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Menschen in Krisen nicht alleine lassen

Hilfe Krisenbegleiter sind aus der Arbeit des Arbeitskreises Leben Nürtingen-Kirchheim nicht wegzudenken. Nach den Sommerferien werden neue Begleiter qualifiziert. Von Nicole Mohn

Symbolbild

Eine Trennung, der Arbeitsplatzverlust oder eine belastende familiäre Veränderung - viele Dinge können eine persönliche Krise auslösen. Nicht immer haben Betroffene die Kraft, selbst einen Weg zu finden, damit umzugehen. Sie fühlen sich überfordert und verunsichert, sind gefangen in einem Kreislauf aus Angst und Hilflosigkeit.

Der Arbeitskreises Leben (AKL) Nürtingen-Kirchheim bietet Menschen in einer Krise Unterstützung und Hilfe an. Von der fachlichen Beratung über Gesprächsangebote für Trauernde bis hin zu Gesprächsgruppen gibt es hier eine Vielzahl von Hilfen.

Herzstück der Arbeit im AKL ist seit vielen Jahren die Begleitung von Menschen durch Krisen durch Ehrenamtliche. Die Krisenbegleiter stehen den Ratsuchenden zur Seite. Als Impulsgeber, als Gefährte auf Zeit. Vor allem aber als jemand, der zuhört - wertfrei und unvoreingenommen.

Walter (Namen geändert) ist einer von ihnen. Seit rund zehn Jahren ist er als Krisenbegleiter beim AKL Nürtingen-Kirchheim im Einsatz. Trotzdem ist für ihn jede neue Begleitung immer wieder neu und spannend. „Wir lernen Menschen kennen, mit denen wir sonst nie in Kontakt gekommen wären“, sagt seine Kollegin Gisela. Sich immer wieder neu und ganz bewusst auf das Gegenüber einlassen, offen sein für Lebenskonzepte, die einem selbst vielleicht gänzlich fremd sind, auch das ist Teil der Arbeit.

Das wichtigste aber, was Krisenbegleiter geben, ist Zeit: „Zeit geben, wo kriegt man das heute noch“, meint Walter. Einmal die Woche treffen sich die Krisenbegleiter in der Regel mit ihren Klienten für eine Stunde. „Wann und wo, das ist allen freigestellt“, sagt Ursula Strunk, Geschäftsführerin des AKL. Auch wie die Begleitung gestaltet wird, folgt keinem strikten Muster. Manchmal werden die Begleiter bloß als Zuhörer gebraucht, sozusagen als weiße Reflexionsfläche: „Wenn ich meine Sorgen und Ängste formulieren muss, wird mir oft vieles klarer“, sagt Ursula Strunk. Im Gespräch mit einem neutralen Gegenüber verändere sich auch oft der Blick auf die Situation, kann man gemeinsam Auswege und Lösungen formulieren und umsetzen. Manchmal sind es aber auch ganz praktische Hilfen wie das Erklären von Formularen oder eine Begleitung zum Amt.

Jede Begleitung ist eine Gratwanderung. „Es gibt Momente, da muss ich sagen: Stopp, ich bin kein Therapeut“, sagt Anne, die vor drei Jahren die Qualifizierung zum Krisenbegleiter beim AKL absolvierte. Abstand wahren, um den Überblick zu bewahren, das sei manchmal eine Herausforderung, sagen auch ihre beiden Kollegen. Auch, sich selbst zurückzunehmen, dem Gegenüber nichts überzustülpen oder gar das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen.

Allein gelassen sind die Krisenbegleiter in ihrer verantwortungsvollen Arbeit nie. Die Mitarbeiter des AKL stehen ihnen jederzeit zur Seite. Alle 14 Tage treffen sich die Krisenbegleiter zur Supervision. Hier haben sie die Möglichkeit, sich untereinander über die aktuellen Fälle auszutauschen, sich Rat zu holen und neue Gedanken zu sammeln. „Oft kommt nach der Fallbesprechung das Angebot: Wie können wir dir helfen?“, empfindet Walter diese Runden immer wieder als sehr bereichernd. Ständige Fortbildungsangebote sichern zudem die Qualität der Arbeit.

Im Herbst startet eine neue Qualifizierungsgruppe: Zwölf Teilnehmer möchte der AKL dabei zu neuen Krisenbegleitern ausbilden lassen. Verstärkung, die das Team des Arbeitskreises dringend braucht: Auch im vergangenen Jahr ging die Zahl der Anfragen erneut nach oben: Suchten 2015 noch 282 Menschen Beratung oder Begleitung, waren es im letzten Jahr 329 Männer und Frauen. Ursula Strunk hofft deshalb, dass sich über die neue Qualifizierungsgruppe das Team der Krisenbegleiter verstärken lässt. Aber auch für den AKL-Treff sucht das Team neue Mitarbeiter. „Der Bedarf steigt stetig“, sagt die AKL-Geschäftsführerin.

Ihre Arbeit empfinden alle drei Krisenbegleiter als sehr bereichernd. Sie helfe nicht anderen, meint Anne: In der Qualifizierung und bei der Arbeit als Krisenbegleiter habe sie auch viel über sich selbst gelernt. „In der Qualifizierung geht es zum Beispiel darum: Wie gehe ich selbst mit Krisensituationen um“, berichtet sie. Und Gisela hat noch eine weitere Veränderung an sich selbst festgestellt, seit sie als Krisenbegleiterin tätig ist: „Ich bin einfühlsamer und sensibler geworden.

Qualifizierung zum Krisenbegleiter

Die neue Qualifizierungsgruppe zum Krisenbegleiter startet nach den Sommerferien. Insgesamt umfasst die Ausbildung 14 Termine. Die Teilnehmer verpflichten sich im Anschluss an die Qualifizierung, mindestens für zwei Jahre beim AKL als Krisenbegleiter mitzuarbeiten. Informationen dazu gibt es telefonisch unter der Nummer 0 70 22/3 91 12, im Internet auf der Seite ak-leben.de oder per E-Mail an akl-nuertingen@ak-leben.de. zog