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Heiß und fettig

Kochen mit Herrn Harry Hartmann, Zähringer Stuben Weilheim, Helfersbergweg 9, Serie "Kochkunst rund um die Teck" BerufSerieGeric
Kochen mit Herrn Harry Hartmann, Zähringer Stuben Weilheim, Helfersbergweg 9, Serie "Kochkunst rund um die Teck" BerufSerieGericht, Essen, Pfifferlingsrostbraten

Im Winter isst jeder Vierte ungesünder als im Sommer – das hat eine aktuelle Forsa-Umfrage ergeben. Die düstere Jahreszeit macht Lust auf Rouladen, Klöße, deftige Eintöpfe und viel

Fleisch. Und auch wenn die Ernährungstheorien in letzter Zeit immer wilder werden: Das Verlangen nach fettigen Speisen im Winter ist keine Erfindung der Moderne. Laut Psychologe Andreas Jost folgt die Lust nach deftigem Essen einer langen Tradition. Früher habe man im Winter noch kalorienreicher gegessen, mit gutem Grund: Wer zum Beispiel viel Eiweißhaltiges verdrückt, verbraucht schon beim Verdauen Energie und erzeugt damit Wärme, die man im Winter dringend braucht.

Doch das ist noch nicht alles. Die kurzen Tage bringen laut Jost im Menschen einen kindlichen Reflex ins Spiel. Bei wenig Licht im Winter neigen viele Leute zu schlechter, teils depressiver Stimmung. In solchen Phasen erinnert sich der Körper an einen simplen Trick aus Säuglingszeiten. „Wenn die Mutter ein unzufriedenes Kind stillt, ist alles wieder gut“, erklärt Andreas Jost. Das führe dazu, dass auch unter Erwachsenen noch gilt: Essen wird die Sorgen schon vertreiben.

Hört man dann noch von der Winterschlaf-Theorie, wird schnell klar, dass man gegen den winterlichen Heißhunger eigentlich vollkommen wehrlos ist. Die Theorie ist zwar noch nicht bewiesen, besagt laut Andreas Jost aber, dass auch der Mensch den natürlichen Instinkt hat, sich schon mal einen Vorrat für die kalten Monate anzufuttern.

Ernährungsberaterin Indra Pietsch von der Kirchheimer AOK lässt es sich trotz schwieriger Bedingungen nicht nehmen, auch im verregneten Februar für ein wenig Ernährungsbewusstsein zu werben. „Je ungesünder ich im Winter esse, desto mehr habe ich im Sommer damit zu kämpfen“, argumentiert sie. Wer sich einmal am Tag richtig deftige Kost gönnt, solle die anderen beiden Mahlzeiten lieber zurückfahren. Und wer den Gedanken an Salatblätter auf dem Esstisch gerade gar nicht erträgt, könne seinen Kohldampf mit aufgepepptem Wintergemüse stillen. Mithilfe von Kohl ließen sich beispielsweise perfekte Mogelpackungen kreieren: Außen deftig, innen gesund. Noch nicht überzeugt?

Solange es bei den Wintermonaten bleibe, sei ein gelegentlicher Ausrutscher eigentlich auch nur halb so wild, lenkt Indra Pietsch ein: „Das ist schließlich immer eine Frage des Zeitraums.“ Sich ein paar Wochen gehen zu lassen sei schon in Ordnung, aber eben nur ein paar Wochen. Eines haben Heißhungerphase und Winterschlaf nämlich gewiss gemeinsam: Im Frühjahr wachen die meisten wieder daraus auf. Sobald die Blumen sprießen, tut die Sonne ihr Übriges und lockt zu Bewegung und leichtem Essen. Es gilt also mal wieder: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auch nicht die üppigen Winter-Rouladen.

Foto: Jean-Luc Jacques