Lenninger Tal

Der Wert des Wanderns

Tourismus Landkreis und Kommunen wollen mit zertifizierten Wegen den Albtrauf für Wanderer und Urlauber attraktiver machen. Und dabei die lokale Wirtschaft ankurbeln. Von Bernd Köble

Wandern auf der Alb, wie hier am Breitenstein - bald auf zertifizierten Prädikatswanderwegen?Foto: Carsten Riedl
Symbolbild: Carsten Riedl

Einzigartig und unverwechselbar, so sehen Tourismusexperten die Schwäbische Alb, und immer mehr Urlauber scheinen diese Meinung zu teilen. Die Alb-Region verzeichnet landesweit den größten Zuwachs, was Gästezahlen betrifft. Entlang des Traufs will man eine Zielgruppe nun besonders ins Visier nehmen. Nach der Vorstellung eines umfangreichen Radwegekonzepts arbeiten Landkreis und Kommunen gemeinsam an einem Masterplan für Wanderer. Das Ziel: so genannte Premiumwanderwege, durchgängig beschildert und als gemeinsames Markenzeichen beworben, dazu nützliche Informationen zu Gastronomie, Quartieren und Direktvermarktern. Mit im Boot: Albverein und Tourismusverbände, die Landkreise Esslingen und Reutlingen, Naturschutz und Forstverwaltung und natürlich die beteiligten Kommunen.

Davon verspricht man sich vor allem eines: mehr Umsatz. Der Tourismusverband Schwäbische Alb taxiert das Potenzial im zweistelligen Millionenbereich. Damit das Ganze nicht nur nach Wirtschaftsinteressen klingt, führen die Befürworter auch Umweltaspekte ins Feld: Durch die gezielte Lenkung der Besucherströme würden an anderer Stelle sensible Naturräume geschont und das bestehende Wegenetz bereinigt. „Damit nicht länger jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kocht“, wie Landrat Heinz Eininger bei der gestrigen Vorstellung des Grobkonzepts im Umweltausschuss des Kreistags betonte.

Klingt gut, wird jedoch bei Weitem nicht von allen so gesehen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Anrainer-Kommunen ist dabei. Die Stadt Weilheim etwa hält sich raus: überflüssig und zu teuer, urteilt Rathauschef Johannes Züfle und ist damit nicht allein. Schließlich entfallen auf die teilnehmenden Kommunen nicht nur die Hälfte der Umsetzungskosten in Höhe von insgesamt 800 000 Euro, sondern auch fortlaufende Kosten für dauerhaftes Marketing. „Wir haben in Weilheim gut beschilderte Wege, eigenes Kartenmaterial und mit unserer Innenstadt-Initiative für eine spürbare Belebung der Gastronomie gesorgt,“ sagt Züfle. „Es gibt keinen Grund, da noch eine Schippe draufzulegen.“

Seine Owener Kollegin Verena Grötzinger sieht das anders. Sie hat sich das Thema Tourismusförderung bei ihrer Wiederwahl vor wenigen Wochen groß auf die Fahnen geschrieben und gilt als treibende Kraft unter Kollegen. Für sie ist lokales Marketing gut angelegtes Geld. Ihr Motto: „Manchmal muss man Risiken eingehen, um hinterher beurteilen zu können, ob es das wert war oder nicht.“ Für sie geht es auch darum, Gastronomen, Händlern und Gewerbetreibenden ein Signal zu senden, das bedeuten soll: Die Stadt unterstützt euch. Deshalb hat sie mit den Nachbargemeinden Lenningen und Erkenbrechtsweiler eine Standortstudie angestoßen, die ein Stimmungsbild zeichnen soll. Owen ist ein Musterbeispiel für die Probleme im ländlichen Raum. Trotz idealer Lage ist die Gastronomie das Sorgenkind. Drohende Schließungen, ungeklärte Betriebsnachfolgen. Übernachtungsmöglichkeiten: Fehlanzeige. „Wer will, dass in den Gemeinden investiert wird, der muss in Vorleistung gehen“, sagt Grötzinger.

Vielerorts sieht man das ähnlich. Bei der Vorstellung der Pläne im Juli in Bad Urach haben sich 25 Projektkommunen mit Vorschlägen für 30 besonders reizvolle und naturbelassene Premiumwanderwege eingebracht. Neun davon liegen im Kreis Esslingen.

Erfolgreiche Beispiele – geteiltes Echo

Die Wanderkonzeption folgt dem Beispiel anderer Regionen. Die „Traufgänge“ in Albstadt, die „Donauwellen“ im Kreis Tuttlingen oder die „Traumpfade“ in Mayen-Koblenz sind Beispiele erfolgreichen Marketings. Auf den „Traumpfaden“, dem mit acht Jahren ältesten Projekt in Deutschland, waren 2015 rund 330 000 Wanderer unterwegs. Die Region verzeichnete in den vergangenen vier Jahren ein Plus von 35 Prozent bei Übernachtungen.

Das Echo ist geteilt. Im Kreis Esslingen sind mit Beuren, Bissingen, Erkenbrechtsweiler Kirchheim, Kohlberg, Neuffen, Nürtingen und Owen acht Kommunen zur Mitarbeit bereit. In den Rathäusern in Dettingen, Neidlingen, Lenningen und Weilheim besteht bisher kein Interesse.

Die Kosten von 800 000 Euro für die Umsetzung soll zur Hälfte das Land übernehmen. Die andere Hälfte entfällt auf die Kommunen anteilig ihrer Wanderwege-Kilometer.

Neun Vorschläge für Premium-Wanderwege kommen aus dem Kreis Esslingen, darunter Wege an der Bassgeige, rund um die Teck, zwischen Käppele und Bürgerseen oder entlang des Heidengrabens bei Erkenbrechtsweiler.bk