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SPD sieht „realistische Chance“, den Kanzler zu stellen

Kreisparteitag Die SPD im Kreis Esslingen präsentiert sich hoch motiviert und bestätigt Beck als Vorsitzenden.

Der Europa-Abgeordnete Peter Simon sieht das Erstarken der Rechtspopulisten mit großer Sorge.Foto: Katja Eisenhardt
Der Europa-Abgeordnete Peter Simon sieht das Erstarken der Rechtspopulisten mit großer Sorge.Foto: Katja Eisenhardt

Notzingen. Der „Schulz-Effekt“ blieb auch beim Kreisparteitag nicht unerwähnt: „16 000 Menschen sind in die SPD eingetreten, seit Martin Schulz Kanzlerkandidat ist“, betonte der Kreisvorsitzende Michael Beck in seiner Bewerbungsrede für die Wiederwahl zum Kreisvorsitzenden, „seit langem haben wir wieder einmal die realistische Chance, den Kanzler der Bundesrepublik zu stellen.“ Und dennoch: Ausschließlich am Kanzlerkandidaten wollen die Kreis-SPDler den Erfolg nicht messen. Beck betonte, dass es bei der Bundestagswahl um mehr gehe als um eine Person. So drehe sich der Wahlkampf um dringend notwendige Investitionen wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Investitionen in Schulen und Kitas, die Polizei oder auch um echte Entlastungen in der Pflege und in Krankenhäusern.

Vor dem Hintergrund der sich vielerorts im Aufschwung befindlichen Rechtsnationalisten und -populisten müsse man sich besser aufstellen, das Vertrauen der Menschen durch ein lösungsorientiertes, gemeinschaftliches Handeln zurückgewinnen. Angesichts des Terrorismus und seiner Folgen, der Schere zwischen Arm und Reich, einer ungerechten Steuerpolitik oder auch der hohen Jugendarbeitslosigkeit in einigen europäischen Ländern sei deutlich, dass die einzelnen Staaten „alleine relativ wenig ausrichten können“. Das Positionspapier „Für ein starkes und solidarisches Europa“ wurde daher auf dem Kreisparteitag einstimmig beschlossen.

„Die SPD muss für ein sozialeres und solidarischeres Europa eintreten. Das heißt zunächst, dass Europapolitik zentraler Bestandteil der nationalen Politik sein muss“, erklärte der Kreisvorsitzende. Es dürften nicht mehr allein die ökonomischen Werte in den Blick genommen werden. Die europäische Zusammenarbeit könne nicht funktionieren, wenn sich jeder Mitgliedsstaat allein um den eigenen Gewinn kümmere, sonst laufe es am Ende wie in Großbritannien.

Stichworte wie Steuerflucht, Kapitalmarktregulierung und Gewinnverschiebung großer Konzerne zeigten, „dass wir unser Verständnis von sozialer Gerechtigkeit auch europäisch, und nicht nur eigenständig national, umsetzen müssen.“

Weitere zentrale, langfristige Handlungsfelder der EU seien ein europäisches Asylsystem mit gerechten Verteilquoten und gemeinsamen Standards, eine intensivere gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik und eine klare europäische Kompetenz im Außenhandel. Darüber hinaus müsse das Thema der Finanztransaktionssteuer forciert werden, deren Erlöse dann aber nicht an die Nationalstaaten fließen. Europa reiche als Binnen- und Kapitalmarktunion nicht aus: „Wir brauchen Investitionen in Menschen und Fähigkeiten.“

Das bestätigte Peter Simon (SPD), seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments: Das Erstarken der Rechtspopulisten, der Brexit oder auch die Tatsache, „dass die Welt von immer mehr Verrückten wie Trump oder Erdogan regiert“ werde, rüttle an den europäischen Grundfesten. Es sei eine grundlegende Diskussion notwendig, wie man Europa wieder funktionsfähig bekomme, und wie man den Menschen ihren Glauben an die Fähigkeit zur Problemlösung zurückgeben könne. Jeder schaue momentan nur darauf, was er für sich selbst rausholen beziehungsweise abwehren könne: „Die Summe von 28 nationalen Egoisten ergibt aber kein einheitlich funktionierendes Europa.“ Das zeige auch die fehlende einheitliche Sicherheits- und Außenpolitik. Sowohl was das europäische Friedensversprechen für innen und außen als auch das europäische Wohlstandsversprechen angehe, gebe es viel zu tun. Katja Eisenhardt