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„Nils Schmid, is det en Abjeordneter?“

Premiere In Stuttgart kennt ihn jeder, in der Hauptstadt ist er noch wenig prominent. Den SPDler Nils Schmid stört das nicht. Ein Besuch in Berlin. Von Mona Beyer

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD, Anfang Februar bei einer Rede im Plenarsaal des Bundestags: Stärkt ihm CSU-Koali
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD, Anfang Februar bei einer Rede im Plenarsaal des Bundestags: Stärkt ihm CSU-Koalitionspartner und Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich den Rücken?Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde

Viel zu weit weg von Frankreich! Das sagt Nils Schmid energisch, wenn man ihn fragt, ob Berlin eine Stadt ist, in der er leben könnte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürtingen sitzt in seinem Berliner Büro im dritten Stock des Paul-Löbe-Hauses, wenige Schritte vom Reichstagsgebäude entfernt. Schließlich lacht er und lenkt ein: Nein, an seinem Wohnort Reutlingen und auch am Nürtinger Wahlkreis gefallen ihm natürlich auch noch andere Dinge als die Nähe zu Frankreich. Vor allem die Natur, die Blaue Mauer. Trotzdem erinnert die Szene ein wenig an einen alten Witz: „Das Schönste an Karlsruhe ist die Autobahn nach Stuttgart“, die Städte sind dabei natürlich beliebig austauschbar.

Alter Hase auf neuem Terrain

Dr. Nils Schmid, 44 Jahre alt, ist ein alter Hase im Politikgeschäft. Von 2009 bis 2016 war er Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg, fünf Jahre lang war er Finanzminister im Land unter Winfried Kretschmann. Spätestens im Zusammenhang mit den Diskussionen um Stuttgart 21 hat ihn wahrscheinlich jeder im Ländle mal im Fernsehen gesehen. Doch jetzt, in Berlin, ist er der Neue. Sagt man an der Pforte des Paul-Löbe-Hauses, einem riesigen, glasigen Gebäudekomplex, man habe einen Termin mit ihm, lautet die Antwort: „Nils Schmid? Is det en Abjeordneter?“

Wie es wohl ist, als ehemaliger Polit-Promi an einen Ort zu kommen, an dem man seinen Nachnamen erst mal buchstabieren muss? „Eigentlich gar nicht so komisch“, sagt Schmid. Er habe den Schritt in die Bundespolitik bewusst gemacht. Er wollte einen Tapetenwechsel. Hier, in Berlin, sei eben alles größer als in Stuttgart. Es sei die einzige, richtige Metropole in Deutschland, da müsse nicht jeder gleich seinen Namen kennen. Schmids Hauptstadt-Büro ist schick eingerichtet: schwarze Ledersessel, aufgeräumter Schreibtisch, ein paar Bücher im Regal. Es passt alles zu diesem Beton- und Glaskoloss, in dem es untergebracht ist. Nur in einer Ecke des Büros stehen noch einige Umzugskartons.

Es ist noch nicht so lang her, dass Nils Schmid in das Büro eingezogen ist. 78 Abgeordnete mehr als 2013 müssen in dieser Legislaturperiode in Berlin untergebracht werden. Das heißt auch: 78 zusätzliche Büros, die erst mal gefunden werden müssen. In den Sitzungswochen, etwa 21 im Jahr, haben die Abgeordneten meist anderes zu tun, als ihre Kartons auszupacken. Ihr Alltag im politischen Berlin ist strikt durchgetaktet. Um 9 Uhr morgens geht’s los, das Ende des Arbeitstages hängt davon ab, wie viele namentliche Abstimmungen es gibt. Häufig kommt Nils Schmid in dieser Zeit nicht vor 22 Uhr nach Hause, sagt er. Die 31 anderen Wochen im Jahr verbringt er im Wahlkreis und zu Hause.

Dass Schmids Berliner Tage so lang sind, liegt auch daran, dass seine Fraktion ihn erst kürzlich zum außenpolitischen Sprecher gekürt hat. Ein Gebiet, das man in seinem Lebenslauf bisher vergeblich sucht. Doch der Reutlinger scheint nicht zu glauben, dass das ein Nachteil ist. „Sicherlich gibt es Menschen, die auf diesem Gebiet mehr Erfahrungen haben als ich“, sagt er. „Andererseits bin ich seit über 20 Jahren in der Politik. Und ich hatte schon immer viele Berührungspunkte mit internationalen Themen.“

Schmid liebt Frankreich

Tatsächlich fängt die Geschichte von Nils Schmid und der großen Welt, vor allem Frankreich, früh an: Schon in der Schule, sagt er, entwickelt er eine Leidenschaft für das Nachbarland, nimmt Französisch als erste Fremdsprache, macht den Schüler-Austausch mit. Sein Bezug zu Frankreich und das Interesse für internationale Politik sind auch ein Grund, warum er den Schritt aus dem gemütlicheren Landtag nach Berlin gemacht hat. Er findet, Deutschland hat eine Rolle zu spielen in der Welt. Dafür will er stehen.

In all dem Trubel hatte Nils Schmid noch nicht wirklich Zeit, sich sein neues Teilzeit-Zuhause richtig anzusehen. Er hat sich eine kleine Wohnung in der Nähe des Regierungsviertels genommen, läuft viel zu Fuß, damit er auch etwas außerhalb des Plenarsaals mitkriegt. Manchmal geht er mit seinem Sohn frühstücken, der in Berlin studiert. Und sobald die Sitzungswoche am Freitagabend ein Ende hat, fährt er so schnell wie möglich nach Hause. Dort warten seine Frau Tülay und seine kleine Tochter. Der neue Job in Berlin ist nicht nur für ihn eine Umstellung.

Schmids Berlin-Tipps

Das Borchardt: „Es weiß ja ohnehin jeder, dass das hier eine Institution der Berliner Republik ist, wie der Reichstag oder seine Kuppel“, schrieb mal ein Tagesspiegel-Journalist über das Restaurant Borchardt in der Französischen Straße in Mitte. Wer das kosmopolitische Berlin erleben will, ist hier richtig. Kulinarisch wohl zu empfehlen: Die Schnitzel und die edlen französischen Gerichte. Nils Schmid sagt: „Ach, es ist einfach nett da.“

Museum Barberini in Potsdam: Wer nach zwei Tagen in Berlin genug vom Hauptstadt-Stress hat, dem empfiehlt Nils Schmid einen Abstecher nach Potsdam. Das sei nicht nur eine hübsche Stadt, sie sei auch reich an Kultur. Sein Highlight: Das Kunstmuseum Barberini im Palast Barberini.

Ein Tag im Park: In Berlin lauert an jeder Ecke ein weitläufiger Park, in dem es sich wunderbar spazieren gehen lässt. Den Volkspark Friedrichshain, Berlins älteste öffentliche Grünanlage, schätzt Nils Schmid besonders. Bei einem Spaziergang erinnern viele Denkmäler an historische Ereignisse in Deutschland.mona