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Sicher auf dem Rad unterwegs

Kindererziehung Aufgrund der Pandemie mussten viele Schüler auf die Fahrradschule verzichten. In Nürtingen und Altbach schaffen Polizeibeamte in den Ferien eine Alternative. Von Sabrina Kreutzer

In der Jugendverkehrsschule Nürtingen haben Viertklässler die Möglichkeit, das Radfahren zu üben. Fotos: Jürgen Holzwarth
In der Jugendverkehrsschule Nürtingen haben Viertklässler die Möglichkeit, das Radfahren zu üben. Fotos: Jürgen Holzwarth
Polizeibeamtin Carmen Köhler zeigt den Schülern, worauf sie im Straßenverkehr achten müssen.
Polizeibeamtin Carmen Köhler zeigt den Schülern, worauf sie im Straßenverkehr achten müssen.

Es ist 9 Uhr morgens in den Sommerferien. Auf dem Verkehrsübungsplatz neben dem Freibad wird fleißig trainiert: Neun Viertklässler lernen das Verhalten im Straßenverkehr - gemeinsam mit ihren Eltern und den Polizeibeamten Carmen Köhler und Michael Neubrand von der Abteilung Prävention.

Bevor es auf das Rad geht, muss erst einmal der richtige Sitz des Helms überprüft werden. Carmen Köhler gibt einen hilfreichen Tipp: „Wenn ihr mit der Hand von unten gegen das Vorderteil des Helms schlagt, darf er nicht nach hinten rutschen. Sonst seid ihr im Falle eines Sturzes nicht richtig geschützt.“

Doch warum treffen sich die Schüler in den Ferien, um ein Fahrradtraining zu machen? Eigentlich lernt man das doch in der Schule. „Aufgrund von Corona wurde der Fahrradunterricht im März abrupt abgebrochen“, sagt Markus Lorenz, Referent für Verkehrsprävention im Polizeipräsidium. Von 107 Klassen im ganzen Gebiet des Präsidiums konnten 53 Klassen nicht weiter unterrichtet werden. „Es fand alles im Fernunterricht statt“, so Lorenz. Die Kinder hätten die Theorie zum größten Teil zu Hause lernen müssen - praktische Übungen kamen nicht mehr zustande.

Um diese Lücke etwas zu füllen, hat sich das Polizeipräsidium ein Alternativangebot überlegt: das „Freie Übungsangebot Radfahren“. Hier haben Viertklässler gemeinsam mit ihren Eltern die Möglichkeit, das Theoretische in die Praxis umzusetzen. „Natürlich ist das kein Ersatz für die eigentliche Ausbildung“, betont Lorenz. Es folge keine Prüfung und die Kinder erhielten nach Abschluss nicht den begehrten „Fahrradführerschein“, so Lorenz: „Es ist ein Märchen, dass Kinder nur damit am öffentlichen Straßenverkehr teilhaben dürfen. Die Eltern müssen entscheiden, ob ihr Kind fit ist oder nicht.“

Nachdem die Kinder ihre Helme richtig aufgesetzt haben, bekommen sie ihre Fahrräder. Und dann geht es los. Langsam drehen die Schüler ihre ersten Runden, zunächst mit geringem Schwierigkeitsgrad: Die Kinder müssen auf die Verkehrszeichen achten. Das heißt, vor einem Stopp-Schild anhalten und schauen, ob alles frei ist. Oder sie müssen die Regel „rechts-vor-links“ beachten. „Wir sagen immer ’rechts hat Vorfahrt’“, sagt Carmen Köhler. „Schulterblick nicht vergessen und Handzeichen geben“, ruft Köhler über den Platz. Ein paar Meter weiter haben die beiden Polizisten eine kleine Baustelle aufgebaut: Ein Hindernis beschränkt die Sicht, Verkehrshütchen verengen die Fahrbahn. Die Polizistin erklärt den Kindern, wie sie sich in solch einer Situation verhalten müssen: „Ihr fahrt so weit vor, wie das Hindernis breit ist. Dort bleibt ihr dann stehen. Aber so, dass ihr den Gegenverkehr nicht behindert.“

