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Sehnsucht nach Italien

Kultur Ulrike Goetz und Birgit Zacharias bieten in der Kirchheimer Stadtbücherei „Sommer(nachts)träume“ für Daheimgebliebene. Von Ulrich Staehle

Das Frauen-Duo Ulrike Goetz (rechts) und Birgit Zacharias in der Stadtbücherei. Foto: Markus Brändli
Das Frauen-Duo Ulrike Goetz (rechts) und Birgit Zacharias in der Stadtbücherei. Foto: Markus Brändli

Ausgerechnet beim letzten Termin dieses Jahres von „Texte und Töne“, einer Veranstaltungsreihe, die ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiert, musste Ingrid Gaus das Programm umwerfen. Die Leiterin der Stadtbibliothek hat dieses beliebte Angebot für Daheimgebliebene entwickelt. Es galt, für den bewährten, jetzt erkrankten Burkhard Engel einen Ersatz zu suchen.

Das auf die Schnelle engagierte Frauenduo Ulrike Goetz und Birgit Zacharias weckte durchaus vielversprechende Erwartungen. Der Titel des Programms „ Sommer(nachts)träume. Fernweh und Sehnsuchtspoesie“ entspricht genau den Intentionen von „Texte und Töne“: Das daheimgebliebene Publikum darf mithilfe der Literatur in der Phantasie auf Reisen gehen.

Wohin die Reise diesmal geht, wird auf dem Podium schon mit den azurblauen Stellwänden im Hintergrund signalisiert: Es geht in die Welt der Romantik auf der Suche nach der „Blauen Blume“, und es geht in den Süden zum strahlend blauen Himmel und zum blauen Meer. Tatsächlich lässt Ulrike Goetz gleich Eichendorff mit dem zum Zauberspruch der Romantik gewordenen Vierzeiler „Schläft ein Lied in allen Dingen...“zu Wort kommen. Dann geht die Reise weiter nach Italien, dem Sehnsuchtsland der Deutschen schon zur Goethezeit. Mignons Lied aus Goethes „Wilhelm Meister“: „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn…“ ist zum sprachlichen Inbegriff der Italien-Sehnsucht geworden. Diese Sehnsucht gibt es heute noch, wie es Ausschnitte aus dem Roman „Fremde Leute“ der Esslinger Schriftstellerin Anna Breitenbach zeigen: In der Frühzeit der Bundesrepublik erlebt ein Kind die Fahrt nach Italien auf dem Rücksitz eines Autos. Im nächsten Text schwärmt Fanny Hensel, Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy in einem Brief an die Familie vom Comer See, selbst Rosa Luxemburg kann im Gefängnis in einem Brief an Sophie Liebknecht von der Insel Korsika nur träumen. Ganz in „klassische“ Romantik getaucht sind die Erlebnisse von Franz in Ludwig Tiecks „Franz Sternbalds Wanderungen“. Italien ist nicht nur Landschaft und Sonne, sondern ein Land voller Lebens- und Sinnenfreude , ein Lebensraum von Kunst und Künstlern.

Nach der Pause kamen dann eher Texte zu Wort, die die romantischen Schwärmereien ironisch auflösen. Die Ankunft der Familie in „Fremde Leute“ ist schon vom Massentourismus gekennzeichnet. Die Italienphantasien von Heines „Schnabelewopski“ beziehen sich auf ein köstliches fettiges Makkaronigericht und Eugen Roths „Mensch“ erlebt in Italien eine große Enttäuschung: Die Realität entspricht nicht den Versprechungen des Reiseprospekts.

Die Profisprecherin Ulrike Goetz, in Wanderkleidung mit Schildkappe und blauen Wanderstiefeln ausgestattet, gestaltete die Lesung der Texte mit Hingabe. Ihr Vortrag beeindruckte. Im zweiten Teil zeigte sie eine Steigerung der Lebendigkeit. Das lag an den frechen Texten, doch auch im ersten Teil hätte man sich etwas mehr Publikumskontakt gewünscht, wie auch immer. Zum Gelingen des Abends trug entscheidend die Konzertgitarristin Birgit Zacharias bei. Ganz entspannt gab sie in ihren virtuosen Soli und ihren musikalischen Untermalungen Kostproben ihres überragenden Könnens.