Lenninger Tal

Vielschichtige musikalische Gemälde

Konzert „Chili-Chor-Carne“ begeistert mit dem reizvollen Kontrast von Barock und Jazz

Owen. An einem herrlich goldenen Herbsttag erfüllte der „Chili-Chor-Carne“ die Owener Marienkirche mit wunderschöner und exklusiver Chormusik. Das Programm bestand aus sensibel und klug gewählter und ausgesucht wertvoller Chorliteratur, die gegensätzlicher nicht sein konnte, denn auf dem Programm standen nur drei Namen: Vivaldi, Chilkott, Whitacre, damit verbunden: Barock und Jazz als spannungsreiche Gegenspieler.

Genau damit konnten Dirigent Sebastian Auer, sein Chor und die handverlesenen Musiker dem in großer Anzahl erschienenen Publikum einen unbeschreiblich schönen und außergewöhnlichen Hörgenuss bereiten. Sebastian Auer begrüßte souverän-zurückhaltend und führte die Zuhörer behutsam an die beiden „musikalischen Pole“, die sich nur scheinbar widersprachen, in Wahrheit jedoch gerade durch die sehr unterschiedlichen Herkünfte und Stilmerkmale gegenseitig bereicherten und ergänzten.

Am Anfang des Abends stand das Gloria in D von Antonio Vivaldi aus der Zeit um 1716. Dieses bekannteste geistliche Chorwerk des Vivaldis bot den Musikern eine breite Leinwand, um das farbenprächtige und sehr vielschichtige musikalische Gemälde dieses Abends entstehen zu lassen. Chor und Musiker trugen gleich zu Beginn mit dem „Gloria“ und dem „Et in terra pax“ eine tragende Grundierung auf und zeigten, in welch gutem Gleichgewicht sie musikalisch unterwegs sind und sich buchstäblich die Bälle zuwerfen. In diesem und in allen weiteren Teilen konnte man von einem kaum hörbaren, zarten Pianissimo bis zum leuchtend kräftigen Forte auf der Farbpalette der musikalischen Ausdrucksformen nahezu alles hören.

Im „Laudamus te“ kamen erstmals die beiden Solistinnen zum Einsatz: Leonie Zehle mit einer klaren und tragenden Sopranstimme und Magdalene Fischer, die mit warmem strahlenden Mezzosopran das Duett wunderbar zur Vollendung brachte. Gleichzeitig ergänzten sich hier auch die beiden Geigenstimmen mit dem Kontrabass zu einem spannenden Dialog. Im „Domine Deus“ führte eine stilsichere Oboen-Solostimme in Begleitung des Cellos die Sopran-Arie ein und ließ weihnachtliche Vorfreude aufkeimen.

Das „Quoniam tu solus sanctus“ wurde mit einer Hoch-B-Trompete farbig begonnen und sensibel begleitet. So erklang Stück für Stück in unterschiedlichen Klangfarben und wurde immer wieder abwechslungsreich illustriert, um zunehmend als harmonisches Ganzes zu erscheinen. Zweifellos den Höhepunkt findet das Werk in der großartigen Schlussfuge „Cum Sancto Spiritu“, in der der Chor einmal mehr glänzen konnte.

Im zweiten Teil des Abends, der „Little Jazz Mass“ von Bob Chilcott, der nach einer kurzen Umbaupause begann, wurde man schon bei den allerersten Klängen in eine komplett andere Welt versetzt. Dabei nahm der souverän agierende „Mann am Klavier“, Tobias Vogel, eine bedeutende Rolle ein. Der ehemalige Dirigent des Chors begleitete harmonisch und mit hoher Perfektion den ganzen Abend, ohne sich jemals in den Vordergrund zu spielen. Auch Manuel Schattel am Kontrabass unterstützte den Klangkörper des Chors und setzte kräftige Konturen.

In den nur fünf Teilen der Messe – Kyrie, Gloria, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei – warteten allerhand klangliche Überraschungen auf die Zuhörer. So lagen manchmal ungewohnte Akkorde und neue Harmonien so klar und rein nebeneinander wie übereinandergeschichtete Glasplatten, oder es kamen Rhythmen zu Gehör, die beinahe zum Mit-Schnipsen animierten. Mit der „Little Jazz Mass“, die der 1955 geborene Brite Bob Chilkott geschaffen hat, stand ein stilistisches Medley von ganz unterschiedlichen Jazz-Stilen auf dem Programm, das ebenfalls in einem Wohlklang endete, der dem Publikum als klarer und reiner Abschluss-Klang im Ohr blieb.

Das dritte Stück des außergewöhnlichen Programms bildete „Sleep“ von Eric Whitacre. Dafür erbat der Dirigent eine kurze Pause für den Chor, um sich erneut zu konzentrieren, denn das achtstimmige Stück ist schwer zu singen. Es besteht aus ineinander verwobenen Klängen und Harmonien, die zueinanderführen, sich begegnen und wieder entfernen. Sie lassen Bilder entstehen von stillen Bergseen, kräftig leuchtenden Sonnenaufgängen oder rauschenden Wasserfällen, die sich über scharfe und spitze Steine ergießen. Das außergewöhnlichste Merkmal dieses Stückes ist jedoch die vielschichtige Dynamik, die der Chor sehr überzeugend und mit hoher Präzision umsetzte. So wechselt sich eine kraftvolle Lautstärke und unglaubliche Klangfülle mit zarter, pastellblasser Leichtigkeit und ergreifender Stille ab. Das Stück endet schließlich in tiefem, erholsamem Schlaf, der durch immer leiser und fast nicht mehr hörbare Klangbilder dargestellt und gleichsam spürbar wird.

Das Publikum dankte dem „Chili-Chor-Carne“ und seinen Mitmusikern in einem kräftigen und herzlichen Applaus, was mit einer kleinen Zugabe, einem Volkslied aus Norwegen, belohnt wurde. So endete ein wunderbarer Abend, an dem ein harmonisches und farbenprächtiges Gemälde von großer Aussagekraft entstanden war. Einmal mehr zeigte der Chor mit seinem Dirigenten eine große Musikalität und Klangfülle. Christine Reichow