Angelika Strumberger ist die Mutter des Viertklässlers Ben. Sie ist mit ihrem Sohn schon das zweite Mal hier in der Jugendverkehrsschule: „Es ist mir einfach wichtig, dass er lernt, auf der Straße sicher zu fahren. Dafür braucht es Übung und er muss die Regeln kennen.“ Unter fachkundiger Anleitung könne er das am besten lernen, sagt sie.

Ganz alleine auf die Straße lassen, würde Angelika Strumberger ihren Sohn aber noch nicht: „Es kommt drauf an, wo. In Neuffen, wo wir wohnen, vielleicht schon. Aber ihn alleine nach Nürtingen fahren lassen, würde ich nicht.“ Ähnlich sieht es auch Zhen Flammer. Die Mutter der zehnjährigen Celine sagt: „Um wirklich alleine auf der Straße fahren zu dürfen, muss sie noch ein bisschen mit ihrem Papa üben.“

„Anders als im echten Straßenverkehr, dürfen hier im geschützten Raum noch Fehler passieren“, sagt Carmen Köhler. Die Polizistin nimmt sich Zeit für jedes Kind, erklärt ihnen, auf was sie achten müssen und wie sie etwas besser machen können. Auch für Fragen der Eltern nimmt sie sich Zeit.

Als sie in der nächsten Runde die Ampeln einschaltet, wird es etwas schwerer. Manche Kinder sind sich nicht mehr sicher, auf was sie nun achten müssen. Daher ruft Köhler sie zu sich und erklärt ihnen die Hierarchie: „Wenn ich als Polizistin auf der Kreuzung stehe, habe ich das Sagen. Dann kommt die Ampel. Wenn die aus ist, müsst ihr auf die Schilder achten. Wenn keine Schilder da sind, gilt ,rechts hat Vorfahrt’.“

Zu guter Letzt bildet Polizeibeamter Michael Neubrand ein Zügle mit den Schülern: Er fährt voraus, sie fahren ihm hinterher. „Hier verlassen die Kinder sich oft auf den Vordermann und machen dieselben Fehler“, sagt Carmen Köhler. Doch die Neuffener Schüler schlagen sich gut: Sie fallen auf fast keinen der eingebauten Tricks herein. „Ich muss euch ganz arg loben“, sagt Carmen Köhler am Ende der eineinhalbstündigen Trainingseinheit: „Ihr seid super gefahren und immer besser geworden.“ Sie betont, wie wichtig es ist, weiterhin zu üben: „Bleibt dran, sonst fallt ihr zurück und vergesst wichtige Sachen.“ Sie weist auch die Eltern darauf hin, regelmäßig mit ihren Kindern zu üben: „Es geht hier um lebenswichtige Dinge. Ihre Kinder lernen das fürs Leben.“

Weitere Termine zum Üben

Durch die große Nachfrage gibt es in den Sommerferien weitere Trainingstermine für das „Freie Übungsangebot Radfahren“ in der Jugendverkehrsschule Nürtingen. Nicht nur Kinder aus Nürtingen können teilnehmen. Jeweils zwei Kurse pro Tag, von 9 bis 10.30 Uhr und von 11 bis 12.30 Uhr, finden statt am: Mittwoch, 2. September, Dienstag, 8. September, Mittwoch, 9. September sowie am Donnerstag, 10. September.

Eine Anmeldung ist erforderlich montags und freitags jeweils zwischen 8 und 14 Uhr telefonisch unter 07 11/3 99 01 23 oder 07 11/3 99 01 28.

Weitere Übungsmöglichkeiten gibt es in der Jugendverkehrsschule Altbach. Die Termine sind im Internet unter www.kvw-esslingen.de/radfahrausbildung zu finden. skr