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Grünschnitt-Rallye im Paradiesle

Der Recyclinghof in der Saarstraße sorgt regelmäßig für Verkehrschaos mitten im Wohngebiet

Es ist ein Ärgernis für Anwohner und das seit vielen Jahren. Wenn in den Kleingärten in Kirchheim und Umgebung Hochbetrieb herrscht, wälzt sich eine Blechlawine durchs Wohngebiet entlang der Saarstraße. Auf der Zufahrt zum Kompostierplatz heißt es dann: Dauerstau oder freie Fahrt für Raser – je nach Tageszeit.

Für Anwohner und für Anlieferer eine Nervenprobe: Der Kompostierplatz und Recyclinghof im Paradiesle ist nur durchs Wohngebiet e
Für Anwohner und für Anlieferer eine Nervenprobe: Der Kompostierplatz und Recyclinghof im Paradiesle ist nur durchs Wohngebiet entlang der Saarstraße zu erreichen.Foto: Markus Brändli

Kirchheim. In der Familie ist es der Running Gag, doch eigentlich ist ihm bei diesem Thema nicht zum Lachen zumute. „Wenn draußen das Hupkonzert beginnt, dann wissen wir, es ist 13 Uhr.“ Christian Schneider ist um diese Zeit öfter zu Hause. Als Pilot der Lufthansa hat der 41-jährige Familienvater ungewöhnliche Arbeitszeiten und eher selten ein Verkehrs­problem am Boden. Doch was sich dreimal wöchentlich am Nachmittag und am Samstag in der Früh daheim vor seiner Haustür abspielt, ist für ihn beispiellos. Schneider nennt es die „Grünschnitt-Rallye“, die aus der Saarstraße und den benachbarten Nebenstraßen im Paradiesle einen überlasteten Verkehrsknoten macht.

Wenn im Frühjahr und Herbst in den Gärten gepflanzt, geschnitten und gerodet wird, spielen sich auf dem Zufahrtsweg zum Grünschnitt -Sammelplatz die wildesten Szenen ab. Anlieferer und Rückkehrer, die sich gegenseitig blockieren, entnervte Anwohner, die weder von noch zu ihren Grundstücken kommen und immer wieder Autofahrer, die ausrasten. An manchen Tagen kommt es zu wüsten Beschimpfungen bis hin zu Handgreiflichkeiten. „Die Kinder zum Spielen nach draußen zu schicken, wäre zu solchen Zeiten ein Wahnsinn“, sagt Christian Schneider. Doch eigentlich gilt das immer. Wenn weniger los ist, wird gerast. An Tempo 30 hält sich kaum einer, der mal kurz seine Abfälle loswerden will.

Thomas Müllner wohnt seit 20  Jahren am Ende der Saarstraße und kennt ein ganz anderes Problem. Das Fenster seines Schlafzimmers zeigt in Richtung Recyclinghof. Im Sommer ist an Schlaf oft nicht zu denken. Dass kurz vor Mitternacht oder morgens um fünf Schwerlastzüge mit riesigen Containern anrollen, um Kompostiermaterial abzuholen, hat er schon häufiger erlebt. Manchmal kommen Tieflader, die schweres Gerät abladen. Weil der Sammelplatz auf asphaltiertem Grund liegt, kann dort mit großen Radladern das Material bewegt und umgeschichtet werden. Nicht immer zu den üblichen Betriebszeiten, wie mehrere Anwohner bestätigen.

Darf das sein? Nein, sagt Manfred Kopp, Geschäftsführer des Esslinger Abfallwirtschaftsbetriebes und verspricht, der Sache bei den jeweiligen Vertragsfirmen auf den Grund zu gehen. Allerdings hat für das Grund­problem auch Kopp keine Lösung parat. Der Kompostierplatz des Landkreises besteht seit 26 Jahren. Neue, genehmigungsfähige Standorte zu finden, ist schwieriger denn je. Der Landkreis hat deshalb wenig Interesse, am Status quo etwas zu verändern. „Solange die Stadt uns keine Alternative bieten kann, ist eine Schließung für uns kein Thema“, stellt Kopp klar. Die Stadt allerdings käme eine Verlegung schlicht zu teuer. „Wir müssten nicht nur die neue Erschließung finanzieren, sondern auch die Sanierung des alten Standortes“, sagt Kirchheims oberster Stadtplaner Gernot Pohl. Der Grund, weshalb vor drei Jahren ein Umzug Richtung Kompostwerk nahe der Autobahn scheiterte.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es doch. Zumindest für jenen Teil der Anwohner, die nicht in direkter Nachbarschaft zum Kompostierplatz wohnen. 2018 ist eine umfangreiche Kanalsanierung entlang der Hegelstraße vorgesehen. Eine günstige Gelegenheit für die Stadt, um in der Verlängerung neue Flächen im Gewerbegebiet „Au“ an der Schnittstelle zwischen Ötlingen und der Innenstadt zu erschließen. Damit wäre der Weg frei für die Zufahrt zum Recyclinghof durchs Gewerbegebiet. Eine Lösung, mit der man sich auch im Landratsamt anfreunden könnte. „Wir sind in guten Gesprächen mit dem Kreis“, sagt Gernot Pohl. Er sehe dafür eine große Chance. Bis dahin heißt es unter Anwohnern weiterhin: Kinder weg von der Straße und am Samstag zum Einkaufen möglichst nur zu Fuß.

2 200 Fahrzeuge täglich – in den Weihnachtsferien

Verkehrszählung im Dezember Die Stadt Kirchheim hat nach gehäuften Klagen von Anwohnern im Jahr 2012 in der Saarstraße eine Verkehrszählung veranlasst. Als Untersuchungszeitraum wurde Ende Dezember gewählt, ein Monat, der bei Hobbygärtnern nicht gerade zur Hochsaison zählt. Sieben Prozent zu schnell Trotzdem war das Ergebnis damals verblüffend: 2 200 Fahrzeuge quälten sich pro Tag durch die beidseitig beparkte Saarstraße. In Spitzenzeiten waren es bis 240 Fahrzeuge pro Stunde oder umgerechnet vier pro Minute. Sieben Prozent der Fahrzeuge fuhren 40 Stundenkilometer oder schneller. Im gesamten „Paradiesle“ gilt Tempo 30. Kita verschärft Lage Zahlen, die während der Gartensaison, in der die Grünschnitt-Sammelstelle besonders häufig angefahren wird, deutlich höher liegen dürften. Für zusätzlichen Verkehr sorgt inzwischen auch die Kindertagesstätte Im Doschler, die ebenfalls nur über die Saarstraße zu erreichen ist, und die 2012 noch nicht geöffnet hatte. Kein Warnschild Im Sommer 2013 sind fünf Familien beim städtischen Ordnungsamt mit ihrem Wunsch gescheitert, eine digitale Tempo-Warnanlage aufstellen zu dürfen – finanziert aus privaten Mitteln.bk