere unzugängliche Bereiche der Kathedrale. Bei einem Besuch in der Kathedralbibliothek gab es auch alte Schriften und Karten aus Württemberg um 1600 zu sehen.

Untergebracht war Janina Scheurer bei einer älteren Dame, die in der Kathedrale arbeitet. Diese hat Janina Scheurer in die englische Gesellschaft eingeführt, ihr einen hervorragenden Schlaf- und Wohnplatz gewährt, sie mit köstlichem Essen versorgt und sie rundum verwöhnt.

Alles in allem ein gelungener Aufenthalt, den Janina Scheurer nicht missen möchte. Auch Jochen Herzog freut sich mit seiner Auszubildenden und kann nur an alle Ausbilder appellieren, solche Gelegenheiten zu nutzen. Denn die Erfahrungen und die gewonnene Selbstsicherheit kommen auch dem Ausbildungsbetrieb zugute.jh