Lenninger Tal

Die Flüchtlinge kommen

59 Asylbewerber beziehen ehemaliges Hotel Prisma in Plochingen – Ängste bei Jugendlichen im nahen Jugendhaus

Noch fehlen die Mülltonnen und das eine oder andere Bett. Sonst ist alles bereit für die 59 Flüchtlinge, die am kommenden Donnerstag ins ehemalige Hotel Prisma in den Lettenäckern in Plochingen einziehen. Es sind vorwiegend junge Männer Anfang 20 und zwei oder drei Familien. Darunter Syrer, Afghanen, Jesiden aus dem Irak, Gambier, Togolesen und Russen.

Plochingen. Teppichboden, helle Möbel, Duschbad, Kochnische, Fernseher – die Zimmer im ehemaligen Hotel Prisma in Plochingen seien im Vergleich zu vielen der 55 Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis einigermaßen komfortabel, sagt Christian Siegler, beim Landratsamt für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig, bei einer Besichtigung für Ehrenamtliche und Nachbarn. „Das Mobiliar war beim Kauf enthalten, also lassen wir’s auch drin.“ Die Menschen werden zu dritt oder viert in den Zimmern wohnen. „Die Fünf- und Sechsbettzimmer vergeben wir nur an Familien“, sagte Martin Hermann, der künftige Wohnheimleiter. Dass ein russisches Paar mit drei Kindern kommt, stehe schon fest.

Bürgermeister Frank Buß war die Vorab-Begehung wichtig. Er setzt auf Transparenz gegenüber der Nachbarschaft. „Es wäre fatal gewesen, wenn hier nächsten Donnerstag einfach ein Bus gehalten hätte, aus dem 59 Menschen aussteigen.“ Theoretisch können bis zu 100 Flüchtlinge hier wohnen. Doch der Brandschutz ist bisher nur für 59 ausgelegt. „Wir müssen das noch optimieren. Es wird dauern, bis wir aufstocken können“, sagt Siegler. Wie lang, könne er nicht sagen.

100 Ehrenamtliche stehen inzwischen bereit, die sich zum Teil seit einem halben Jahr auf die Ankunft der Flüchtlinge vorbereiten. Einige sind bei der Besichtigung dabei. Die Spannung, bei manchen auch ein bisschen Aufregung, ist spürbar. Ob man denn da einfach ins Haus reingehen könne? Wie man mit den Menschen in Kontakt treten solle? Das sind nur einige der vielen Fragen, die sie an die Mitarbeiter des Landratsamts und Regine Mack von der AWO stellen.

Beim ihrem letzten Treffen haben die Ehrenamtlichen des lokalen Bündnisses für Flüchtlinge fünf Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gebildet: Willkommenskultur, Begleitung, Öffentlichkeitsarbeit, Sprache, Integration / Betätigung. Gottfried Gienger ist der Vorsitzende der Steuerungsgruppe. Der langjährige Musikschulleiter ist seit einem Jahr in Rente und versteht die Aufgabe als Teil der Friedensarbeit, für die er sich einsetzt. „Einige von uns wollen am Donnerstag da sein, wenn die Flüchtlinge mit dem Bus aus Karlsruhe ankommen“, sagte Gienger. Er weiß, dass die Menschen dann erst mal ihre Zimmer beziehen, den Barscheck über 325 Euro bei der Kreissparkasse einlösen und das Nötigste zum Essen einkaufen müssen. „Wir bauen einen Stand mit Brezeln auf, einfach als Zeichen, dass sie hier willkommen sind“, sagt Gienger. Stadtpläne wollen sie auslegen. „Und ein Schoklädle aufs Kopfkissen legen.“ Auch Beate Ternberger will sich in der Gruppe engagieren. Sie wohnt in einem der Einfamilienhäuser in den Lettenäckern II. „Meine Mutter ist im Krieg geflohen. Sie hat erlebt, was es heißt, wenn man nicht willkommen ist“, sagt sie und will etwas dafür tun, dass es den Flüchtlingen in Plochingen anders ergeht.

Gottfried Leibbrand will mit ein paar anderen in den kommenden Tagen Flyer in der Nachbarschaft mit einer Kontaktadresse zu den Ehrenamtlichen verteilen. Das soll helfen, Ängste und Barrieren abzubauen, denn die gibt es: „Wenn die herkommen, dann gucken wir, dass wir hier wegkommen“, hätten ein paar Jugendliche gesagt, als sie von der Flüchtlingsunterkunft hörten, erzählt Florian Stifel, Leiter des Jugendtreffs im benachbarten Dietrich-Bonhoeffer-Haus. „Manche haben Befürchtungen wegen Drogen. Ein paar Mädchen haben mich gefragt, ob sie da abends noch rausgehen können.“ Da gehe es nicht um Fremdenfeindlichkeit, betont er. Viele der Jugendlichen kämen aus Russland, Albanien, der Ukraine oder aus Polen. „Einige haben als Kinder selbst mal in so einer Massenunterkunft gelebt. Die wissen, wie das ist und welche Probleme auftauchen können.“ Die Lettenäcker sind sehr dicht besiedelt. „Es ist so eng und hellhörig hier, dass die Nachbarn jedes Geräusch mitkriegen.“ Stifel weiß das nur zu genau. „Ich war sieben Jahre beschäftigt, vor dem Jugendtreff für Ruhe zu sorgen. Da gab es immer wieder Probleme auch mit aggressiv auftretenden Jugendlichen. Aber jetzt ist es wirklich gut.“ Er hat ein wenig Bedenken, wie es wird, wenn so viele junge Männer im Prisma wohnen und abends draußen sitzen. „Das wird eine große Umstellung. Die Lettenäcker sind ein Dorf. Hier kennen sich alle, sehr viele sind verwandt, gerade bei den russisch- und türkischstämmigen Familien.“